Treiben
, [
663-664] verb. irreg. ich treibe, du
treibst, er treibt u. s. f. Imperf. ich trieb; Mittelw. getrieben; Imper.
treib. Es ist, wie alle Zeitwörter, ursprünglich eine Nachahmung eines gewissen
Lautes, und das sich einerley aber doch ein ähnlicher Laut bey sehr
verschiedenen Handlungen befinden kann, so rühret es daher, daß auch dieses
Zeitwort, so wie manche andere, in mehrern dem Ansehen nach sehr verschiedenen
Bedeutungen gebraucht wird, und den Sinn des Plauderns, Trabens, Treffens,
(welches ein Intensivum davon seyn scheinet,) in sich vereiniget, wozu in
ältern Zeiten noch manche andere Bedeutungen kommen, die man aber im Deutschen
vorlängst hat veralten lassen, vermuthlich die Vieldeutigkeit zu vermeiden. Es
ist in doppelter Gestalt üblich. I. Als ein Neutrum, welches so wohl mit haben,
als mit seyn, verbunden wird. 1. * Plaudern, besonders von einem zum andern
plaudern, klatschen, (welches ebenfalls so wohl die Bedeutung des Plauderns als
des Schlagens hat;) eine im Hochdeutschen ungewöhnliche, aber im
Niederdeutschen völlig gangbare Bedeutung, wo drieve, plaudern, klatschen,
Drive, ein plauderhaftes Weib, Driverie, Klatscherey, und Drivehus, ein solches
Haus ist, wo über andere geklatschet wird. 2. Stark gehen, ohne Zweifel, als
eine Onomatopöie des starken und schnellen Ganges. (1) Eigentlich. Man sagt
noch im gemeinen Leben, müßig herum treiben, er hat den ganzen Tag müßig herum
getrieben, wofür man auch thätiger Weise sagt, sich herum treiben, müßig herum
gehen; außer welchem Falle es im Hochdeutschen nicht mehr gehöret wird, indem
in andern Fällen traben dafür üblicher ist, welches nur in der Mundart davon
verschieden ist. Im Schwed. ist drifva, gleichfalls müßig herum gehen. Das
Nieders. drivends bedeutet im Laufe, und figürlich unbesonnen; eben daselbst
ist Dreve der Gang. Siehe auch Trifft und Streifen, welche gleichfalls davon
abstammen. (2) Figürlich, wo es besonders von leblose Körpern gebraucht wird,
wenn sie ohne sichtbare äußere Gewalt langsam fortbeweget werden. a)
Eigentlich. Der Sand, der Schnee treibet, wenn er von dem Winde in großen Maßen
oder Haufen fortbeweget wird, (
S. Triebsand.) Daher in manchen gemeinen Mundarten
Drifft, Trifft, Schwed. Drive, ein solcher Haufen von dem Winde fortgewälzten
Schnees oder Sandes ist. Die Wolken treiben, wenn sie sich in Menge in der Luft
fortwälzen. Das Schiff treiben lassen, es dem Winde und den Wellen überlassen.
Es kam ein Schiff ohne Masten getrieben. Es konnte Holz getrieben, geschwommen.
Es scheinet, daß es in allen Fällen, wenn kein Ort bezeichnet wird, das
Hülfswort haben erfordere; wird aber der Umstand des Ortes ausgedruckt, so
bekommt es, wie verschiedene andere Neutra, das Hülfswort seyn. Das Schiff ist
von dem Ufer getrieben. Es ist Holz an das Land getrieben. Die Schiffe sind an
einander getrieben. Auch im Hüttenbaue gebraucht man dieses Wort als ein
Neutrum, von dem mit dem Silber vermischten Bleye; das Silber treibet, wenn es
auf dem Treibeherde in den Fluß kommt, und sich von dem Bleye scheidet, (Siehe
gleich hiernach in dem Activo.) b) Gewächse treiben, wenn sie merklich stark
wachsen. Die Bäume haben sehr stark getrieben.
S. auch Trieb. II. Als ein Activum oder vielmehr
Factitivum, treiben machen, in der zweyten Hauptbedeutung des vorigen Neutrius,
durch unwiderstehliche Bewegungsgründe den Ort verändern machen. Da diese
unwiderstehlichen Bewegungsgründe von sehr vielfacher Art seyn können, so wird
dieses Wort auch in einem verschiedenen Verstande gebraucht. 1. Im eigentlichen
Verstande, durch schlagen oder stoßen den Ort verändern machen. Einen Nagel in
den Balken, einen Reif an das Faß, einen Pfahl in die Erde, einen Keil in den
Spalt, einen Kreisel mit der Peitsche treiben; wo es alle Mahl eine
unwiderstehliche körperliche Gewalt bezeichnet. Das dieses Zeitwort ehedem auch
schlagen, stoßen, hauen u. s. f. überhaupt bedeutet haben, ist sehr leicht
erweislich. Im Nieders. ist driven und im Schwed. drifra, noch jetzt schlagen,
stoßen, todriven, einen Schlag geben; im Holländ. bedeutet Dreve, eine
Ohrfeige. Unser Treffen, so fern es eigentlich auch schlagen bedeutet, ist das
Intensivum davon, so wie das Lat. Tribulum, ein Dreschwagen, gleichfalls damit
verwandt. Bey dem Ulphilas bedeutet dreiban auch hauen; Hlaiba gradaban us
Steina, ein Grab aus Stein gehauen. In engerm Verstande ist treiben, in vielen
Fällen durch Schlagen, Stoßen oder Drücken ausdehnen. In den Küchen wird der
Teig getrieben oder aus einander getrieben, wenn er mit dem Treibeholz
ausgedehnet wird. Noch häufiger kommt es in diesem Verstande bey den
Metallarbeitern vor, wo treiben, von außen erhabene Figuren durch Schlagen von
innen hervor bringen. Figuren in Silber, in Kupfer treiben. Man treibet auch
Bley oder Kütte, wenn man das Metall, welches auf solche Art getrieben werden
soll, auf Bley oder Kütte legt. Getriebene Arbeit. Schon Ulphilas gebraucht in
diesem Verstande dreiban. 2. In weiterm Verstande treibet man, so oft man einen
Körper durch unwiderstehliche physische Mittel in eine merkliche Bewegung
bringt, oder seine Kraft zur Thätigkeit bestimmt. (1) Im weitesten Verstande.
Der Wind treibt das Schiff, die Mühlenflügel. Das Wasser treibt das Rad.
Arzeneyen, welche den Schweiß, den Urin, den Stein treiben. Das Gewicht treibt
die Uhr. Ein Keil treibt den andern. In den Uhrwerken treibet ein Rad das
andere. Und so in vielen andern Fällen, wo für die bewegende Kraft und ihre
genauere Bestimmung nicht eigene Wörter üblich sind, wohin z. B. ziehen,
schieben u. s. f. gehören. 2) Im engern Verstande, wo dieses Wort in
verschiedenen Fällen des bürgerlichen Lebens als ein Kunstwort üblich ist. (a)
In dem Hüttenbaue heißt treiben, das mit dem Silber vermischte Bley durch
Schmelzung der ganzen Masse in Testen vermittelst des Windes der Bälge zur
Verglasung bringen, und solcher Gestalt von dem Silber scheiden, da denn das
Silber in der Höhlung des Testes als Blicksilber zurück bleibt, das in Glätte
verwandelte Bley oder von dem Winde zu einer Öffnung getrieben, und durch
dieselbe abgezogen wird. (Siehe Treibeherd, Treibeofen u. s. f.) Da das durch
das Treiben erhaltene Silber noch nicht vollkommen rein ist, so wird es durch
das Feinbrennen von allen noch dabey befindlichen Unreinigkeiten befreyet. Als
ein Hauptwort gebraucht, ist ein Treiben so viel Erz oder vermischtes Metall,
als auf Ein Mahl getrieben wird; welches gemeiniglich 40 Zentner sind. (b) Die
Papiermacher treiben den geschöpften Zeug, wenn sie ihn in der Form schütteln,
damit die Bogen überall gleich dick zu machen. (c) In dem Gartenbaue werden die
Gewächse getrieben, wenn man durch künstliche Wärme ihren Wachsthum
beschleuniget. (d) Die Lohgärber treiben die Rindshäute wenn sie selbige in die
Farbe oder Beitze legen, bis sie anfangen aufzuschwellen und locker zu werden.
(e) Im Bergbaue gebraucht man dieses Zeitwort noch in einem andern Verstande,
als in dem Hüttenbaue; denn dort ist treiben so viel, als Berge und Erze
vermittelst des von Pferde gezogenen Göpels aus der Grube ziehen. Erz oder
Berge treiben, vollständiger, aus der Grube treiben. Nachdem
[
665-666] das Treiben in die Tiefe gehet und
schwertreibig ist, sind zwey bis vier Pferde nöthig. Und so noch in andern
Fällen mehr. 3. In noch weiterm Verstande, durch Furcht und Drohungen und
andere dringende und unwiderstehliche Bewegungsgründe zur Veränderung des Ortes
bewegen, und im weiterm Verstande, zu einer Veränderung bestimmen; da denn nur
allein lebendige Geschöpfe getrieben werden können. 1) Eigentlich, durch Furcht
oder Drohungen fort bewegen, zur Veränderung des Ortes bestimmen; so wohl von
Menschen als Thieren. Ein hoher Grad des Treibens, wo die Bewegung noch mehr
beschleuniget wird, heißt jagen. Das Vieh auf die Weide, von der Weide, in den
Stall, vor sich her treiben. Einen Hund aus der Stube, die Vögel von der Saat
treiben. Thiere an einen Ort zusammen treiben. Ochsen, Schweine, Esel treiben,
ihren Weg durch Furcht vor der Strafe bestimmen. Bey den Jägern treibt der
Geißbock die Geiß, wenn er in der Brunft ist, und sie verfolget. Eben daselbst
ist treiben auch eine Art der Jagd, wenn das Wildbret, welches man jagen will,
durch Frucht an einen Ort zusammen gebracht wird; auf welche Art denn nicht nur
das Roth- und Schwarzwild, sondern auch Federwildbret getrieben wird. (
S. Treibejagen, Treibezeug.) Ingleichen von Menschen.
Jemanden in die Flucht treiben. Den Feind aus der Stadt treiben. Jemanden aus
dem Hause, aus dem Besitze seiner Güter, von einem Amte treiben. Jemanden in
die Enge treiben, figürlich, ihn in einen Stand versetzen, wo er sich nicht
vertheidigen oder verantworten kann; eine vermuthlich aus dem Jagdwesen
entlehnte R. A. wo das Wild bey einem Hauptjagen zuletzt in die Enge zusammen
getrieben wird. Jemanden zu Paaren treiben, ihn in Ordnung bringen, ingleichen,
ihn überwältigen. 2) In weiterm und figürlichem Verstande. (a) Durch dringende
Bewegungsgründe zu einer Veränderung oder deren Beschleunigung bestimmen. Ein
hoher Grad durch Anwendung äußerer Gewalt heißt zwingen. Jemanden an die Arbeit
treiben, durch Befehl, Furcht, dringendes Erinnern. * Einen säumigen Schuldner
zur Bezahlung treiben. Jemanden treiben, durch Erinnern, Befehle, ungestümes
Bitten ihn zur Beschleunigung bewegen. Wer treibet euch? Jemanden aus einem
Pachte treiben, durch ein höheres Geboth. Die Noth treibt mich dazu. Uns alle
treibt ein natürlicher Trieb zu dem Glücke, diesem Ziele unserer Wünsche. Eine
Sache treiben oder betreiben, sie durch dringendes Anhalten zu befördern oder
zu beschleunigen suchen. (b) Figürlich. Etwas weit treiben. Mein Herr, sie
treiben die Sache weit, Gell. Den Spaß zu weit treiben. Eine Sache auf das
äußerste treiben. Das heiß ich die Zärtlichkeit, die Verläugnung u. s. f. weit
treiben. Eine Untersuchung bis zur Sündfluth hinauf treiben. (c) Nach einer
andern Figur ist eine Sache treiben, sie oft und viele ausüben, wo es so wohl
im nachtheiligen Verstande, von der mehrmahligen Ausübung unerlaubter
Fertigkeiten und Neigungen gebraucht wird. Hurerey, Unzucht, Blutschande
treiben. Possen, Kurzweile, Unfug treiben. Einen Spott mit etwas treiben.
Wucher, Gewinn treiben. Das Diebeshandwerk treiben. Muthwillen treiben. Als
auch im gleichgültigen Verstande. Scherz treiben. Scherz mit etwas treiben,
damit scherzen. So oft wir Worte ohne deutliche Begriffe fassen, treiben wir
mit unserm Gedächtnisse den unnatürlichsten Gebrauch, Gell. Besonders von
Berufsgeschäften. Eine Kunst treiben. Handlung treiben, handeln. Die Handlung
im Großen treiben. Kaufmannschaft treiben. Die Studia treiben. Ein Handwerk
treiben. Wirthschaft treiben. Was wundersam ist, sey es noch so unnöthig,
Euklio treibt es, Gell. übt es, beschäftigt [
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sich damit. Indessen gebraucht man es in dieser unschädlichen Bedeutung in der
anständigen Schreibart nicht gern mehr, wegen des anklebenden Nebenbegriffes
einer lasterhaften Fertigkeit. Selbst mit diesem Nebenbegriffe ist es im
Hochdeutschen nicht in allen Fällen mehr gewöhnlich. Die biblischen, böse
Stücke, Hoffahrt, Stolz, Übermuth, Falschheit, Morden und Schlagen, Schalkheit,
Bosheit, Geiz, Wollust, Raub, Gewalt, Überfluß u. s. f. treiben, sind veraltet.
Noch weniger würden sich folgende Ausdrücke nachahmen lassen. Sie trieb solche
Worte täglich, 1 Mos. 39, 10. Das Evangelium treiben, Ephes. 16, 15. Das Werk
des Herrn treiben, 1 Cor. 16, 10. Oft stehet es in dieser nachtheiligen
Bedeutung absolute. Sie treiben es zu arg, machen es zu arg. Sie habens ja
getrieben genug, Weiße. Sie treibens mehr denn die gegen den Aufgang und sind
Tagewähler, Es. 2, 6. Wie mans treibt, so geht es. Wo es unerlaubte
Fertigkeiten aller Art ausüben bezeichnet. Das Schwed. drifva wird in eben
dieser figürlichen Bedeutung gebraucht; aber es ist unnöthig, es in derselben
als ein eigenes verschiedenes Zeitwort anzusehen, und es mit Ihre von dem
Isländ. dryggia, ausüben, abzuleiten. Der Übergang von dem Dringen, Befördern
oder Beschleunigen der Bewegung, zur mehrmahligen Ausübung, ist sehr natürlich
und faßlich; daher die Figur nichts ungewöhnliches hat, die sich schon in dem
Lat. agere findet, welches so wohl treiben als ausüben, und in noch weiterm
Verstande thun bedeutet, und unstreitig mit unserm jagen verwandt ist. So auch
das Treiben, welches sehr häufig als ein Hauptwort gebraucht wird. Anm. Schon
im Isidor driban, bey dem Ottfried und seinen Zeitgenossen triban, bey dem
Ulphilas dreibon, im Nieders. driren, im Angelsächs. dryfan, im Engl. to drive,
im Schwed. drifva, im Griech. hier nichtlateinischer Text, siehe
Image, bey den Krainerischen Wenden dervim. Es ist mit Traben, treffen,
Trupp, und wenn man den Vorlaut abrechnet, welcher hier ein Intensivum zu
machen scheinet, auch mit reiben u. s. f. verwandt. Das Lat. trudere,
unterscheidet sich nur im Endlaute, so wie Gladius und Gleve, laudare und loben
u. s. f. Da das b in diesem Zeitworte sehr gelinde lautet, so kann es auch in
den Zusammensetzungen, besonders wenn sich das folgende Wort mit einem Mitlaute
anfängt, das e euphonicum nicht entbehren, wenn es nicht wider den Gebrauch in
ein p übergehen soll; obgleich harte Mundarten Treibtagen, Treibknospen u. s.
f. schreiben und sprechen. Alte Zusammensetzungen mit Ableitungssylben sind
auch hier, wie in andern Fällen, ausgenommen, wie Treibling.
S. auch Trieb und Trifft.
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665-666]