Steuern
, [
363-364] verb. reg. act. und in einigen
Fällen auch neutr. in welchem letztern Falle es das Hülfswort haben erfordert.
Es war ehedem ein Wort von einem sehr großen Umfange der Bedeutung, und ist es
zum Theil noch, indem es ursprünglich verschiedene Arten heftiger Bewegungen
bezeichnete, in welchen Fällen es größten Theils ein Intensivum oder Iterativum
von stauen, steuen, stehen u. s. f. ist, von welchen das mittlere unter die
veralteten gehöret. Es bedeutet, 1. * Ungestüm, mit Heftigkeit verlangen; eine
nur im Niedersächsischen übliche Bedeutung, wo es stüren lautet. Auf etwas
steuern, erpicht seyn. Daher Upstür, eine plötzlich entstehende heftige
Begierde, verstüred, auf etwas erpicht, balstürig, frevelhaft, unstür, heftig
u. f. lauter nur in Niedersachsen gangbare Wörter. Es scheinet hier eine
Onomatopöie der brausenden heftigen Begierde, und mit Sturm, stören u. s. f.
verwandt zu seyn. 2. Wehren, abwehren, Einhalt thun, mit der dritten Endung der
Person oder Sache. Dem Verderben steuern, Es. 10, 22. Du lässest dir nicht
steuern, Jer. 3, 5. Daß Gott den Sündern steuret, daß sie nicht fortfahren, 2
Maccab. 6, 23. Warum steuern sie diesen schreyenden Grobheiten nicht? Gell. Im
Nieders. gebraucht man es mit der vierten Endung; Gott steuert die Bäume, daß
sie nicht in den Himmel wachsen. Welches auch wohl von einigen im Hochdeutschen
nachgeahmet wird. Im Nieders. stüren, Angels. stiernan, Schwed. styra. Die
beyden letzten bedeuten auch züchtigen, daher ist im Angels. Stiernesse, die
Zucht, und Storre, die Züchtigung. Ohne Zischlaut ist in einigen
Niedersächsischen Gegenden törren, dem Laufe Einhalt thun, im Holländ. deren,
überwinden, und bedaren, zähmen. 3. Regieren, und zwar, (1) in mehr
eigentlichem Verstande, die Richtung einer Bewegung bestimmen; wo es noch von
den Schiffen und Fahrzeugen üblich ist, ihren Lauf bestimmen. Kähne und
ähnliche kleine Fahrzeuge werden mit einer Stange, größere aber mit dem
Steuerruder gesteuert. Der Steuermann steuert das Schiff. Wo es auch absolute
und als ein Neutrum gebraucht wird. Nach London, nach Cadix, gegen Osten, gegen
Westen steuern, den Lauf des Schiffes dahin richten, dahin segeln. Auch von den
Schiffen sagt man, das Schiff steuert gut, schlecht, wenn es sich gut oder
schlecht steuern lässet. Bey Windstillen steuern die Schiffe schlechter, als
sonst. (2) Figürlich, das freye Verhalten vernünftiger Geschöpfe bestimmen,
regieren; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, welche aber ehedem sehr
gangbar war, und überaus alt ist. Bey dem Ulphilas stiuran, im Angels. steoran,
steyran, im Engl. steer, Holländ. stieren. Nieders. stüren, im Slavon. staram,
ich steuere, im Schwed. styra, im Isländ. stiorna; welche alle so wohl von den
Schiffen, als auch überhaupt für regieren gebraucht werden. Auf ähnliche Art
bedeutete auch schalten, ehedem so wohl ein Schiff regieren, als regieren
überhaupt. Im Nieders. ist bestüren, einrichten, das Veränderliche an einem
Dinge bestimmen. 4. * Schicken, senden; eine nur im Niedersächsischen übliche
Bedeutung. Ich habe darnach gesteuert, geschickt. Einen Bothen absteuern,
Waaren, Güter absteuern, abschicken absenden. 5. Stützen; eine nur noch in den
gemeinen Sprecharten einiger Gegenden übliche Bedeutung, wo auch eine Stütze
die Steuer heißt. Ein Haus steuern. Ingleichen als ein Reciprocum. Sich auf
seinen Stab steuern. Sich auf jemanden steuern, stützen, verlassen. Sich mit
dem Arm aufsteuern, sich an etwas ansteuern. Steuern ist hier unstreitig ein
Intensivum von stauen, stehen machen, wohin mit andern Endlauten auch stauchen,
stämmen, stützen u. s. f. gehören. 6. Helfen, unterstützen, Beystand leisten;
eine im weitesten Verstande veraltete Bedeutung. Man gebraucht es nur noch im
engern, einen Beytrag an Geld oder andern Bedürfnissen geben oder entrichten.
Den Armen steuern, ein Almosen geben, im Oberdeutschen, wo man auch wohl die
Bettler sagen höret, steuern sie uns etwas. Einem etwas zu einem Baue steuern,
ihm einen Beytrag zu den dazu nöthigen Erfordernissen thun. Zusammen steuern,
einen Beytrag zum Behufe eines dritten zusammen schießen. (
S. auch Aussteuern.) 7. Am häufigsten gebraucht man
dieses Zeitwort im Hochdeutschen von der Entrichtung der Steuern an die
Obrigkeit, (
S. die Steuer 3 (2.) Der Herrschaft, der Obrigkeit
steuern, ihr Steuer entrichten. Dieses Gut steuert nach Felfenburg, entrichtet
seine Steuer dahin. Ein Gut versteuern, die Steuer davon entrichten. Hingegen
hat es in besteuern und übersteuern, eine mehr thätige Bedeutung, mit Steuern
belegen. Daß diese Bedeutung eine Figur von der Bedeutung des Stützens ist,
erhellet unter andern auch aus dem Schwedischen, wo Stod, welches unstreitig
von stützen abstammet, auch Hülfe, und besonders Geldhülfe, Beytrag bedeutet.
Vielleicht gehören ohne Zischlaut auch das Griech. hier nichtlateinischer
Text, siehe Image, eine Gabe, und das Latein. Dos, dotis, hierher. So
auch das Steuern. Anm. Aus diesen und mehrern entweder längst veralteten, oder
noch in andern Sprachen üblichen Bedeutungen erhellet, daß dieses Wort
anfänglich eine Onomatopöie verschiedener ähnlicher Arten heftiger Bewegungen
gewesen, worauf es eine Benennung solcher Handlungen geworden, welche mit
diesem oder einem ähnlichen Laute verbunden sind; woraus zugleich die
Verwandtschaft mit Sturm, stören, zerstören, Stern, Stirn, Sterz, sterzen,
stürzen und andern mehr erhellet. Die Schreibart steuren ist in diesem so wie
in andern ähnlichen Fällen nur harten Mundarten eigen; die Hochdeutsche
gelindere behält das erste e, verbeißt aber das letzte, steuern, für steueren,
wie es eigentlich heißen müßte.
S. -Ern. [
363-364]