Verkehren
, [
1257-1258] verb. reg. act. welches in
einer doppelten Hauptbedeutung gebraucht wird. 1. Anders kehren oder wenden, so
daß ver hier bloß eine Änderung, andere Richtung, oder auch nur eine Intension
bezeichnet. Es ist in dieser Bedeutung nur noch in einigen figürlichen Fällen
gangbar. (1) Absolute bedeutet verkehren noch im gemeinen Leben, besonders
mancher Gegenden, Waaren absetzen, Handel und Wandel treiben, verkaufen;
Nieders. gleichfalls verkeeren. Jemand verkehrt viel, wenn er viel Waaren
absetzt. Es wird bey ihm, an diesem Orte nicht viel verkehrt. Nach einer noch
weitern Figur sagt man im gemeinen Leben, so wohl Ober- als
Niederdeutschlandes, mit jemanden verkehren, Gemeinschaft, Umgang mit ihm
haben. Ich habe in meinem Leben viel mit ihm verkehrt. (2) Verwandeln in den
entgegen gesetzten guten oder bösen Zustand versetzen. Swenne si wil mir
verkeren den Kumber min, der Schenke von Limburg. Das Leid in gute Tage
verkehren, Esth. 9, 22. Eure Traurigkeit soll in Freude, Joh. 16, 20; eure
Freude in Traurigkeit verkehret werden, Jac. 4, 9. Die Sonne in Finsterniß
verkehren, Apost. 2, 20. In dieser Bedeutung ist es um der Zweydeutigkeit mit
der folgenden Willen veraltet. 2. Aus der gehörigen oder doch gewöhnlichen
Richtung in die entgegen gesetzte falsche oder ungewöhnliche bringen. (1)
Eigentlich, wo es in manchen Fällen von allen Richtungen gebraucht wird. Die
Augen verkehren, besser verdrehen. Am häufigsten aber nach der gewöhnlichen
oder gehörigen Richtung der entgegen gesetzten kehren, das obere unten, das
vordere hinten kehren; umkehren hat den Begriff der falschen ungehörigen
Richtung nicht, welchen verkehren gewähret. Ein Buch verkehren. Am üblichsten
ist indessen in dieser Bedeutung das Mittelwort verkehrt, in Gestalt eines
Nebenwortes. Das Buch verkehrt nehmen, halten, so daß das untere oben komme.
Die Strümpfe verkehrt anziehen, so daß die innere Seite wider die Gewohnheit
auswärts komme. Etwas verkehrt angreifen, an dem ungewöhnlichen, unrechten
Ende. (2) Figürlich, wo es, (a) in vielen Fällen gebraucht wird, wo man etwas
in derjenigen Art thut, welche der gewöhnlichen und allein als richtig
angenommenen Art entgegen gesetzt ist. Die Ordnung der Natur verkehren.
Jemandes Worte verkehren, besser verdrehen, ihnen die entgegen gesetzte
unrichtige Deutung geben. Das Recht verkehren, besser verdrehen, so fern von
einer unrichtigen Deutung die Rede ist. Die Geschenke verkehren die Sache der
Gerechten, 2 Mos. 23, 8. So auch das Mittelwort verkehrt. Alle seine Sachen
verkehrt anfangen, anstellen. Lauter verkehrte Arbeit machen. Außer dieser
objectiven und passiven Bedeutung wird das Mittelwort nach dem Muster so vieler
anderer auch noch in subjectiven und thätigem Verstande gebraucht, und da ist
ein verkehrter Mensch, welcher die Gewohnheit, Fertigkeit besitzt, auf eine der
gewöhnlichen oder richtigen, entgegen gesetzte Art zu handeln, und darin
gegründet. Ein verkehrtes Betragen. (
S. Verkehrtheit.) (b) In der Deutschen Bibel ist
verkehren, zur Sünde verleiten, von dem Wege der Tugend auf den entgegen
gesetzten bringen. Die reitzende Lust verkehrt unschuldige Herzen, Weish. 4,
12. Daß die Bosheit seinen Verstand nicht verkehre, V. 11. Und haben etlicher
Glauben verkehrt, 2 Mos. 2, 18. Da denn auch das Mittelwort häufig für
lasterhaft, böse, gebraucht wird. Die verkehrte Art, 5 Mos. 32, 5, 20. Bey den
Verkehrten bist du verkehrt, 2 Sam. 22, 27. Ein verkehrter Sinn, Röm. 1, 28.
Außer der biblischen Schreibart wird diese Bedeutung wenig mehr gebraucht,
außer, wo sie mit der vorigen weitern zusammen schmilzt. So auch die
Verkehrung. Anm. Das Verkehren, eine Art des Bretspieles, wo man mit fünf
Steinen und Banden spielet, gehöret zur ersten veralteten weitern
Hauptbedeutung des Veränderns, indem es seinen Nahmen unstreitig von den
schnellen Glücksfällen, die dabey vorfallen, hat. Huiusmodi appellatio nem
meruit hic ludus, propter subitas mutationes, quae inter ludendum accidere
solent u. s. f. Hyde de ludis orient. Im Holländ. wird es gleichfalls Varkeer,
im Dän. Forkeering, und im Französ. mit einem aus dem Deutschen gemodelten
Worte Verquier genannt. Hyde zeigt, daß es bey den Arabern und andern
Morgenländern üblich ist. [
1259-1260]