Welcher
, [
1475-1476] welche, welches, ein bieasames
Bestimmungswort, welches auf zweyerley Art gebraucht wird. I. Als ein Pronomen,
und zwar: 1. Als ein Relativum, einen Satz oder Ausspruch auf ein vorher
genanntes Subject zurück, da es denn das vollständigste Relativum ist, welches
nicht nur bestimmter als das kürzere der ist, sondern sich von dem gleichfalls
relativen was darin unterscheidet, daß sich dieses nur auf unbestimmte Neutra,
wenn sie im Nominativ und Accusativ des Singulars stehen, welcher aber auf
unbestimmte Individua beziehet. Alles, was ich weiß; das beste, was ich noch
gesehen habe; aber das Haus, welches ich bewohne. So auch in andern
Geschlechtern. Du bist nicht der erste, welcher mir das sagt. Die Lage
derjenigen Örter, an welchen man Versuche angestellet hat. Derjenige Mensch,
mit welchem ich sprach. Welches von beyden du willst. Für den Genitiv so wohl
im Singular, als Plural, ist statt welcher und welches, dessen und derer
üblicher. Der Freund, dessen du erwähntest, nicht wessen; die Summen, deren wir
bedürfen, nicht welcher. Die Ursache liegt wohl darin, weil dieser Casus eine
schärfere Bestimmung in sich schließt und erfordert, und daher ein
Determinativum statt eines bloßen Relativi nothwendig macht. 2. Als ein
Interrogativum, und zwar wiederum. (1) Nach bestimmten Individuis zu fragen,
wodurch es sich von wer und was unterscheidet, welche unbestimmter fragen.
Fragt man mit dem letztern: wer hat dir das gesagt? so wird hier zwar nach
einer Person gefragt, aber sehr unbestimmt, ohne Rücksicht auf das Geschlecht
und die individuelle Beschaffenheit. Ist die Antwort, dein Bruder, und es gibt
der Brüder mehrere, so würde welcher? die Frage fortsetzen müssen. Es stehet so
wohl in directen als indirecten Fragen. Welchem von beyden hast du es gegeben?
Ich weiß nicht, welchen von beyden ich wähle. In welcher von beyden Sprachen er
will. Welches Lob ist größer, blühende Wangen oder eine schöne Seele? Da es
denn, wenn es sich auf ein nachfolgendes Substantiv beziehet, oft im Nominativo
des Neutrius gebraucht wird, alle Geschlechter und Zahlen zu vertreten. Welches
sind denn deine Mörder? Welches ist der Jünger, den Jesus lieb hatte? (2) Nach
der Beschaffenheit einer Sache zu, fragen. Besonders (a) wenn die Frage in
einen bewundernden Ausruf eingekleidet ist; für was für. Welche derbe, grobe
Speise! Welche Angst! Welche heimlich vergossene Thränen: Welche Größe! Wenn
ein darauf folget, so verlieret es seine Biegungssylben, und lautet nur welch.
Welch eine Veränderung! Welch ein grober Mensch! Welches euch wohl in andern
Fällen geschiehet. Welch unaussprechlich Glück ist die Liebe! Dieser ganze
Gebrauch fängt an, in der edlern Schreibart seltener zu werden, und dem
bestimmtern was für, was für ein zu weichen. (b) In directen Fragen. Weißt du
noch mit welcher Geduld ich mich zu allen Erniedrigungen herab ließ? (c) In
indirecten Fragen, welche eine bloße Ungewißheit verrathen. Ich weiß nicht, in
welchem Zustande er sich befindet. Wer weiß, in welches gottlose Haus er gehet.
(d) Im gemeinen Leben wird es häufig als ein relatives Fragewort gebraucht, so
wohl nach bestimmten Individuis, als nach der Beschaffenheit zu fragen. Wer hat
dir das gesagt? Antw. Dein Bruder. Weitere Frage, was für welcher? So auch: es
ist Mehl. Frage: was für welches? Allein der edlern Schreibart ist dieser
Gebrauch fremd; indem im ersten Falle, wenn nähmlich nach Individuis gefragt
wird, was für überflüssig, und welcher allein schon hinlänglich ist, im zweyten
Falle aber, wenn man nach der Beschaffenheit fragt, das Substantiv lieber
wiederhohlet wird: was für Mehl? II. Als ein unbestimmtes oder allgemeines
Zahlwort, welches doch dabey auch relativ ist, und sich auf vorher genannte
Dinge beziehet, für einige, einiges. Ich habe Äpfel, wollt ihr welche? Von
diesen Früchten waren welche sauer, welche süß. Ich hatte welche sonst bey mir,
Gell. Wenn ich das Glück tragen könnte, so würde mir der Himmel gewiß auch
welches geben. Auch dieser Gebrauch ist ebenfalls, nur der vertraulichen
Schreibart angemessen, für die höhere aber nicht edel genug. Ehedem war dafür
etwelches, etwelche üblich. Anm. Das Wort ist so alt, wie eines in der Sprache,
indem es im Kero, Isidor u. s. f. schon huuelich, welicher, uuele, im Ulphilas
hweileiks, im Angels. hwilc lautet. Im Nieders. lautet es welk, und im
Osnabrück. nur wel, im Schwed. hvilken. Es ist unstreitig aus dem alten wa, der
Wurzel von wer, was und lich abgeleitet. Das Lat. qualis ist augenscheinlich
damit verwandt. Im Nieders. bedeutete es ehedem auch jemand.
S. auch Jeglicher, welches gleichfalls davon abstammet.
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1475-1476]