Y
, [
1639-1640] der fünf und zwanzigste
Buchstab des Deutschen Alphabets, und der achte unter den Vocalen, oder
Hülfslauten, in dessen Figur eigentlich zwey ganz verschiedene Laute vereiniget
sind. 1. In Wörtern, welche aus dem Griechischen und Lateinischen herstammen,
vertritt es die Stelle des hier nichtlateinischer Text, siehe
Image und y, und wird alsdann mit Recht Ypsylon genannt, welchen Nahmen
es schon bey den Griechen führte. Es ist alsdann ein einfacher Vocal, welcher
mit unserm ü überein kommt, oder vielmehr einen Mittellaut zwischen dem ü und i
hat; Sylbe, System, synthetisch. Das Gesetz der nächsten Abstammung erfordert
es, diesen Vocal in allen den Fällen zu behalten, wo die Ursprache ihn einmahl
aufgenommen hat. 2. In eigentlich Deutschen Wörtern ist es ein Zeichen eines
gedehnten i, doch nur in einigen Fällen, und zuweilen auch eines j nach dem o
und u. (1) Eines gedehnten i, in welcher Gestalt es nur noch in zwey Fällen
gebraucht wird. (a) Am Ende eines Wortes nach einem a und e, da es denn nicht
anders als ai und ei lautet; Bay, May, bey, Ey, vielerley, zwey, drey,
Tändeley. (b) In abgeleiteten Wörtern, wenn sich die Wurzel auf ay oder ey
endigte: beyde, schreyen, zweytens, meynen, welches doch jetzt am häufigsten
meinen geschrieben wird, weil die Wurzel mey längst veraltet und verdunkelt
ist. So auch in dem Verbo seyn, welches nicht, wie gemeiniglich geglaubt wird,
bloß zum Unterschiede von dem Pronomine sein mit einem y geschrieben wird,
sondern weil es vermittelst der Ableitungssylbe des Infinitives, en oder n, von
einer alten Wurzel sey gebildet ist. (2) Eines j am Ende der Wörter und Sylben,
nach o und u: Hoya, Hoyerswerda, Boy, huy, pfuy. Allein dieser Gebrauch ist,
die eigenen Nahmen allenfalls ausgenommen, im Hochdeutschen veraltet, und man
gebraucht dafür richtiger das j: Boj, huj, pfuj. Ehedem wurde dieses y weit
häufiger, und fast ohne Unterschied Statt eines gedehnten i gebraucht, so wohl
zu Anfange der Wörter Ygel, Yüden, yetzt; als auch in der Mitte und am Ende:
July für Julii, der Mayn, Maynz, nye, Neyd, Gewyssen, Zweyfel, Eyd, u. s. f.
bis die neuere Hochdeutsche Mundart es auf die eben gedachten Fälle
einschränkte. Es ist sehr wahrscheinlich, daß dieses y, welches mit dem Ypsilon
der Griechen und Lateiner nichts als die zufällige Figur gemein hat, aus einem
i und j entstanden ist, und seinen Grund in einer veralteten Aussprache hat,
welche dem gedehnten i gern noch ein j nachschleichen ließ, so wie noch manche
gemeine Mundarten allerleij, oder wohl gar allerleije, und die Niedersachsen
Fijend, für Feind, sprechen. Da man ehedem alle Schattirungen der provinziellen
Aussprache auch durch die Schrift auszudrucken suchte, so war nichts leichter,
als daß ij in y zusammen gezogen wurden, daher es auch in den niedern Schulen
das ii nennet, und es durch zwey darüber gesetzte Puncte von dem Ypsilon
unterscheidet. Die Ursache, warum die neuere Hochdeutsche Schriftsprache dieses
y noch in den gedachten Fällen beybehalten hat, scheinet mir in einer dunkelen
Empfindung der Anständigkeit zu liegen. Das i ist der kleinste Buchstab, der
den wenigsten Körper hat, und daher auch unfähig scheinen kann, einen gedehnten
Laut zu bezeichnen. Um dieser Ursache Willen hat man ihm auch in andern Fällen
das h und e zugesellet, um die Dehnung auszudrucken: ihm, ihr, siehe, Liebe;
und aus eben der Ursache bezeichnete man diese Dehnung am Ende eines Wortes
durch das ii oder y. Es hat also die Figur wirklich einen Grund, und einen
Grund, der so verächtlich gewiß nicht ist, als viele glauben, die dieses y
überall verbannet, und durch i ausgedruckt wissen wollen. Ich sehe daher nicht
ein, was man damit ersparen oder dadurch gewinnen will. Es ist eine bekannte
Regel, daß sich ein Vernünftiger ohne Noth nie von einer unschädlichen und
unschuldigen Gewohnheit entfernen soll, am wenigsten in der Sprache, wo die
Verletzung des Conventionellen selbst in der Orthographie so wohl die Einheit,
als möglichste Klarheit, störet. Neuerungen dieser Art haben, mit dem
Quintilian zu reden, keinen andern Grund, als Insolentiam quandam et frivolam
in parvis jactantiam. [
1641-1642]