Verletzen
, [
1271-1272] verb. reg. act. ein
körperliches Ding so beschädigen, daß dadurch dessen Vollständigkeit oder ganze
Beschaffenheit leidet, der gehörige Zusammenhang des Ganzen oder eines Theiles
unterbrochen wird. 4. Eigentlich. Einen Baum verletzen, durch Abhauung eines
Zweiges, Beschädigung der Rinde, der Wurzel u. s. f. Ein Werk der Kunst
verletzen. Eine verletzte Bildsäule. Ach, soll ein Stahl dieß schöne Haar
verletzen! Am häufigsten von lebendigen Geschöpfen. Jemanden an Leibe, sich an
der Hand, an dem Fuße verletzen, es geschehe durch Verrenkung oder Verwundung,
als ein allgemeiner Ausdruck, der doch am häufigsten von geringern
Beschädigungen gebraucht wird, dagegen verwunden eine besondere Art der
Verletzung ausdruckt. Gott verletzet und verbindet, Hiob 5, 18. Ein schwangeres
Weib verletzen, 2 Mos. 21, 22. Wer seinen Nächsten verletzt, dem soll man thun,
wie er gethan hat, Schade um Schade, Auge um Auge, Zahn um Zahn, wie er hat,
einen Menschen verletzt, 3 Mos. 14, 19 f. Sich etwas im Leibe verlegen, 2.
Figürlich. Jemandes Ehre, guten Nahmen verletzen, oder ihn an seiner Ehre, an
seinem guten Nahmen verletzen. Jemandes Recht, oder ihn an seinem Rechte
verletzen. Die eheliche Treue verletzen. Daher die Verletzung in beyden Fällen,
so wohl von der Handlung des Verletzens, ohne Plural, als auch von der dadurch
zugefügten Beschädigung, mit demselben. Anm. Bey dem Ottfried gilezzen, bey
seinen Nachfolgern nur letzen, welches unter andern noch Es. 11, 9 vorkommt:
man wird nicht letzen noch verderben auf meinem heiligen Berge. Die Endsylbe
zen zeigt, daß dieses Wort ein Intensivum ist, dessen einfacheres Stammwort
noch in dem Lat. laedere herrschet, von welchem auch Lacinia abstammet. Mit
einem andern, aber nahe verwandten Endlaute war für letzen, auch lesen, lesten,
und in der intensiven Form lästern üblich; daher denn das bey den Schwäbischen
Dichtern befindliche verlesten, und das Schwed. lästa, verletzen, ingleichen
unser Laster in der veralteten eigentlichen Bedeutung, und verlästern, welche
beyde letztern eigentlich einen hohen Grade der Verletzung bezeichnen, wodurch
ein Ding ungestaltet wird. [
1273-1274]