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Adelung - Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

Der Schrey | | Der Schreyer

Schreyen

, [1655-1656] verb. irreg. Imperf. ich schrie, (einsylbig;) Conj. ich schrie, (zweysylbig;) Mittelw. geschrien, (dreysylbig;) Imperat. schreye. Es wird so wohl als ein Neutrum, als auch als ein Activum gebraucht, da es denn im ersten Falle das Hülfswort haben bekommt. Es bedeutet, sich mit heftiger Stimme hören lassen. 1. Eigentlich, wo es auch von einigen Thieren gebraucht wird, wenn sie ihre Stimme mit heftiger Anstrengung hören lassen. Die Jäger gebrauchen es in diesem Verstande von dem Hirsche, dem Hasen, dem Feldhuhne, der Eule und dem Kautze; indessen sind doch von den meisten Thieren eigene Zeitwörter gangbar, welche die Art ihres Geschreyes näher nachahmen. Wie der Hirsch schreyet nach frischem Wasser, Ps. 42, 2. Das Wild schreyet nicht, wenn es Gras hat, Hiob 6, 5. Besonders von der heftigen Anstrengung der menschlichen Stimme, sie bestehe nun in vernehm- lichen Lauten oder nicht. Aus vollem Halse, aus aller Mache schreyen. Hinter Jemanden her schreyen. Jemanden schreyen hören. Wie man in das Holz schreyet, so schallet es wieder heraus. Sie schrien: weg mit Jesu! Joh. 19. Einem etwas in die Ohren schreyen. Ein Vivat schreyen. Vornehmlich, wenn dieses Schreyen eine Wirkung heftiger Schmerzen oder der Ausbruch des höchsten Grades der Traurigkeit u. s. f. ist. Vor Schmerzen schreyen. Um Gnade, um Hülfe, um Brot, um Rache schreyen. Über etwas schreyen, sich mit lautem Geschreye darüber beklagen. Zu Gott schreyen. 2. Figürlich. 1) Mit unangenehmer lauter Stimme reden. 2) Mit lauter Stimme weinen. Das Kind schreyet. Heulen und schreyen. 3) Mit lauter Stimme zanken, schmälen; eine nur im gemeinen Leben einiger Oberdeutschen Gegenden übliche Bedeutung. 4) Eine öffentliche Ahndung erfordern. Schreyende, himmelschreyende Sünden, welche wegen ihrer Unläugbarkeit und großen Strafbarkeit eine öffentliche Ahndung erfordern. Eine schreyende Ungerechtigkeit. Schreyende Grobheiten. So auch das Schreyen. Anm. Bey dem Ottfried skreian, scrivan, bey dem Notker scriian, im Nieders. schrauen und schrijen, im Holl. schreeuwen, im Engl. to screech, to screek und to shrike, im Schwed. skria; wohin ohne Zischlaut auch unser krähen, das Nieders. kreien, schreyen, kreischen, Notkers chraden, das Ital. gridare, das Franz. crier, das mittl. Lat. chriare, die Griech. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - und - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , und selbst das Hebr. - hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , rufen, und ohne Gaumenlaut Ottfried riunuon, wehklagen, und unser noch nicht ganz veraltetes reihen, ( S. 1 reihen,) gehören. Es ist mit allen seinen Verwandten eine unmittelbare Nachahmung des Lautes. Das y ist zum Merkmahle des Gaumenlautes beybehalten, der in manchen Sprachen und Mundarten noch deutlich hervorsticht. Der Niedersachse sagt schrijen, und der große Haufe in Meißen im Mittelworte geschriegen. schrecken ist in manchen Bedeutungen das Intensivum davon, ( S. dasselbe.) In einigen Gegenden gehet dieses Zeitwort regulär, ich schreyete, geschreyet; welche Form aber im Hochdeutschen unbekannt ist. [1655-1656]
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