Spähen
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153-154] verb. reg. neutr. et act.
welches im ersten Falle das Hülfswort haben erfordert. Es ist eines der
ältesten Wörter nicht nur der Deutschen, sondern auch aller nur einiger Maßen
verwandten Sprachen. In dem gemeinen Sprachgebrauche der Hochdeutschen ist es
veraltet, bis es in dem neuen Zeiten wieder von einigen in der dichterischen
Schreibart gebraucht worden. Es bedeutet, 1. Sehen, so wohl schlechthin, als
genau und scharf sehen; bey dem Notker spehen und irspehen.
Das solm (soll man) an miner frowen spehen, Jacob von Warte.
Man spähet dort mehr Dinge seltner Art, Haged.
Bey den ältern Oberdeutschen war daher das spähende Leben,
vita contemplativa, in der Theologie, und Spechunde, eigentlich Spähkunde, die
beschauliche Theologie. Das Lat. specio und spicio sind auf das genaueste damit
verwandt. Im Os- nabrückischen ist das Bey- und Nebenwort spee, frey, hell, wo
man von jedermann gesehen werden kann, und im Holländischen werden die
Seitenlöcher in den Schiffen Spiegaten genannt. (
S. auch Spiegel.) 2. Mit den Augen zu entdecken suchen,
und in weiterer Bedeutung, kundschaften sowohl im guten und unschuldigen als
nachtheiligen Verstande; eine sehr weit ausgebreitete Bedeutung.
Von Stund an schickt der Held aus zu spehen, An welchem Ort
die feind wären, Theuerd. Kap. 90. Gefällig sucht in meinem Blick Er jeden
Wunsch zu spähen, Weiße.
Im Oberd. spegen, spechen, speigen, spee, und intensive
spieken, im Nieders. und Holländ. speen, spien, im Dän. bespeide, im Engl. to
spy, espy, im Ital. spiare, im mittlern. Lat. expiare, im Schwed. speja, im
Span. espiar, im Wallis. yspio, im Pohln. spiegowae, im Lat. speculari und
selbst im Hebr. hier nichtlateinischer Text, siehe Image. Daher
das alte Spech, Specher, Speher, ein Spion, Engl. Spy, Pohln. Spieg, im
mittlern Lat. Espia, wofür wir das Französ. Spion entlehnet haben. (
S. dasselbe.) 3. Wirklich entdecken, bey dem Ottfried
spichan, und noch jetzt im Oberdeutschen spähen. 4. Nachstellen, in welchem
Verstande man noch jetzt im Oberdeutschen häufig sagt, auf jemanden spähen, so
wohl von Gerichten, wenn sie einem verborgenen Verbrecher nachstellen, als auch
von unerlaubten und hinterlistigen Nachstellungen. So auch das Spähen. Anm. Aus
diesen mehr eigentlichen Bedeutungen floß ehedem eine Menge figürlicher, welche
aber jetzt veraltet sind, wenigstens im Hochdeutschen nicht vorkommen. Die
Vornehmsten sind, 1. Glänzen, scheinen, so wie sehen im ähnlichen Verstande
gebraucht wird. Daher das alte Oberdeutsche spehe, schön, das Alban. spiun, und
Wallach. spiunu, neu, eigentlich glänzend, die Lat. speciosus, Species, u. s.
f. 2. In die Zukunft sehen. (1) Künftige Dinge vorher sehen und bestimmen.
Daher das Schwedische spa, weißagen, im Dän. spaa, im Schottländ. spay. (2) Mit
Sehnsucht in die Zukunft sehen, hoffen, welches mit dem Griech. hier
nichtlateinischer Text, siehe Image, eigentlich auch sehen bedeutet.
Daher das Lat. Spes, und mit einem andern Endlaute sperare. 3. Scharfsichtig,
weise, verschlagen seyn, eine ehedem sehr gangbare Bedeutung. Schon bey dem
Kero ist spahe, weise, im Isidor u. s. f. Spahii, Spahida, Spehi, die Weisheit.
Das Schwedische spak, bedeutet gleichfalls weise. Für listig, verschlagen,
spitzfündig kommt es bey dem Winsbeck und andern Schwäbischen Dichtern vor.
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155-156]