Rügen
, [
1199-1200] verb. reg. act. et neutr.
welches im letztern Falle das Hülfswort haben erfordert, und in verschiedenen
Bedeutungen vorkommt. 1) Anführen, erwähnen, Meldung thun; eine noch hin und
wieder, besonders im Oberdeutschen, übliche Bedeutung. Der oben gerügte
Cardinal, Gryph. der oben erwähnte. Die angerügten Bücher, die angeführten, im
Oberdeutschen. Ich will es nicht weiter rügen, nicht weiter erwähnen. Es kommt
hier mit regen, anregen, beregen überein, welche im Oberdeutschen in eben
demselben Verstande gebraucht werden. 2) Bekennen, doch nur in einigen Gegenden
in engern Verstande, ein Befugniß durch ein feyerliches Bekenntniß in seiner
Kraft erhalten. Sie rügen seine Erbgerichte und Lehen, sie bekennen, daß sie
ihm gehören; eine noch hin und wieder gangbare Formel. Im Schwed. ist röja
gleichfalls bekennen. 3) Beschuldigen, eines Verbrechens, eines Vergehens
beschuldigen; so wohl von der Beschuldigung im gesellschaftlichen Leben, in
welcher Bedeutung es im Hochdeutschen veraltet ist. Der Pfarrer hat ihn auf der
Kanzel gerüget, Wurstisen. Sünde auf einen rügen, Jeroschin. Besonders durch
die Beschuldigung eines Verbrechens in einen üblen Ruf bringen, in welchem
Verstande Luther das -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image -
-
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , Matth. 1, 19 durch rügen
gibt: Joseph aber war fromm, und wollte Mariam nicht rügen; wo es in der
Baselschen Ausgabe des N. Test. von 1523 in dem Verzeichnisse ungewöhnlicher
Wörter durch schänden, Schand entdecken, erkläret wird. Ehedem war verrugen so
viel wie verleumden. Als auch besonders von der gerichtlichen Beschuldigung
oder Anklage, wo es ehedem für anklagen überhaupt gebraucht wurde, und noch
jetzt nicht ganz veraltet ist, indem es in einigen Gerichten noch für
denunciiren gebraucht wird, ein begangenes Verbrechen dem Richter anzeigen. Daß
sie ihn gerügten, Matth. 12, in einer alten handschriftlichen Übersetzung des
N. Test. bey dem Frisch. Ir sönt nit wenen, daß ich uch rüge bey dem Vater, er
ist, der uch rüget, Joh. 5. ebend. Ein Ehemann kann seine Frau rügen um ihre
unehliche Sünde, im Schwabensp. Denn es ist ein Eiferopfer und Rügeopfer das
Missethat rüget, 4 Mos. 5, 15; wo es aber in Michaelis Übersetzung heißt: denn
es ist ein Opfer der Eifersucht, ein Rügeopfer, das Sünden vor Gott in Andenken
bringt; da es denn zunächst zu der nahe verwandten ersten Bedeutung gehören
würde, zumahl da auch die siebzig Dollmetscher hier das Wort -
hier
nichtlateinischer Text, siehe Image - gebrauchen. Mich rügt ein Bösewicht,
Haged. er zieht mich vor Gericht, verklagt mich. 4) Tadeln, mit Worten
bestrafen; ein noch im Hochdeutschen gangbarer Gebrauch. Ich will es nicht
rügen, nicht tadeln, nicht ahnden. Richardson hat viele Weiblichkeiten (Fehler
des weiblichen Geschlechts) gerüget, aber diese verdienet eine neue Geißel,
Hermes. Ingleichen in engerer Bedeutung, gerichtlich ahnden, als Richter
bestrafen; wo es noch in vielen Gegenden, so wohl von der Bestrafung überhaupt,
als auch von der Bestrafung geringer, wider die gute Ordnung und Polizey
begangener Vergehungen, gebraucht wird, und im Nieders. wrögen lauten, wo es
besonders von der Bestrafung an Gelde üblich ist. Ein Vergehen rügen, mit Gelde
bestrafen. Figürlich ist wrögen im Nieders. ängstigen, quälen, Kummer, Angst
verursachen. 5) Verordnen; eine veraltete Bedeutung, von welcher das Nieders.
wrögen noch ein Überbleibsel zu seyn scheinet, wenn es für eichen gebraucht
wird, d. i. dem Maße und Gewichte seine gehörige Größe bestimmen.
S. auch das Rügen und die Rügung. Anm. Bey dem Ottfried
und im Tatian ruagen, ruogen, für anklagen, im Isländ. raega, im Schwed. röja,
im Nieders. mit dem dieser Mundart geläufigen Vorlaute w, wrögen. Wenn man die
sämmtlichen Bedeutungen dieses alten Wortes zusammen nimmt, so wird man nicht
läugnen können, daß der Begriff des Redens, des Sprechens in demselben der
herrschende ist, der denn hier auf besondere Arten eingeschränket worden. Es
ist demnach als ein naher Verwandter von dem alten rechen, jetzt rechnen,
reden, von recht, richten, unserm sprechen, welches sich nur durch den Vorlaut
unterscheidet, ingleichen von rächen, Gerücht, dem Lat. rogare, und andern
mehr, anzusehen. Im Pohln. ist rugowac gleichfalls rügen, anklagen und
gerichtlich untersuchen. [
1199-1200]