Der Stiefel
, [
369-370] des -s, plur. ut nom. sing.
oder die -n, Diminut. das Stiefelchen, ein Wort, welches, 1. überhaupt, einen
hohlen, tiefen Raum, ein Gefäß, Behältniß, bedeutet zu haben scheinet, ob es
gleich in dieser weitern Bedeutung, einige wenige Fälle ausgenommen, veraltet
ist. An den Wasserkünsten, Spruzen, Luftpumpen u. s. f. wird noch diejenige
Röhre, worin die Pumpstange mit dem Kolben auf- und niedergehet, so fern sie
von der Steigröhre verschieden ist, der Stiefel oder die Stiefelröhre genannt.
Die Figur müßte sehr seltsam seyn, wenn man bey Benennung einer solchen Röhre
keine nähere Ähnlichkeit als mit einem Stiefel in der folgenden Bedeutung
sollte haben finden können, daher dieses Wort ehedem eine jede weite Röhre
bedeutet zu haben scheinet. Das mittlere Lat. Estiva, und unser Stauf,
Stübchen, und ohne Zischlaut auch tief, gehören unstreitig zur Verwandtschaft.
Vermuthlich muß auch die in den niedrigen Sprecharten übliche R. A. seinen
guten Stiefel trinken, d. i. wacker trinken können, aus dieser Bedeutung
erkläret werden, so daß Stiefel, so wie auch das Oberd. Stauf, ehedem eine
Benennung eines weiten oder großen Trinkgeschirres gewesen; ob man gleich diese
R. A. auch auf andere vorzügliche Fertigkeiten auszudehnen pflegt. Denn so sagt
man wohl, er kann seinen guten Stiefel laufen, er predigt seinen guten Stiefel
weg, er arbeitet seinen guten Stiefel u. s. f. 2. In engerer und gewöhnlicherer
Bedeutung sind die Stiefel Bekleidung der Füße, wo Schuhe und Strümpfe nur Ein
Stück ausmachen. Filzstiefel. Besonders wenn sie von Leder sind. Ein Paar
Stiefel. Die Stiefel anziehen. Reitstiefel, Halbstiefel, steife Stiefel u. s.
f. Pelzstiefel, wenn sie mit Pelz gefüttert sind. Spanische Stiefel, ein
Werkzeug zur Tortur, welches die Waden zusammenpresset. Anm. In der letzten
Bedeutung im Niedersächs. Stevel, im Schwed. Stöfvel, im Ital. Stivale, im
Franz. ehedem Stivele, im mittlern Lateine Stivale, Estivale, Aestivale. Die
letzten Schreibarten haben viele verleitet, es von aestivum abzuleiten, als
wenn die Stiefel eine Tracht gewesen, welche man nur im Sommer angelegt habe.
Allein, sie haben nicht bedacht, daß die La- teinische und die mit derselben
verwandten Mundarten vielen mit einem Mitlaut anfangenden Wörtern gern ein
müßiges a oder e vorzusetzen pflegen, wovon tausend Beyspiele angeführet werden
könnten. Frisch leitet es von steif ab, als wenn es ursprünglich eine steife
Bekleidung, ein steifes Ding bedeutet hätte, Wachter aber vermittelst des
vorgesetzten Zischlautes von dem Lat. Tibiale. Allein es ist wohl gewiß genug,
daß es ursprünglich eine allgemeine Benennung eines tiefen weiten hohlen Raumes
gewesen, zumahl da in andern Benennungen der Stiefel eben derselbe Begriff
herrschet. Dahin das, Schwed. Bota, Franz. Botte, Span. Bota, Engl. Boote, im
mittlern Lat. Bota, ein Stiefel, welches unstreitig zu unserm Bottich, Butte
gehöret. Eben dieses gilt auch von Hose in seiner alten Bedeutung, (
S. dasselbe). Der Regel nach muß dieses Wort, so wie
andere männliche auf -el, im Plural die Stiefel haben. Allein im Hochdeutschen
sagt man gemeiniglich die Stiefeln. [
371-372]