Das Rothwälsch
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1179-1180] plur. car. ein Nahme, womit
man zunächst diejenige gemischte Sprache verstehet, welche die Europäischen
Zigeuner, Spitzbuben und verdächtige Bettler unter sich reden, um von andern
nicht verstanden werden, und welche ein Mischmasch von gemeinen Oberdeutschen,
Jüdischdeutschen, und selbst gemachten Wörtern ist. Da die Kenntniß dieser
Sprache den Gerichtspersonen sehr nothwendig ist, so kam schon 1601 eine
Rothwelsche Grammatic heraus, das ist vom Barlen der Wanderschaft dadurch den
Weißhulmen gevopt, die Heutzin besefelt, und die Horcken vermonet, damit man
Steringer und Spetling überkompt, im Schrefen Boß Johan zu schöchen und mit
Riblingen zu rüren; d. i. "eine Anleitung und Bericht der Landfahrer- und
Bettlersprache, dadurch die einfältigen Leute belogen, und die Bauern betrogen
werden, damit man Gulden und Häller überkömmt, und im Wirthshause Wein zu
trinken und mit Würfeln zu spielen habe;" welcher Titel zugleich zu einer Probe
dieser Sprache dienen kann, welche von der Sprache der wahren Zigeuner
himmelweit verschieden ist. Die zu Frankfurt am Main 1755 auf 5 Bogen in 8
heraus gekommene Rothwälsche Grammatik, oder Sprachkunst, d. i. Anleitung u. s.
f. ist nur eine Sammlung von einzelnen Wörtern, und einigen in dieser Sprache
verfaßten Aufsätzen. Anm. Gottsched, der in seinen Ableitungen immer
unglücklich und nicht selten beleidigend war, leitete es von dem kaiserlichen
Kammergerichte zu Rothweil her, "weil dasselbe so schönes Deutsch schreibe, das
kaum zu verstehen sey." Wälsch bedeutet im Deutschen fremd, und ausländisch
überhaupt, daher es hier nur auf die dunkelere erste Sylbe ankommt. Frisch
hielt sie für das Ital. rotto, gebrochen, so daß es eine gebrochene Wälsche
oder ausländische Sprache bedeuten würde. Allein am besten erkläret man dieses
Wort aus der Rothwälschen Sprache selbst, und da bedeutet Rot einen Bettler,
und Rothos eine Bettlerherberge, so daß es eigentlich eine Bettlersprache
bedeutet, welches sie denn auch wirklich ist. Man kennet sie unter diesem
Nahmen in Deutschland schon seit Carls V. Zeiten, da sich unter andern auch die
so genannten Gardenbrüder, d. i. die als gewaltthätige und diebische Bettler
herum streichenden abgedankten Soldaten, welche freylich Leute aus allen
Provinzen und Staaten waren, ihrer bedienet haben sollen.
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1179-1180]