Tuche
. 1. Ein Gewebe, ein Gewirk, es sey von welcher Art oder Materie
es wolle; wo der Plural nur von mehrern Arten gebraucht wird. In dieser
weitesten Bedeutung, wenn es anders dieselbe jemahls gehabt hat, so daß es mit
dem verwandten Zeug gleich bedeutend gewesen seyn würde, ist es jetzt veraltet,
indem man es nur in engerer Bedeutung von einigen Arten fest oder derb
geschlagener Zeuge gebraucht. 1) Eine Art fest geschlagener Leinwand. So wird
eine sehr feine, zu Cambray gewirkte, aber sehr fest geschlagene Leinwand
Kammertuch genannt. Am üblichsten ist es in dieser Bedeutung von einem groben,
starken fest geschlagenen Gewebe, welches gemeine Leute zu Hemden tragen, und
in Obersachsen nicht Leinwand, sondern Tuch genannt wird. Leinen Tuch weben. 2)
Eine Art wollenen Gewebes, welches derb und fest geschlagen wird, und hernach
die volle Walke bekommt; ein dickes Gewebe, wo die Wolle des Einschlages den
Faden der Kette bedeckt, und durch die Walke auf derselben in einen zarten Filz
verwandelt wird. Dadurch unterscheidet es sich so wohl von den Zeugen, welche
ungewalkt bleiben, oder nur die halbe Walke bekommen, als auch von den
tuchartigen Zeugen, welche mehr oder weniger gewalkt, und dadurch dem Tuche
ähnlich gemacht werden, auch alle Mahl ihre eigenen Nahmen haben, wohin der
Kirsey, Perpetueil, Molton, Flanell, Frieß u. s. f. gehören. Zur Verfertigung
des eigentlichen Tuches gehören dreyerley Arbeiter, der Tuchmacher oder
Tuchweber, der Walker und der Tuchbereiter, welche doch nur eine einzige Zunft
ausmachen. Im Nieders. wird dieses Tuch so wohl Laken als Wand genannt. 2. So
viel eines solchen Gewebes, als auf Ein Mahl verfertiget wird. In diesem
Verstande ist es nur in einigen Gegenden üblich, indem im Hochdeutschen dafür
Stück üblicher ist. In Nürnberg hält Ein Tuch 32 Ellen. An andern Orten ist Ein
Tuch Leinwand (in Obersachsen ein Stück, eine Webe) 50 Ellen. Der Plural lautet
alsdann, nach dem Muster so vieler andern Wörter, welche eine Zahl, Maß oder
Gewicht bedeuten, entweder unverändert Tuch, sechs Tuch, oder auch nach
Oberdeutscher Art Tuche. 3. Ein gemeiniglich vierecktes Stück gewirkten Zeuges,
es sey von welcher Materie oder Art es wolle; Diminut. Tüchlein, im gemeinen
Leben Tüchelchen, Oberd. Tüchel. Man gebraucht es in diesem Verstande ohne
Unterschied der Größe, besonders in solchen Fällen, wo ein solches Stück keinen
eigenen Nahmen hat, da denn dessen nähere Bestimmung durch die Zusammensetzung
bezeichnet wird. Ein Altartuch, (von Wolle, Seide, Sammt oder Leinwand,
gestickt oder ungestickt,) das Betttuch, (von Leinwand) Tischtuch, Handtuch,
Regentuch, Windeltuch, Schnupftuch, Wischtuch, Halstuch, Kopftuch, Nachttuch.
Seidene Tücher, Schnupf- oder Halstücher. Die haben mit dir gehandelt mit
seidenen und gestickten Tüchern, Ezech. 27, 24. Etwas durch ein leinen Tuch
seihen, durch ein vierecktes Stück Leinwand. Etwas mit dem Tuche abwischen.
Sich mit warmen Tüchern reiben. Ein solches kleineres Stück heißt im
Niederdeutschen gleichfalls Dook, ein größeres aber, dergleichen ein Tischtuch
oder Betttuch ist, Laken. Im Jagdwesen sind die Jagdtücher oder auch nur
schlechthin Tücher Wände von starker Leinwand, womit bey dem Bestätigungsjagen
ein Revier im Walde umstellet wird, und welche auch collective der Zeug heißen.
Man hat daselbst hohe Tücher, Mitteltücher, Lauftücher u. s. f. In einigen,
obgleich nur wenigen Fällen, ist Tuch auch der Nahme eines Kleidungsstückes; z.
B. ein Brusttuch. Im Oberdeutschen ist Vortuch die Schürze. In einigen gemeinen
Oberdeutschen Mundarten ist tücheln so viel wie kleiden. Die Eine Frau war
hübsch getüchlet, Stettler. Anm. Schon bey dem Ottfried ist Duaho, Leinwand,
und Duah, ein Kleid. Im Tatian lautet dieses Wort Tuoch, im Schwabensp. Tuch,
im Schwed. und Isländ. Duk, welches daselbst ein jedes grobes starkes Gewebe
bedeutet. Wachter leitete dieses Wort von tegere, decken, her, wovon auch Toga
abstammet, Frisch aber von Tunica, (im Dän. ist auch Dung, Tuch.) Beyde
Ableitungen haben ihre Wahrscheinlichkeit erschöpfen aber das Ganze nicht. Es
scheinet vielmehr, daß sich zufälliger Weise zwey verschiedene gleichlautende
Wörter in unserm Tuch vereiniget haben; Eines, welches mit Decke, tegere, Toga,
Tunica, Eines Geschlechtes ist, und wohin unser Tuch in der dritten Bedeutung,
das Niedersächsische Dook, ein Tuch, döken und doken, mit einem Tuche bedecken,
und das Hebr. hier nichtlateinischer Text, siehe Image, Tuch,
Decke, Vorhang, gehören, (
S. auch Zeug,) und Eines, welches ein dickes, derbes und
festes Gewebe bedeutet. Von dem letztern findet sich das Zeitwort noch bey dem
Ottfried, wo duachen, constipare, comprimere, filzen, und giduahit, verfilzt
ist, welches das Stammwort unseres Tuch in der ersten Bedeutung, und ein
Verwandter von dick zu seyn scheint. [
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