Die Sache
, [
1235-1236] plur. die -n, Diminutivum,
welches doch nur in einigen Fällen üblich ist, Sächlein, in der vertraulichen
Sprechart Sächelchen; ein sehr altes Wort von weitem Umfange, dessen vornehmste
Bedeutungen folgende sind. 1) Ein Zank, lauter Wortstreit; eine veraltete
Bedeutung, von welcher sich aber doch noch hin und wieder Spuren finden. Bey
dem Ulphilas ist fakan, und bey dem Kero kisahhan, zanken, streiten. In engerer
Bedeutung, eine vor Gericht angebrachte Klage und deren Gegenstand, und in
weiterm Umfange, ein jeder Prozeß, ein jeder Rechtshandel; eine der ältesten
Bedeutungen, welche noch nicht veraltet ist, obgleich diese Bedeutung sich in
der folgenden der Angelegenheit, des Gegenstandes seiner Worte und Handlungen,
zu verlieren scheinet. Eine Klagesache, Rechtssache, Streitsache. Wo einer den
andern schuldiget - so sollen beyder Sache vor die Götter kommen, 2 Mos. 22, 9.
Du sollt den Geringen nicht schmücken in seiner Sache, Kap. 23, 3. In dem Munde
zweyer oder dreyer Zeugen soll die Sache bestehen, Kap. 19, 15. Und so in
andern Stellen mehr; wo aber die Ausdrücke, eine Sache an, zu, mit, wider,
jemanden haben, an, zu und wider jemanden finden, d. i. Klage, und Ursache der
Klage, veraltet sind; wie es denn überhaupt für Klage nicht mehr, wohl aber für
den ganzen Prozeß oder Rechtsstreit üblich ist. Eine gerechte Sache haben. In
seiner eigenen Sache Richter seyn. In einer Sache sprechen. Geldsachen,
Halssachen u. s. f. 2) Eine Angelegenheit, ein Geschäft. Haussachen,
Staatssachen, Kriegessachen, Geldsachen. Eine große, wichtige und schwere
Sache. Unverrichteter Sache abziehen müssen, im Oberd. unverrichteter Dinge.
Ich kann nichts bey der Sache thun. Seiner Sache gewiß seyn. Seine Sachen mit
Fleiß verrichten. Viele Sachen anfangen und keine ausführen. Der Sache ist
nicht mehr zu helfen. Wie gehet die Sache? Sich einer Sache annehmen. Seine
Sachen stehen schlecht. In wichtigen Sachen gebraucht werden. Seine Sachen
verstehen. Sich in fremde Sachen mengen. Mit jemanden gemeine Sachen machen,
sich mit ihm in einer Angelegenheit, in einem Geschäfte vereinigen, mit ihm
gemeinschaftlich einerley Absicht zu erreichen suchen. Er hat seine Sache sehr
schlecht gemacht, sein Geschäft schlecht ausgeführet. Die Sache Gottes, der
Religion vertheidigen. Die Sache der Wahrheit führen, die Wahrheit
vertheidigen. Das ist deine Sache, gehet dich an, ist deine Pflicht, kommt dir
zu. Das ist meine Sache nicht, gehet mich nichts an, ich habe dazu weder
Verbindlichkeit noch Fähigkeit. In der Geschwindigkeit eine gedeihliche Antwort
zu finden, ist nicht seine Sache, er besitzt dazu nicht die nöthige Fähigkeit.
Der Eigennutz ist nie seine Sache gewesen, er hat sich demselben nie ergeben.
In solchen Fällen ist das Reden nicht meine Sache, rede ich nicht gern. Ich
weiß lange, daß die seine Lebensart nicht eure Sache ist, Weiße.
Es ist sonst nicht meine Sache, Daß ich Complimente mache,
Zachar.
In der vertraulichen Sprechart gebraucht man auch wohl das
Diminutivum von geringen unerheblichen Angelegenheiten und Geschäften. Er
dachte seine Sächelchen recht klug anzufangen. 3) Eine geschehene Begebenheit,
ein Vorgang, die Art und Weise, wie eine Veränderung erfolget. Ich will ihnen
die ganze Sache erzählen. Nach Gestalt der Sachen, der Umstände. Ich muß erst
hinter die Sache kommen. Wie ist die Sache zugegangen? Ich kann ihnen noch
andre Sächelchen erzählen, Weiße. Es könnten bey ihr eben solche Sächelchen
vorgehen. 4) Vermuthlich als eine Figur der vorigen Bedeutung, wird Sache, doch
nur im Plural allein, oft leeren Worten entgegen gesetzt. Eine Rede muß Sachen
und nicht bloß Worte enthalten. 5) Ein jeder Gegenstand, wovon man spricht oder
handelt, womit man sich beschäftiget; wo es in manchen Fällen nur im Singular
allein gebraucht wird. In allen Sachen Maße halten. Der Sache zu viel thun. Das
dient, gehört nicht zur Sache. Die Sache bestehet darin. Von einer Sache
handeln. Zur Sache schreiten. Die Hauptsache, im Gegensatze der Nebensachen.
Sich mit lauter Nebensachen beschäftigen. Von der Sache abweichen. Das beste
zur Sache reden. Kurz von der Sache zu reden. Der Sache ein Ende machen. Das
ist eine andere Sache. Einem tausend süße Sachen vorsagen. Du redest artige
Sächelchen, wenn du allein bist, Weiße. Was ich gesagt habe, fließt aus der
Natur der Sache, des Gegenstandes, wovon wir handeln. Wir wollen zur Sache
kommen. Das thut nichts zur Sache, hat in den Gegenstand, von welchem wir
handeln, keinen Einfluß. Sagen sie mir, was bey der Sache anzufangen ist. 6)
Sehr oft gebraucht man dieses Wort auch als eine allgemeine Benennung von
körperlichen beweglichen Dingen, wenn man sie mit keinem andern allgemeinen
Nahmen zu benen- [
1237-1238] nen weiß. Was sind das für
Sachen? Spielsachen, Zuckersachen, Zuckerwerk. Es fehlen mir noch die nöthigen
Sachen zu dieser Arzeney. Allerley schöne Sachen. Besonders Geräthschaften,
Kleidungsstücke u. s. f. Das sind nicht meine Sachen. Seine Sachen einpacken.
Unordentlich in seinen Sachen seyn. Wem gehören diese Sachen? Wo es denn im
Plural am häufigsten ist. 7) Oft wird die Sache der Person entgegen gesetzet,
und da bedeutet es ein jedes Ding im Gegensatze der Person. Das Zeitwort geben
erfordert die vierte Endung der Sache, und die dritte der Person. Auch in den
Rechten sind Sachen und Personen einander entgegen gesetzt. Im gemeinen Leben
und der vertraulichen Sprechart kommt es gleichfalls vor, ein jedes Ding, alles
was ist, zu bezeichnen; wo es aber zunächst eine Figur der vorigen fünften
Bedeutung eines Objectes zu seyn scheinet. Ein Buch früh bey dem Thee ist eine
gute Sache, Gell. Es ist doch eine verzweifelte Sache um die liebe Tugend,
Weiße. 8) * Eine Ursache; eine veraltete Bedeutung. Er ist ohne Sache
aufgeblasen in seinem fleischlichen Sinn, Coloss. 2, 18. Um welcher Sache
willen ich dich erinnere, 2 Timoth. 1, 6. Um welcher Sache willen ich solches
leide, B. 12. Um der Sache willen strafe ich sie scharf, Tit. 1, 13. Anm. Im
Oberdeutschen wird: ist sach, noch jetzt häufig für wen gebraucht.
Ist sach das der Held stürmen thut, So will ich ihn haben
gewiß, Theuerd. Kap. 78. Ist sach das ihr solches nit irt, Kap. 95,
wenn ihr solches nicht hindert. Seine Sachen verrichten, ist
im gemeinen Leben ein höflicher Ausdruck für, seine Nothdurft verrichten, und
in manchen Gegenden nennt man auch die monathliche Reinigung des andern
Geschlechtes die Sache; wo es eine Figur der zweyten Bedeutung zu seyn
scheinet. Schon in dem Salischen Gesetze ist Sack Klage, Rechtsstreit. In der
alten Urkunde der Könige Ludwigs und Lothars aus dem 9ten Jahrhunderte bedeutet
Sachu dingliches Eigenthum, im Isidor, Tatian und Ottfried ist Sahha, Sacha
bald ein Rechtsstreit, bald eine Ursache, bald auch ein Geschäft, welche
Bedeutungen auch das Nieders. Sake, das Schwed. Sak, und das Angels. Sac haben.
Es ist dieses Wort die Klippe fast aller Wortforscher, auch der besten und
gründlichsten, gewesen. Frisch leitet es von Zacke her, und erklärete es durch
ein körperliches, handgreifliches Ding; Ihre aber siehet es als ein durch
Versetzung der Buchstaben aus dem Lat. Caussa gebildetes Wort an. Allein, wenn
man die Bedeutungen dieses Wortes aufmerksam erwäget, so wird man nicht in
Abrede seyn können, daß es das Intensivum von Sage und sagen ist, und
ursprünglich Wortgeräusch, Streit, Zank, und in weiterm Verstande eine jede
Rede und deren Gegenstand bedeutet, ob es gleich durch die Länge der Zeit auf
mancherley Art bestimmet worden. Im Nieders. ist saken noch jetzt klagen. Die
gleichbedeutenden Wörter im Deutschen so wohl als in andern Sprachen bestätigen
diese Ableitung. Unser Ding, welches im weitesten Verstande alles bedeutet, was
da ist, bezeichnet ursprünglich auch Wortstreit, Wortgeräusch, und Rede
überhaupt. Das Lat. Caussa, Ursache, stammet von cusare, klagen, in accusare,
ab, welches wie unser kören und kösen ehedem reden überhaupt bedeutet hat.
Dessen Töchter, das Italiänische Cosa und Französische Chose, bedeuten eine
jede Sache, ein jedes Ding. Das gleichfalls Lat. Res gehöret zu dem Stamme
unsers Rede, Recht, rauschen u. s. f. und noch Kero übersetzt res durch
Rachono, welches jetzt veraltete Wort zu rechen, reden, gehöret, wovon unser
rechnen abstammet. Das Schwed. Sak bedeutet auch Verbrechen und Strafe, und im
Tatian kommt Sahha gleichfalls von einem Verbrechen vor.
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