Der Vogel
, [
1217-1218] des -s, plur. die Vögel,
Diminut. das Vögelchen, Oberd. Vögelein, eine allgemeine Benennung der
zweyfüßigen mit Federn und Flügeln versehenen Thiere, welche den Ort
vermittelst des Fliegens verändern, welches letztere such der Grund ihrer
Benennung ist. Raubvögel, Wasservögel, Sumpfvögel, Waldvögel. Das Collectivum
lautet Geflügel, ehedem aber auch Gevögel, bey dem Notker Qefugele. Am
häufigsten verstehet man unter dem Nahmen Vogel diejenigen Thiere dieser Art,
welche gewöhnlicher Weise wild leben, indem man diejenigen Arten, welche der
Mensch als Hausthiere zu erziehen pflegt, als Hühner, Gänse, Änten, die Tauben
etwa ausgenommen, nicht leicht Vögel nennt, ob man sie gleich unter dem
allgemeinen Nahmen des zahmen Geflügels begreift. Ich habe ein Vögelchen davon
singen hören, in der vertraulichen Sprechart, ich habe etwas unter den Hund
davon gehöret. Laß die Vögel sorgen! ein vertraulicher Verweis unnöthiger
Sorgen. Friß Vogel oder stirb! ein vermuthlich von den Vogelstellen entlehnter
Ausdruck, anzudeuten, daß man aus zweyen Übeln schlechterdings eines wählen
müsse. Sprichw. Man kennt den Vogel am Gesange, oder an den Federn. Man kann es
nicht an dem Neste sehen, was für Vögel darin sind. Wie der Vogel, so das Ey,
oder, böser Vogel, böses Ey, oder, wie man ehedem sagte, wie es vogelt, also
legt es Eyer, wo Frisch das Zeitwort mißverstanden hat. Es muß ein böser Vogel
seyn, der in sein eigenes Nest thut. Wer Vögel fangen will, muß nicht mit
Knütteln darein werfen. Vögel von einerley Federn fliegen gern zusammen, gleich
und gleich gesellt sich gern. Auch ein hölzernes Bild eines Vogels, nach
welchem man zur Übung zu schießen pflegt. Nach dem Vogel schießen. Den Vogel
abschießen.
S. Vogelschießen. Figürlich pflegt man einen listigen,
leichtfertigen, losen Menschen u. s. f. in der vertraulichen Sprechart einen
listigen, leichtfertigen, losen Vogel zu nennen. Ein durchtriebener Vogel. Ein
Galgenvogel, ein des Galgens würdiger Schalk, wenn es nicht eine Anspielung auf
die Raben und Krähen ist, welche sich gern auf den Galgen sehen lassen.
Vielleicht liegt der Grund dieser Figur in der Beweglichkeit und Flüchtigkeit
eines Vogels, so wie man einen Menschen auch eine wilde Fliege, eine wilde
Hummel zu nennen pflegt. Im Schwedischen ist indessen Vogel mit seinen
Beywörtern ein härteren Schmähwort. Anm. Bey dem Ulphilas Fugls, bey dem
Ottfried und Notker Fogal im Nieders. Vagel, im Angels. Fugel, im Schwed. Fo-
gel, im Engl. Fowl. Die Endsylbe ist die Ableitungssylbe -el, welche ein Ding,
Subject bedeutet. Die Grundsylbe Vog gehöret allem Ansehen nach zu wegen,
bewegen, die dieser Art Thiere eigenthümliche leichte Bewegung vermittelst des
Fliegens zu bezeichnen. Auf ähnliche Art stammen Volucris und Geflügel von
volare, und fliegen ab, so wie avis sein Stammwort in dem Hebr. apt, fliegen,
suchen muß. [
1219-1220]