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Adelung - Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

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Der Urquell | | Der Ursacher

Die Ursache

, [1155-1156] plur. die -n, 1. * Eine Entschuldigung, in welcher Bedeutung es in Lipsii Alemannischen Glossen schon Ursago lautet, im Schwed. Vrsake, wo auch das Zeitwort ursäkta, entschuldigen bedeutet. In ähnlicher Bedeutung ist daselbst ursaker, unschuldig. In beyden Bedeutungen stehet ur für aus, un und ent, eine Beraubung zu bezeichnen, so daß Ursache in dieser Bedeutung eine buchstäbliche Überzeugung von Excusatio zu seyn scheinet, und mit Ausrede gleich bedeutend ist. Da ur und ver sehr oft mit einander verwechselt werden, so gebraucht Kero Farsaha und farsahhan, für Entschuldigung, und entschuldigen. Daß Sache aber, wo nicht in allen, doch in vielen Bedeutungen, von sagen abstammet, welche Ableitung auch hier angenommen werden muß, ist schon bey diesem Worte bemerket. Übrigens ist es in diesem Verstande im Hochdeutschen veraltet, außer wenn es mit der folgenden Bedeutung zusammen schmilzt, indem dasjenige, was man zur Entschuldigung anführt, oft die Ursache ist, warum es geschehen seyn soll. 2. Dasjenige, warum etwas ist oder geschiehet. (1) In dem weitesten Umfange dieses Begriffes ohne nähere Bestimmung des darin befindlichen Mannigfaltigen; wo es oft mit Grund als gleich bedeutend gebraucht wird, obgleich dieses eigentlich dasjenige bezeichnet, woraus wir erkennen, warum etwas ist oder geschiehet. Ursache wird hier auf mancherley Art verbunden, welche sich besser und kürzer an Beyspielen als durch Regeln zeigen lässet. Du hast keine Ursache zu weinen, dich zu beklagen. Viele Ursachen haben, jemanden nicht zu trauen. Ursache zu etwas haben, geben. Du hast hohe (sehr gegründete, triftige) Ursache, Gott zu bieten. Ich sehe keine Ursache zu diesem Verfahren. Du hast mir Ursache dazu gegeben. Die Ursache der Traurigkeit, besser zur Traurigkeit; indem der Genitiv nur in der folgenden engern Bedeutung der wirkenden Ursache Statt findet. So auch; keine Ursache des Todes wurde an Jesu funden, Luc. 23, 22; d. i. keine Ursache, Jesum zum Tode zu verurtheilen. Das ist die Ursache davon. Überhaupt wird Ursache mit dem Wörtchen zu verbunden, wenn der Bewegungsgrund oder dasjenige angedeutet werden soll, warum man etwas thut oder leidet. Die Ursache, welche ich dazu habe, oder auch, warum ich dieses thue. Die Ursache, warum er nicht kam, war u. s. f. Ich habe es aus der Ursache gethan. Aus etwas für Ursachen wollte er nicht kommen? Ich verschweige es, um vieler Ursachen willen. Um dieser Ursache willen. Um der Ursache willen habe ich euch gebethen, Apost. 28, 20. Um irgend einer Ursache willen, Matth. 19, 3. Nach der Ursache fragen, die Ursache wissen wollen. Der Tod will eine Ursache haben. Eine Ursache von dem Zaune brechen, im gemeinen Leben, ungegründeten Anlaß zu etwas suchen und nehmen. Das hat seine Ursachen. Es geschiehet nichts ohne Ursachen. Ohne Ursache auf jemanden zürnen. Der Vater muß aber doch seine Ursachen haben, Weiße. Nur im gemeinen Leben übliche Verbindungsarten sind: er ist nicht gekommen, Ursache, weil er krank war. Ich konnte nicht kommen, Ursache dessen, ich war krank. (2) In einigen engern Fällen. (a) Dasjenige, wodurch etwas anders hervor gebracht wird, ein Ding, welches durch seine Wirkung etwas Mögliches wirklich macht, vollständiger die wirkende Ursache, Causa efficiens; mit der zweyten Endung des Hauptwortes. Die Luft ist die Ursache des Wachsthums der Früchte, die Sonne der Wärme. Die Unmäßigkeit war die Ursache seines Todes. Du bist die Ursache alles meines Unglückes. Alles Bösen Ursache ist, den schändlichen Götzen dienen, Weish. 14, 27. Christus ist eine Ursache zur ewigen Seligkeit worden allen, die ihm gehorsam sind, Ebr. 5, 9; wo doch die Wortfügung mit zu in dieser Bedeutung ungewöhnlich ist. Öfter gebraucht man es mit dem Vorworte an. Du bist Ursache daran. Er ist Ursache an meinem Unglücke. (b) Die bewegende Ursache, dasjenige, warum man etwas thut oder leidet, mit dem Wörtchen zu, der Bewegungsgrund, welche Bedeutung schon bey der vorigen allgemeinern da gewesen. (c) Ein Vorwand, eine ungegründete vorgewandte Ursache. Simson suchte Ursach an die Philister, Richt. 14, 4: einen Vorwand, ihnen zu schaden. Eine an der edlern Schreibart veraltete Bedeutung. (b) * Anlaß, Veranlassung; eine gleichfalls veraltete Bedeutung. Ursach geben zur Abgötterey, Bar. 6, 47. Anm. Das Wort ist sehr alt, und kommt für Gelegenheit, Anlaß, schon im 9ten Jahrhunderte vor. Im Nieders. lautet es Orsake, im Dänischen Aarsag, im Schwed. Orsak. Die Partikel ur ist von den Sprachforschern hier auf sehr verschiedene Art erkläret worden. Joh. Vorst ließ sich in seinen Anmerkungen über die Deutsche Sprache durch Keros ersuahhen, ursuahhen, untersuchen, verleiten, es von ersuchen abzuleiten. Nach Wachtern bedeutet ur, hier das erste, und Ursache, diejenige Sache, welche eher da ist als die Wirkung; eine Erklärung, welche ein wenig zu viel Abstraction bey unsern Vorfahren des 7ten und 8ten Jahrhundertes voraus setzt. Frischens Ableitung von ur, oder, gleichsam Obersache, läuft eben darauf hinaus. Weit wahrscheinlicher ist, daß die erste Bedeutung der Entschuldigung die ursprüngliche ist, oder doch wenigstens, daß Ursache anfänglich diejenige Sage oder Worte bedeutet habe, welche man zum Grunde eines Dinges anführet, und daß es mit excusare, von ex, aus, und cusare, dem alten, noch hin und wieder üblichen kusen, reden, und Ausrede, sich ausreden, gleich bedeutend ist. Daher wurde so wohl im Lat. Causa, als auch im Deutschen Sache, ehedem sehr häufig für Ursache gebraucht, und die Schweden gebrauchen Saka noch jetzt in diesem Verstande. Auf ähnliche Art bedeuten hier nichtlateinischer Text, siehe Image, Ratio, (von reden,) das alte Reden u. s. f. so wohl Worte, Rede, als auch Ausrede, Entschuldigung und in noch weiterm Verstande Ursache. Notker muß in großer Verlegenheit gewesen seyn, das Lat. causa zu geben, indem er an einem Orte das abenteuerliche Hauptwort die Warumbe, das Warum, bildet, an einem andern aber das dunkle Meinitiz hat; ein Beweis, daß Ursache zu seiner Zeit noch nicht allgemein gangbar gewesen, und da, wo es vorkommt nach dem Lat. excusatio gemodelt worden. Siehe auch Verursachen. [1157-1158]
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