Strenge
, [
443-444] -r, -ste, adj. et adv. welches
im eigentlichsten Verstande scharf angezogen, angestrenget bedeutet. 1. *
Eigentlich, Schwed. streng, im Lat. strictus von stringere, eine im
Hochdeutschen veraltete Bedeutung, in welcher es doch in einigen Provinzen
üblich ist. Das Kleid liegt mir strenge an, das ist gedrange. 2. In weiterer
Bedeutung, hart, eine nur noch in dem Hüttenbaue übliche Bedeutung, wo strenge
Bergarten, strenge Erze diejenige sind, welche für sich allein gar nicht oder
doch schwer in den Fluß zu bringen sind, und welche man noch häufiger
strengflüssig zu nennen pflegt. 3. Figürlich. (1) * Fest, haltbar; eine noch im
Oberdeutschen übliche Bedeutung. Ein strenger Paß, ein fester, (
S. auch Gestreng.) (2) * Stark, und nach einer noch
weitern Figur, tapfer; eine ehedem sehr gangbare Bedeutung, in welcher es
gleichfalls veraltet ist, außer daß es noch in einigen Gegenden, besonders
Oberdeutschlandes, als ein Titel adeliger, und der ihnen an Würde gleichen
Personen ist. (
S. Gestrenge.) Nieders. streng, Angels. strang, Engl.
strong, Schwed. streng, Griech. hier nichtlateinischer Text, siehe
Image, Lat. strenuus, welche alle theils stark, theils tapfer bedeuten.
Er hat nicht Lust an Rossen Stärke, Nicht an des strengen
Mannes Beinen, Opitz Ps. 147.
(3) Die Haut zusammen ziehend, herbe, so wohl dem Geschmacke,
als dem Gefühle nach, rauh. Unreife Weintrauben schmecken strenge, in einigen
Gegenden. Im Hochdeutschen ist es besonders von der Kälte üblich, einen hohen
Grad derselben zu bezeichnen. Eine strenge Kälte, ein strenger Winter. Dasselb
Wetter was gestreng und hart, Theuerd. Kap. 72. In Bretagne ist ohne Zischlaut
trencq, herbe, rauh. In einigen Gegenden ist ein strenger Urin, welcher mit
Zwange fließt, daher die Harnstrenge, diese Krankheit, Stranguria. In noch
weiterer Figur, mit äußerster Entsagung aller Bequemlichkeit verbunden. Ein
strenger Orden, ein sehr harter. Sehr strenge fasten, eine strenge Fasten.
Strenge leben, ein strenges Leben. (4) Mit Anstrengung, d. i. möglichster
Anwendung aller Kräfte, und darin gegründet; nur zuweilen als ein Nebenwort.
Wem sein Gemüt strengelich vff zytlich Gut geneigt ist, Buch der Weisen 1501.
Stenge arbeiten. (5) Pünctlich, genau, mit der möglichsten Befolgung der
Vorschrift oder des Vorsatzes. Ein strenger Gehorsam. Ich werde sehr strenge
beobachtet. Strenge Diät halten. Die strengste weibliche Tugend.
Ach, strenge Schäferinn, wird auch dein Herz nicht mein? Gell.
(6) In engerer Bedeutung, pünctlich auf die möglichste
Erfüllung der Pflichten dringend, und ihre Übertretung mit der pünctlichsten
Beobachtung der Gesetze bestrafend; im gemeinen Leben auch scharf, im
Gegensatze des gelinde. Ein strenger Herr. Strenge regieren. Strenge Herren
regieren nicht lange. Ein strenger König, Weish. 1, 11. Ein strenges Geboth,
Kap. 6, 7. Ein strenges Urtheil. Jemanden sehr strenge strafen. Eine strenge
Gerechtigkeit handhaben, die Gerechtigkeit auf das strengste handhaben. Anm.
Schon bey dem Ottfried und Willeram streng, im Engl. strong, im Schwed. streng.
Es stammet von dem veralteten Zeitwort strengen in anstrengen her, und ist mit
strack, drangen u. a. m. nahe verwandt. Um der gelinden Aussprache des g willen
kann das e euphonicum am Ende nicht wegbleiben; streng müßte strenk gesprochen
werden, wie in Klang, Gesang. [
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