Schön
, [
1621-1622] -er, -ste, adj. et adv. 1. *
Im eigentlichen Verstande, glänzend, hell, und in weiterer Bedeutung rein,
sauber. Diese Bedeutung ist zwar gegenwärtig im Hochdeutschen veraltet, allein,
es sind doch noch Spuren genug vorhanden, daß sie ehedem gangbar gewesen. In
der Monseeischen Glosse ist Sconi der Glanz, und in dem Schwabenspiegel bey
schonem tage bey hellem Tage. Schone als ein Spigelglas heißt es in dem alten
Fragmente auf Carls des Großen Feldzug bey dem Schilter, von einem Schwerte. Im
Niedersächsischen und Holländischen ist schön noch jetzt sauber, rein, hell;
ein schönes Hemd anlegen, ein reines; schön machen, putzen, reinigen. Lauterer
Wein, d. i. abgezogener Wein ohne Hefen heißt in Holland klinkschön. Der schöne
Glanz Gottes, Ps. 52, 2, ist doch wohl auch nichts anders als der helle Glanz,
und wenn wir noch jetzt schönem Wetter, und von einem schönen Tage reden, so
verstehen wir darunter gleichfalls zunächst ein helles, heiteres Wetter. (
S. auch Schönbaum, Schönblind, Schöndruck, Schönfärber,
wo diese Bedeutung noch zum Grunde liegt.) In einigen alten Deutschen Bibeln
des 15ten Jahrhundertes lieset man Richt. 5, 10, für schöne Eselinnen,
scheinende Eßelinen, woraus erhellet, daß man scheinend und schön ehedem als
gleichbedeutend gebraucht habe. Ohne Zischlaut ist im Wallisischen cain weiß,
wohin auch das Latein. canus gehöret. 2. In weiterer und gewöhnlicherer
Bedeutung nennet man alles dasjenige schön, was mit Verwunderung und
Wohlgefallen empfunden wird, wo es denn wiederum in verschiedenen Fällen
gebraucht wird. 1) Was durch seine äußere Gestalt Verwunderung und Vergnügen
erwecket, wozu oft helle Farben, Glanz und Reinlichkeit im Äußern hinlänglich
sind, oft aber auch nach Übereinstimmung aller Theile zu einem vollkommenen
Ganzen erfordert wird; im Gegensatze des häßlich. Schöne Kleider, schönes
Hausgeräth, ein schöner Edelstein, ein schönes Gemählde, ein schönes Haus, ein
schöner Garten, ein schöner Baum, schöne Haare, schöne Farben. Ein schönes
Pferd. Eine schöne Hand schreiben. Ein schönes Colorit. Eine schöne Gegend.
Eine schöne Stadt. Schön lassen, schön aussehen, schön stehen.
Auch selbst der Zorn läßt ihr noch schön, Gell. Wenn gleich
ihr Auge zürnt, so zürnt es dennoch schön, ebend.
Schön, schön ist die ganze Gegend in des Herbstes
feyerlichstem Schmucke, Geßn. O wie schön bist du Natur, in deiner kleinsten
Verzierung wie schön! ebend. Wunderschön, im gemeinen Leben, im hohen Grade
schön. Besonders von der Gesichtsbildung, Gestalt des Leibes und dessen
Theilen. Ein schönes Gesicht. Eine schöne Gestalt. Eine schöne Person. Ein
schöner Körper. Bildschön, so schön wie ein gemahltes Bild. Schön von Gesicht,
von Gestalt. Schöne Augen, schöne Zähne, schöne Hände haben. Das schöne
Geschlecht, das weibliche, weil die Schönheit demselben vorzüglich eigen ist.
Wo die schöne Welt beym Spieltische sich sammelt, Geßn, von mehrern Personen
des andern Geschlechtes. Die Schöne, eine schmeichelhafte Benennung einer
Person weiblichen Geschlechtes. Aus obigem erhellet, daß man in dem
gewöhnlichen Sprachgebrauche in dieser Bedeutung alles schön nennet, was mit
Bewunderung und Wohlgefallen durch das Gesicht empfunden wird. Weil nun die
Empfindung der Richter der Schönheit ist, so rühret daher auch die große
Verschiedenheit in dem Urtheile über dasjenige, was schön ist. In Afrika ist
eine stumpfe Nase schön, in Europa nicht; rothes Haar war bey vielen alten
Völkern eine Schönheit, bey uns hasset man es. Schön ist, was da gilt, wo wir
wohnen, Lichtw. In den Wissenschaften, wo man einen festen Begriff dessen, was
schön ist, fest zu setzen gesucht, und es bald durch sinnliche Vollkommenheit,
(ein eben so schwankender Ausdruck als Schönheit,) bald durch genaue
Übereinstimmung aller regelmäßigen Theile erkläret hat, hat man daher das Wort
zu sehr eingeschränkt, indem die Übereinstimmung aller regelmäßigen Theile nur
eine Art der Schönheit ausmacht. 2). In weiterer Bedeutung ist schön, was auch
durch die übrigen Sinne, wenigstens durch einige derselben, mit einem hohen
Grade des Wohlgefallens empfunden wird. Vornehmlich in Ansehung des Gehöres.
Eine schöne Musik. Eine schöne Melodie. Eine schöne Stimme. Eine schöne Arie.
Schön singen, spielen. Der Vogel schlägt gar schön. Zuweilen auch von dem
Geschmacke und Geruche. Das schmeckt, das riecht schön. Von dem Gefühle wird es
wohl nur in so fern gebraucht, als es in weiterer Bedeutung von der ganzen
sinnlichen Empfindung gesagt wird. Schönes Wetter, welches uns in einem hohen
Grade angenehm ist. Vielleicht, wenn du wieder kömmst, schöner Herbst,
vielleicht seh' ich dich dann nicht mehr, Geßn. Unsere schönen Tage, die
Jugend. 3) In noch weiterm Verstande, was von der Seele und ihren Fähigkeiten
unmittelbar mit einem vorzüglichen Wohlgefallen empfunden wird; da es denn
wiederum zunächst von den untern Fähigkeiten der Seele, in weitern Umfange aber
auch von den obern gebraucht wird. Ein schöner Gedanke. Eine schöne Antwort.
Ein schönes Buch. Eine schöne That, welche uns ein vorzügliches Vergnügen
erweckt. Sie müssen noch viele schöne Thaten thun, wenn sie dieß Gewebe von
Unedlen vertilgen wollen. Eine schöne Seele haben. Schöne Gesänge künstlicher
Saiten- [
1623-1624] spieler entzücken da das Ohr, Geßn. wo
schön sich nicht bloß auf die Musik bezieht.
Lyäens und Cytherens Sohn Im schönsten Rausch geboren, Raml.
Welches Lob ist größer, blühende Wangen, oder eine schöne
Seele? Dusch.
Auch unter schlauen Scherzen Bleibt doch die Liebe schön,
Weiße.
Nimmt man die zwey vorigen und die erste Hälfte dieser
Bedeutung zusammen, so ist schön, was von den Sinnen und der Einbildungskraft
mit Wohlgefallen empfunden wird, was sinnliches Vergnügen erwecket. In diesem
Verstande sagt man die schöne Natur, dasjenige in der Natur zu bezeichnen, was
einen hohen Grad dieses Wohlgefallens in uns hervor bringet. Die schönen
Künste, die schönen Wissenschaften, deren nächste Absicht ist, zu gefallen und
zu vergnügen. Ein schöner Geist, bey welchem sinnliche Empfindung,
Einbildungskraft und Geschmack vorzüglich wirksam sind. 3. Figürlich. 1) Schön
mit einer Person thun, in der vertraulichen Sprechart, verliebt. Jemanden
schöne Worte geben, freundliche, schmeichelhafte. Jemanden schön grüßen, auf
das schönste grüßen, ich danke schön, sich zum schönsten oder schönstens
bedanken, im gemeinen Leben für freundlich. 2) Oft gebraucht man es als eine
Art einer Intension. Eine schöne Summe Geldes, eine beträchtliche. Ein schönes
Alter, ein hohes. 3) Noch öfter ist es für sehr gut, d. i. unserer Absicht,
seiner Bestimmung sehr gemäß, üblich. Eine schöne Gelegenheit. Das schönste ist
noch, u. s. f. das beste. 4) Ingleichen wird es ironisch gebraucht, das
Gegentheil zu bezeichnen. Er ist mir ein schöner Herr. Du bist ein schöner
Vogel. Das wäre schön! Da würde ich schön ankommen. Das wird ihm schön bekommen
seyn. Anm. 1. Dieses Beywort wird auch häufig als ein Hauptwort gebraucht. Die
Schöne, eine schöne Person weiblichen Geschlechtes, und in weiterer
schmeichelhafter Bedeutung, eine jede weibliche Person. Das Schöne, dasjenige,
was an einem Dinge schön ist, ohne Plural; wofür man in manchen Fällen auch die
Schönheit gebraucht. Hier hat die Natur alles versammelt, was sie Schönes hat,
um deinen Aufenthalt schön zu machen, Dusch. Die Natur, die Mahlerey, die
Baukunst, und die Musik geben uns das Schöne für die Sinne, Sulz. Anm. 2. Bey
dem Ottfried scono, bey dem Willeram scon, in Schlesien schin, im Nieders.
schon und scheun, im Angels. scon, und scen, im Schwed. skön, im Dänischen ohne
Zischlaut kion, im Finnländ. caunis. Frisch läßt es sehr gezwungen von schonen
abstammen; allein Wachter hat schon die bessere Ableitung von scheinen, so daß
dieses Wort zunächst glänzend bedeutet. Wollte man lieber die Niedersächsische
Bedeutung, da es für rein, sauber, gebraucht wird, als die erste ursprüngliche
annehmen, so würde man es von scheuen, dem veralteten Stammworte des heutigen
intensiven scheuern, abstammen lassen, welches aber mit scheinen doch auch nahe
verwandt ist. [
1623-1624]