Sterben
, [
353-354] ein Zeitwort, welches in einer
doppelten Gestalt üblich ist. I. * Als ein Activum, mit regulären Conjugation:
ich sterbe, du sterbst, er sterbt; Imperf. ich sterbte; Mittelw. gesterbt;
sterben machen, d. i. tödten, umbringen, und figürlich vernichten. In dieser
ganzen thätigen Form ist es im Hochdeutschen unbekannt, im Oberdeutschen aber,
wenigstens in einigen Provinzen, sehr gangbar.
Kann Frösche, Fliegen, Schwalben, Würmer, Schnecken, Die
Kaltes sterbte, Warmes wieder wecken, Logau. Sein Weg hat alles Fleisch in der
ersten Welt verderbt,
Drum hat durch den Sündenfluß Gott gar recht das Fleisch
gesterbt, eben ders. Getheiltes Bett ist Haß, der nimmer wird gesterbt, Opitz.
So bleibt doch ein guter Ruhm, Den der Tod uns nicht kann sterben, eben ders.
Bey dem Notker irstarben, im Engl. to starve. Auf ähnliche
Art war auch unser heutiges tödten ehedem als ein Neutrum für sterben üblich,
bey dem Ulphilas gedauthnan, bey dem Ottfried douen, im Angels. dydan, im
Schwed. dö, im Engl. to die, welche alle sterben bedeuten. II. Als ein Neutrum
mit irregulärer Conjugation; ich sterbe, du stirbst, er stirbt; Imperf. ich
starb, vulg. sturb; Conj. stürbe; Mittelw. gestorben; Imperat. stirb. Es
erfordert das Hülfswort seyn, und bedeutet, aufhören zu seyn. 1. Eigentlich,
von organischen Körpern, aufhören zu leben, wo es als ein allgemeiner Ausdruck
von allen Arten des Todes gebraucht wird; besonders von Menschen. Alle Menschen
müssen sterben. Unser Freund ist schon gestorben; eben jetzt stirbt er. Auf dem
Bette, auf dem Schlachtfelde sterben. Er ist sehr jung, in der Jugend, sehr
alt, im hohen Alter gestorben. Die Krankheit, welche den Tod verursacht,
bekommt das Vorwort an. An einer Krankheit, an dem Fieber, an der Pest, an den
Blattern, an seinen Wunden sterben. Andere Ursachen des Todes erfordern das
Vorwort vor. Vor Alter, vor Gram, vor Sorgen, vor Hunger, vor Durst sterben.
Nur das Hauptwort Hunger kann mit Auslassung des Vorwortes auch im Genitivo
stehen. Hungers sterben, d. i. vor Hunger; schon im Schwabensp. Hungarz
sterben. Welche Endung auch das Wort Tod bekommt, wenn es die Todesart, die Art
und Weise, wie man stirbt, bedeutet. Eines natürlichen, gewaltsamen,
schmäligen, schrecklichen Todes sterben. Sie sind einerley Todes gestorben.
Meine Seele sterbe des Todes dieses Gerechten. Wofür man in der höhern
Schreibart auch wohl die vierte Endung gebraucht.
Bis er mit wenig Edlen den Lohn der Helden fand, Den besten
Tod zu sterben, den Tod fürs Vaterland, Dusch.
Aber des Todes sterben, für sterben überhaupt, oder gewiß,
schlechterdings sterben, wie mehrmahls in der Deutschen Bibel gefunden wird,
ist ein Hebraismus, der wider die Analogie der Deutschen Sprache ist. Über
etwas sterben, in der Beschäftigung damit. Auf etwas sterben, die Wahrheit
einer Sache bis an seinen Tod behaupten und durch seinen Tod bestätigen. 2.
Figürlich, aufhören zu seyn, besonders in der höhern Schreibart. Sein Ruhm wird
nicht sterben. Welchem Baume entsinkt dann das sterbende Laub auf mein ruhiges
Grab? Geßn. Wie schmückt sich das sterbende Jahr? eben ders. Mit ihm starben
meine Freuden.
Die Jugend flieht und ihre Freuden sterben, Gieseke.
So auch das Sterben, welches doch nur überhaupt von dem
Aufhören zu leben gebraucht wird. An das Sterben denken. Wenn es zum Sterben
kommt. Von dem Tode einzelner Personen ist Absterben üblich. Nach meinem
Absterben, nicht Sterben. Im gemeinen Leben wird das Sterben auch häufig von
einer ansteckenden Krankheit gebraucht, an welcher viele sterben. Es kam ein
Sterben unter das Volk, unter das Vieh. Das Viehsterben. Im Oberdeutschen die
Sterbe, der Sterbend, Sterbat. Anm. Im Tatian sterban, im Nieders. starven. Es
scheinet, so fern das Neutrum der Form nach am ältesten ist, zu darben, dorren
zu gehören, und ein allmähliges Abnehmen und Verschwin-
[
355-356] den zu bezeichnen. Ist das Activum aber älter,
so kann es mit derben in verderben verwandt seyn, welches im Schwed. nur derfva
lautet. Im Arab. ist taraba, er hat abgeschnitten, von welchem Worte von
einigen der Nahme der Parce Atropos hergeleitet wird. Im Oberdeutschen sagt man
für ich sterbe, ich stirb. Die Jäger gebrauchen von Thieren das Zeitwort
verenden anstatt sterben. [
355-356]