Stecken
, [
319-320] verb. reg. welches in
doppelter Gestalt üblich ist. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, (im
Oberdeutschen mit seyn) in eine längliche enge Öffnung hinein gethan seyn,
zunächst mit der Spitze, oder von spitzigen Dingen, hernach aber auch von allen
länglichen und vielen andern Körpern. 1. Eigentlich von spitzigen Dingen als
das Neutrum von stechen. Der Nagel steckt in der Wand, er steckt fest. Der
Braten steckt am Spieße. Er schreyet als wenn er am Spieße steckte. Deine
Pfeile stecken in mir, Hiob 6, 4. 2. In weiterer Bedeutung, an einem Orte
befindlich seyn, gemeiniglich mit dem Nebenbegriffe der Festigkeit,
Unbeweglichkeit, oder des Unvermögens, diesen Ort verlassen zu können. Im
Schlamme stecken. Im Kothe stecken bleiben. Zwischen Thür und Angel stecken,
sich zwischen zwey Gefahren oder Verlegenheiten befinden, von welcher man Eine
erwählen muß. Es steckt mir in allen Gliedern. Es steckt ihm auf der Brust. Dem
Tode im Rachen stecken. In Noth, in Gefahr, in Schulden, im Elende stecken.
Jemanden in der Noth, in dem Elende, stecken lassen, ihm seine Hülfe versagen.
Du steckest in deinem Unglück, 2 Sam. 16, 8. Thorheit steckt dem Knaben im
Herzen, Sprichw. 22, 15. Ich weiß nicht, was ihm im Kopfe steckt. Stecke dich
nicht in mancherley Händel, Sir. 11, 10; menge dich nicht derein. Alles war
Ohr, den Schwätzerinnen blieb das Wort im offenen Munde stecken, Hermes. Immer
in den Wirthshäusern stecken, sich daselbst aufhalten. Oft aber auch mit dem
Nebenbegriffe der Verborgenheit. Da steckt etwas Böses dahinter. Ich weiß
nicht, was dahinter steckt. Wo hast du den ganzen Tag gesteckt? Es weiß
niemand, wo er steckt, sich befindet. Den ganzen Tag beysammen stecken,
heimlich beysammen seyn. 3. Figürlich. (1) Stecken bleiben, nicht von der
Stelle können. In einer Rede, in einer Predigt stecken bleiben, nicht weiter
können. Mit einer Sache stecken bleiben, dieselbe nicht fortsetzen, nicht
fortführen können. (2) Die Sache steckt, wird gehindert, in ihrem Fortgange
aufgehalten, wofür man im Hochdeutschen lieber stocken sagt. Doch gebraucht man
daselbst häufig den Infinitiv als ein Hauptwort, ins Stecken gerathen, in eben
diesem Verstande. Die Sache ist ins Stecken gerathen. Anm. Schon bey dem Notker
stecchen, bey andern gleichzeitigen Oberdeutschen Schriftstellern stechen,
stechen, und noch jetzt wird in manchen gemeinen Mundarten dieses Neutrum
stecken mit stechen häufig verwechselt, besonders von den Niedersachsen, bey
welchen ihr steken, so wohl stechen als stecken bedeutet. Vermuthlich rühret es
gleichfalls von dieser Verwechselung her, daß dieses stecken in manchen
Gegenden irregulär abgewandelt wird, besonders im Imperfecto, ich stak, für ich
steckte.
Ein armer Schiffer stak in Schulden, Gell.
Da es, wenn es wirklich ein irreguläres Zeitwort wäre, auch
im Mittelworte gestecken haben müßte, dieses aber nicht üblich ist, so scheinet
auch das irreguläre stak ein bloßer aus der Niedersächs. Mundart herrührender
Mißverstand zu seyn. II. Als ein Activum, ein Ding in das andere thun, stecken
machen. 1. Eigentlich, wo es zunächst von spitzigen oder langen Körpern
gebraucht wird, wenn sie in eine enge Öffnung gethan werden. Den Braten an den
Spieß, die Nadel in das Hemd, den Nagel in die Wand, den Degen in die Scheide,
den Schlüssel in das Schlüsselloch, ein Licht auf den Leuchter stecken.
Ingleichen auf solche Art befestigen. Einen Zettel an den Vorhang stecken. Oft
stehet absolute mit Verschweigung des Ortes. Weinpfähle stecken, in die Erde.
Bohnen Erbsen, Melonenkerne, Pflanzen u. s. f. stecken, sie in ein mit einem
spitzigen Werkzeuge gestochenes Loch thun. Jemanden ein Ziel stecken, Ziel und
Maß stecken. Auch durch mehreres Stecken hervor bringen oder zubereiten. Hauben
stecken. 2. In weiterer Bedeutung, auch von andern Körpern, wenn sie in eine
enge Öffnung gethan werden. Das Geld in den Beutel, in die Tasche stecken. Die
Hand in den Busen, in die Tasche stecken. Den Bissen in den Mund stecken. Den
Ring an den Finger stecken. Einem etwas in die Hand stecken, heimlich in die
Hand geben, wo zugleich der Begriff der Verborgenheit hervor sticht. Jemanden
unter die Bank, oder in den Sack stecken, ihm überlegen seyn. Sich hinter
jemanden stecken, ihn zum geheimen Werkzeuge in Erreichung seiner Absichten
gebrauchen. Die Köpfe zusammen stecken, heimlich mit einander reden. Ingleichen
in noch weiterm Verstande. Sich in Schulden stecken, Schulden machen, von
welchen man sich nicht leicht wieder befreyen kann. Sich in Gefahr, in fremde
Händel stecken, im gemeinen Leben. Stecke dich nicht in mancherley Händel, Sir.
11, 10. 3. Figürlich. (1) In einen sichern Ort in Verwahrung bringen. Eine
Jungfer in das Kloster, einen Verbrecher in das Gefängniß stecken. Von der
Einsperrung in ein Gefängniß sind im gemeinen Leben auch einstecken und
beystecken üblich. In einigen Oberdeutschen Gegenden ist stecken noch absolute,
für in Verhaft nehmen üblich; wo es aber auch eine fehlerhafte Schreib- und
Sprechart für stöcken seyn kann, (
S. dasselbe.) (2) Sich stecken, von dem Wasser, ist im
gemeinen Leben so viel als sich stauchen, durch ein vorliegendes Hinderniß im
Abflusse gehemmet [
321-322] werden. Bey den Jägern
steckt sich das Wild, wenn es im Treiben zu enge zusammen kommt, so daß es
nicht weiter kann, und gleichsam stockt. (3) In einem andern Verstande ist eben
daselbst sich stecken, so viel als sich verbergen, wofür sonst verstecken
üblich ist. Das Wild steckt sich, wenn es sich in die Dickungen verbirgt. (4)
Geld in etwas stecken, es auf etwas wenden. Diesen Profit stecke ich in meinen
Garten, Gell. Verwundern sie sich nicht, daß ich so viel Geld darein stecke?
eben ders. (5) Jemanden etwas stecken, ihm insgeheim Nachricht davon geben. Er
hat mir kein Wörtchen davon gesteckt. (6) In den Brand stecken, anzünden, von
großen in Brand gesetzten Massen. Ein Haus, eine Stadt in Brand stecken.
S. auch anstecken. So auch das Stecken. Anm. Bey den
alten Oberdeutschen Schriftstellern stecchen. Das Nieders. steken, Angels.
stican, Engl. stick, und Schwed. sticka, bedeuten nicht allein stecken, sondern
auch stechen. Beyde Wörter scheinen ursprünglich nur in der Mundart verschieden
zu seyn, obgleich auch das letztere ein Intensivum des erstern seyn könnte;
indessen sind ihre Gränzen im Hochdeutschen dem zu Tage genau abgezeichnet.
Stechen bedeutet bloß eine Öffnung, die Verwundung machen, stecken das
Befestigen oder Verbergen in dieselbe. Im Oberdeutschen ist erstecken auch für
das Activum ersticken üblich:
Schlechte Kunst ist Krieg erwecken, Schwere Last ist Krieg
erstrecken, Große Kunst ist Krieg erstecken, Logau.
welches aber im Hochdeutschen unbekannt.
S. Steckfluß. Einige Sprachlehrer, z. B. Frisch und nach
ihm Aichinger behaupten einen Unterschied in der Aussprache zwischen dem Neutro
und Activo stecken, und wollen, daß das erste e in dem Neutro wie ein ä, in dem
Activo aber wie ein scharfes e lauten soll. In der Aussprache der Hochdeutschen
findet sich von dieser Aussprache keine Spur, welche allenfalls ein
Provinzial-Gebrauch seyn könnte, wenn er nicht gar eine Grille ist.
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