Das Rohr
, [
1143-1144] des -es, plur. die -e,
Diminutivum, welches doch seltener vorkommt, das Röhrchen. 1. Ein in vielen
Fällen für Röhre übliches Wort, wo es bloß auf den Gebrauch ankommt, ob Rohr
oder Röhre einmahl eingeführet ist oder nicht. So wird eine blechene Röhre, den
Rauch aus den Öfen abzuleiten, so wohl Röhre, als auch Rohr genannt, welche
Nahmen auch die einzelnen Stücke bekommen, woraus eine solche Röhre bestehet.
Auch der lange, gemeiniglich hohle Theil eines Schlüssels ist unter dem Nahmen
des Rohres oder Schlüsselrohres bekannt; an denjenigen Schlössern aber, welche
keine gebohrten Schlüsseln haben, ist das Rohr eine kurze Röhre in der Dille,
welche den Schlüssel in das Loch führet. Die Röhren einer Feuerspritze sind
gleichfalls unter dem Nahmen der Röhre bekannt, so wie die Röhren an den
Tobakspfeifen, besonders den hölzernen, hörnernen u. s. f. In den Glashütten
ist das Rohr eine eiserne Röhre an einem langen, hölzernen Stiele, das
geschmolzene Glas damit aus dem Hafen zu ziehen und es nach Belieben dadurch zu
blasen. Und so in vielen andern Fällen mehr, wohin auch die Zusammensetzungen
Blaserohr, Sehrohr, Sprachrohr u. s. f. gehören, welche auch nur schlechthin
Rohre genannt werden. Besonders ist der Lauf eines Feuergewehres, es sey nun
einer Büchse, einer Flinte, oder einer Pistole, so wohl in den Gewehr-Fabriken,
als auch im gemeinen Leben, unter dem Nahmen eines Rohres bekannt; ein
Pistolenrohr, Flintenrohr, Büchsenrohr. Ein gezogenes Rohr, ein gezogener Lauf.
Da denn nach einer gewöhnlichen Figur das ganze Feuergewehr selbst diesen
Nahmen bekommt, der doch nur von den längern Arten, mit Ausschließung der
Pistolen, Puffer u. s. f. gebraucht wird. Ein Feuerrohr, ein Feuergewehr, ein
gezogenes Rohr, ein gezogenes Gewehr, das Birschrohr, Handrohr, Faustrohr,
Jagdrohr. Im Niedersächsischen bedeutet Rohr gleichfalls eine Flinte. Daher
rühret denn vermuthlich auch die im gemeinen Leben übliche R. A. etwas auf dem
Rohre haben, d. i. seine Absicht darauf gerichtet haben, einen geheimen
Anschlag in Gedanken führen u. s. f. Er hat schon einen Freyer für sie auf dem
Rohre, Weiße. Er hat gewiß wieder etwas auf dem Rohre, ebend. Die
gleichbedeutende R. A. etwas auf dem Korne haben, ist gleichfalls von dem Korne
auf den Schießgewehren entlehnet. 2. Eine Art Gewächse, welche in nassen
Gegenden einheimisch sind, und einen starken, langen, gemeiniglich hohlen
Stängel tragen, der den Nahmen eines Rohres oder einer Röhre mit allem Rechte
verdienet. Es ist hier in doppelter Gestalt üblich. 1) Als ein Collectivum,
oder absolute; wo der Plural nur von mehrern Arten Statt findet. Das
Zuckerrohr, Saccharum L. ein in beyden Indien einheimisches Gewächs, welches
unserm gemeinen Rohre gleicht, und aus welchem der Zucker gesotten wird. Unser
gewöhnliches Rohr, welches im gemeinen Leben auch Rieth, ingleichen auch Schilf
genannt wird, wächst in allen Seen, Teichen und Flüssen. Ein Haus mit Rohr
decken. Sprichw. Im Rohre ist gut Pfeifen schneiden. Der Plural die Röhre,
welchen Haller gebraucht, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich:
So läßt der Frösche Volk sein Quäken in den Röhren So wohl bey
Sonnenschein, als wenn es wittert, hören.
2) Als ein Individuum, von einzelnen Stücken Rohres. Zwey
Zuckerrohre, zwey Stücke Zuckerrohr. Besonders von einem Spanischen Rohre, s.
i. einem aus Spanische Rohre zum Gehen bereiteten Stabe. Drey Spanische Rohre.
Welche Bedeutung vielleicht auch der einzige Fall ist, wo das oben bemerkte
Diminutivum üblich ist. Anm. In der letzten Bedeutung eines Gewächses schon bey
dem Kero Rorriu, bey dem Notker Ror, im Isländ. Reyr, im Arabischen mit
Verdoppelung Raearaa, eine Art großen Rohres. Da dieses Wort eines von denen
ist, welche von regen, Rad, reisen, Reif u. s. f. nur im Endlaute verschieden
sind, und diese alle eine Bewegung nach allen Richtungen bezeichnen, so kann so
wohl die Höhe, als die gerade Länge, als endlich auch der hohle Raum, eine
gewöhnliche Figur der kreisförmigen Bewegung, zu der Benennung Anlaß gegeben
haben. Daher heißt das Rohr bey dem Ulphilas Raus, im Franz. Roseau, und im
Deutschen auch Rieth, (
S. dasselbe.) Das Lat. Arundo gehöret gleichfalls dahin,
indem das a in dieser Sprache sehr oft ein müßiger Vorsatz ist, und die letzte
Häfte zunächst mit rund verwandt ist. Bey dem Gewächse dieses Nahmens kann auch
zunächst auf dessen Beweglichkeit bey dem geringsten Lüftchen, und das dadurch
verursachte Rauschen, Riesen und Reden, in der weitesten Bedeutung, gesehen
seyn. [
1143-1144]