Versetzen
, [
1135-1136] verb. reg. welches in
doppelter Gestalt vorkommt. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, wo es
doch nur von Thieren für verwerfen, die Jungen zu frühe oder in unvollkommenem
Zustande zur Welt bringen, gebraucht wird, besonders bey den Jägern von solchen
Thieren, von welchen man daselbst setzen für werfen oder gebären sagt. Die
Häsinn hat versetzt. II. Als ein Activum, wo es nach Maßgebung der Partikel ver
und des einfachen Zeitwortes in verschiedenen Bedeutungen gebraucht wird. (1)
An einen falschen, an einen nicht gehörigen Ort setzen; Schwed. försätta. Ein
Buch ist versetzt, wenn es an einen falschen Ort gestellet ist. Die Gränzsteine
versetzen, verrücken. In den Buchdruckereyen pflegt der Setzer zuweilen aus
Versehen eine Zeile, ein Wort, einen Buchstaben zu versetzen, da man denn auch
wohl reciproce sagt, er habe sich versetzt. (2) An einen andern Ort setzen. Er
versetzet Berge, ehe sie es innen werden, Hiob 9, 5. Ein Fels wird von seinem
Ort versetzt, Kap. 14, 18. Reiß dich aus und versetze dich ins Meer, Luc. 17,
6. Die Bücher versetzen, sie umsetzen, in dem Bücherbrete an einen andern Ort
setzen. Die Wörter einer Rede, die Sylben, die Buchstaben eines Wortes
versetzen. Daher die Versetzung, eine Figur, Metathesis. Die Amtleute
versetzen, sie auf andere Ämter setzen. Die Hofbedienten versetzen, ihnen
andere Stellen geben. Eine Pflanze, ein Gewächs, einen Baum versetzen, an einen
andern Ort, in eine andere Erde, setzen, wo dieses Wort von verpflanzen noch
verschieden ist. Verpflanzen gebraucht man gemeiniglich von jungen Pflanzen,
welche man mit der Wurzel ausziehet an einen andern Ort pflanzet; versetzen
aber von erwachsenen Gewächsen aller Art, welche mit einem an den Wurzeln
gelassenen Kloß Erde, und mit Beschneidung der Wurzeln in andere Erde oder an
einen andern Ort gepflanzet werden. In das Reich Gottes versetzet werden. Unter
die Zahl der Heiligen versetzen. Sich in Gedanken an einen Ort versetzen. Es
wird Mühe kosten, sich in diese Begriffe zu versetzen. Ingleichen nach noch
weiterer Figur, in einen gewissen Zustand bringen. Jemanden in andere Umstände
versetzen. Das versetzt mich in die Nothwendigkeit, es dir abzuschlagen.
Jemanden in das größte Elend, in einen blühenden Wohlstand versetzen. In
Schrecken, in Freude, in Furcht versetzen. (3) So daß ver eine Verbergung
bezeichnet, und zwar auf doppelte Art. a) In die Tiefe setzen, doch nur bey den
Schwertfegern, welche Gold- oder Silberblätter versetzen, wenn sie selbige in
die gemachten kleinen Grundhiebe der stählernen Degengefäße mit dem Grundmeißel
einschlagen, eine Art, Stahl mit goldnen und silbernen Figuren zu belegen.
Figürlich versetzt sich bey den Jägern der Dachs, wenn er sich in der
Geschwindigkeit in die Erde gräbt, so, daß die Hunde ihn nicht finden können,
wofür auch verklüften üblich ist. b) Durch ein davor gesetztes Hinderniß
versperren, verstopfen. Eine Thür mit einem Schranke, eine Öffnung mit Fässern,
den Eingang mit Steinen versetzen. Figürlich sagt man, das versetzt mir den
Athem, wenn etwas das Athemhohlen hindert, z. B. eine große Hitze,
Schwefeldampf, ein heftiger Gestank u. s. f. Die im Magen versetzten Winde,
wofür auch verschlagen, üblich ist, wo aber auch die erste Bedeutung Statt
findet. Im Hüttenbaue versetzt sich der Blasebalg, wenn er Ferner ziehet. (4)
So daß ver eine Vermischung, Verbindung bezeichnet. a) In den Künsten wird
versetzen in vielen Fällen für vermischen gebraucht, besonders, wenn die
Wirkung des einen Dinges durch die Beymischung des andern verändert werden
soll. Zu den Glocken wird das Kupfer mit Zinn versetzt. Den Wein mit Wasser
versetzen. Die Mahler versetzen die Farben, wenn sie eine Farbe mit der andern
verbinden. Das Schwarzwildbret färbet sich nicht, sondern versetzet nur im
Herbste seine dunkelbraunen Sommerfedern (Sommerhaare,) mit hellgrauen
Winterfedern, bey den Jägern. b) Hierher scheinet auch die im Oberd. übliche
Bedeutung zu gehören, wo dieses Zeitwort in verschiedenen Fällen gebraucht
wird, eine schickliche Vertheilung und Verbindung mehrerer Dinge zu einem
Ganzen zu bezeichnen. Eine Krone mit Perlen, ein Portrait mit Diamanten
versetzen, besetzen. Versetzte Edelsteine, gefaßte. Blumen in einem Kranze
versetzen, ordnen, vertheilen. Die Beete in einem Garten versetzen, vertheilen.
Im Hochdeutschen ist diese Bedeutung unbekannt. (5) Jemanden einen Schlag,
einen Hieb, eine Ohrfeige versetzen, geben, beybringen. Ihm einen Streich auf
den Rücken versetzen. Jemanden eins versetzen, einen Schlag, Hieb oder Stich.
Ver scheint hier eine bloße Intension zu bezeichnen. (6) Ein Ding anstatt des
andern, für das andere setzen. a) Schlechte Goldsorten gegen bessere versetzen,
wofür doch im Hochdeutschen umsetzen üblicher ist. b) Zum Pfande setzen oder
geben, verpfänden. Der Bürge hat sich selbst für dich versetzt, Sir. 29, 20. Im
Hochdeutschen gebraucht man es nur noch von Sachen. Die Äcker versetzen, Nehem.
5, 3. Besonders von beweglichen Dingen, für das edlere verpfänden. Seine Uhr,
seine Kleider, ein Goldstück bey jemanden versetzen, Geld darauf borgen. Es ist
für zehn Thaler versetzt. Versetzte Sachen einlösen. Schon im Schwabensp.
versezzan, bey andern ehedem auch nur setzen, im mittlern Lat. opponere. c)
Hierher gehöret auch vermuthlich die sehr gangbare Bedeutung, da es für
antworten gebraucht wird, eigentlich, auf die Rede des
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1137-1138] andern folgen lassen, derselben entgegen
setzen, so daß ver hier eben die Bedeutung hat, als ant oder ent in antworten,
und re in dem Lat. respondere, dem Ital. repartire, und dem Franz. repartir.
Auf die Frage, ob er es nicht gethan habe, versetzte er, daß er es nicht thun
können, indem u. s. f. Aber wie, versetzte er, kann dieses möglich seyn? Als er
ausgeredet hatte, versetzte ich ganz gelassen, er sey nicht im Stande, darüber
zu urtheilen. Er versetzte darauf, u. s. f. Stosch behauptet an mehrern Orten
seines Versuchs einer richtigen Bestimmung u. s. f. versetzen bedeute
eigentlich, jemanden eine empfindliche, beißende Antwort ertheilen. Allein,
dazu hat ihn bloß die geglaubte Abstammung von der R. A. jemanden einen Schlag,
Hieb u. s. f. versetzen, verleitet. Daß die Bedeutung des Antwortens keine
Figur von dieser R. A. ist, erhellet unter andern auch aus der Wortfügung
beyder, jenes ist ein eigentliches Activum, welches seinen Accusativ allemahl
bey sich haben muß; dieses hat die Gestalt eines Neutrius, und wird nicht
leicht mit einem Accusativ verbunden. Auch der Sprachgebrauch weiß nichts von
dem Begriffe des Empfindlichen oder Beißenden, welcher mit versetzen verbunden
seyn soll, indem solches völlig gleich bedeutend mit antworten gebraucht wird.
Da setzen und Sag überdieß mehrmahls von der Rede gebraucht werden, so scheinet
ver hier mit re und ent gleich bedeutend zu seyn, daher auch im mittlern
Lateine opponere mehrmahls für antworten vorkommt. Daher die Versetzung und das
Versetzen, welche doch nicht in allen Bedeutungen üblich sind.
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1137-1138]