W
, [
1317-1318] der drey und zwanzigste
Buchstab des Deutschen Alphabets, und der achtzehnte unter den Consonanten oder
Hauptlauten, welcher zu den Blaselauten gehöret, und zwar der weichste und
sanfteste unter denselben ist, daher er eben den Laut hat, welchen die
Franzosen, Italiäner und Ungarn dem v beylegen. Im Deutschen kann derselbe um
dieses weichen Lautes Willen nur von einem Vocale stehen, wehen, weg, ewig,
Löwe. Allein im Niederdeutschen findet man ihn auch vor einem r, wräcken,
rächen, wringen, ringen, wriben, reiben u. s. f. welchem Beyspiele denn auch
die Englische Sprache, als eine Tochter der Niederdeutschen, folgt. In allen
diesen Fällen, wo das w vor einem r stehet, ist es ein müßiger Vorsatz, welcher
bey Aufsuchung der Wurzel nicht in Betrachtung kommt. In den wenigen Fällen, wo
die Hochdeutsche Mundart diesen Hauch ja behalten hat, da hat sie ihn in das s
und b verwandelt: wrefeln, freveln, Wrack, Ausschuß, Brack. Daß das w aber auch
in andern Fällen nicht wesentlich zur Wurzel gehöret, sondern allenfalls eine
bloße Verstärkung des Tones ist, erhellet aus so vielen Wörtern in den
verwandten Sprachen, die diesen Laut nicht haben; wie dem Schwed., Dän. und
Isländ. ord, Deutsch Wort, dem Isländ. und Schwed. andra, wandern, dem
Schwedischen ila, weilen, dem Gothischen aurt, Schwed. ört, Wurz, dem Schwed.
önska, wünschen, und andere mehr. Man schließe indessen daraus nicht, daß das w
überall bloß zufällig sey, und bey Aufsuchung der Wurzel eines Wortes allemahl
weggeworfen werden könne. In den meisten Fällen ist es wesentlich, und
bezeichnet eine eigene sehr merkliche Onomatopöie, wie in wehen, wegen,
wiehern, wanken u. s. f. Ist diese Onomatopöie in hundert andern Fällen nicht
mehr merklich, so rühret solches daher, weil die mehrmahls übergetragenen
Bedeutungen die erste eigentliche verdunkelt und in Vergessenheit gebracht
haben. Bey den alten Deutschen hatte dieser Buchstab einen Laut, welcher aus u
und v zusammen gesetzt war, wie sich theils aus Ottfrieds Stelle in der Vorrede
zu seinen, Evangelien vermuthen läßt: nam interdum tria u u u, ut puto, quaerit
in sono, priores duo consonantes, ut mihi videtur, tertium vocalisono manente;
theils aus der ehemahligen Art Frawe, schawen u. s. f. zu schreiben, welche
letztern ohne Zweifel wie Frauwe, schauwen gesprochen wurden. In den spätern
Zeiten, als Sitten und Aussprache, besonders in der Hochdeutschen Mundart, sich
verfeinerten, ließ man unter mehrern andern Nebenlauten in den jetzt gedachten
Fällen auch das w weg, und schrieb und sprach statt des rauhen uv ein bloßes u.
Nur in dem Ew. der abstracten Ehrenwörter, für Euer, hat sich diese alte
Schreibart noch erhalten. Zu diesen in den spätern Zeiten ausgemusterten
müßigen Nebenlauten gehöret auch das h vor dem w, welches zu Anfange eines
Wortes in den ältesten Mundarten so oft vorkommt; hwil, Welle, hwelcher,
welcher; besonders in der Angelsächsischen, woraus nachmahls das wh der
heutigen Englischen Sprache geworden ist. Einige gemeine Mundarten pflegen
statt des w gern ein m zu sprechen: mir für wir, Mörsing für Wirsing.
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1317-1318]