Die Stange
, [
291-292] plur. die -n, Diminut.
Stänglein, im gemeinen Leben der Hochdeutschen Stängelchen. 1. Im
eigentlichsten Verstande, ein jeder in die Länge ausgedehnter Körper ohne
beträchtliche Breite und Dicke, in welchem weitesten Verstande es doch nur in
einigen einzelnen Fällen üblich ist, wo dergleichen Körper mit keinem andern
eigenen Nahmen versehen sind, der ihre Bestimmung näher ausdruckt. So werden
die beyden langen Theile eines Hirschgeweihes, welche unten die Rose, oben die
Krone, und dazwischen die Enden tragen, die Stangen genannt. Ein Hirsch hat
gemeiniglich zwey, selten drey oder vier solcher Stangen. An einem
Pferdegebisse sind die Stangen zwey auf besondere Art gekrümmte Stücke Eisen,
welche mit dem einen Ende an dem Hauptgestelle, mit dem andern aber an dem
Zügel befestiget sind, und das Mundstück, das Kettchen und die Kinnkette
zwischen sich haben. (
S. Stangenzaum.) Bey den Handwerkern und Künstlern
führen viele entweder gerade oder gekrümmte Körper, auch wenn sie noch so klein
sind, den Nahmen der Stangen oder Stänglein. Von der Art ist die Stange in
einem Büchsenschlosse, welche mit einer Schraube auf dem Schloßbleche
befestiget ist, einen stark hervorragenden Zapfen hat, und die Mittel- und
Hinterrast träget. (
S. Stangenfeder.) An den Scheren heißt der lange gerade
Theil zwischen dem Ringe und dem Schilde die Stange, und so in vielen andern
Fällen mehr. 2. Im engsten und gewöhnlichsten Verstande, ist die Stange ein
solcher Körper von beträchtlicher aber doch unbestimmter Länge, ein langer
glatter Körper ohne beträchtliche Breite und Dicke, der größer und stärker ist,
als ein Stock oder Stecken, aber doch kleiner und schwächer als ein Baum. Die
Stange an einem Spieße, welche doch lieber der Schaft genannt wird. Die
Hopfenstange, Bohnenstange, Segelstange u. s. f. Eine Stange etwas daran zu
tragen. Eisen in Stangen, Stangeneisen. Gold, Silber in Stangen. Jemanden die
Stange halten, figürlich, ihm beystehen, Hülfe leisten, ihn vertheidigen; eine
noch von den alten Kampf- und Ritterspiele übrig gebliebene Redensart, da der
Grießwärtel (Kreiswärter) die Grießstange unterschießen mußte, wenn die Kämpfer
zu hitzig wurden, oder auch über den, der zu Boden gefallen war, die Stange
hielt, um ihn dadurch vor aller weitern Beleidigung zu schützen. Bey der Stange
halten oder bleiben, standhaft ausharren, nicht fliehen, jemanden nicht
verlassen; eine vermuthlich auch daher entlehnte Redensart. Ehedem sagte man
auch, der Stange begehren, d. i. Hülfe begehren. Im Forstwesen werden junge
gerade aufgeschossene Bäume Stangen genannt. Auch schwache Bäume, welche vier
Zoll im Durchmesser dick und 15 bis 20 Ellen lang sind, führen im Holzhandel
den Nahmen der Stangen. Zuweilen werden auch sehr starke und lange Körper,
welche sonst gewöhnlicher Bäume heißen, Stangen genannt; von welcher Art z. B.
die Vogelstange ist, dagegen oft auch eigentlich Stangen den Nahmen der Bäume
führen, z. B. der Hebebaum. Auf den Schiffen ist die Stänge oder Stenge der
obere verlängerte Theil des Mastbaumes. Figürlich heißt bey den Jägern der
Schwanz des Fuchses und des Wolfes so wohl die Stange als die Standarte. Anm.
Schon bey dem Ottfried und Willeram Stanga, im Nieders. Stange, im Angels.
Stynga, im Ital. Stanga, im Schwed. Stang, im Wallisischen Ystang. Die
beträchtliche Ausdehnung in die Länge ist vermuthlich der Stammbegriff, so daß
dieses Wort ein naher Verwandter von dem Niederdeutschen Staken ist, welches
sich nur durch den Mangel des Nasenlautes unterscheidet. (
S. Stock, Stecken, Staken.) Im Niedersächsischen hat man
noch die Wörter Schecht, Prange, Rick, Wiem u. s. f. welche alle eine Stange,
obgleich gemeiniglich in besondern Fällen bezeichnen.