2. Der Riß
, [
1129-1130] des -sses, plur. die -sse, das
Hauptwort von dem Zeitworte Reißen. 1. So fern es den Zusammenhang der Theile
eines Dinges durch plötzliches Ziehen zertrennen bedeutet, ist der Riß 1) die
Handlung des Reißens. Einen Riß, zwey, drey Risse thun, so oft reißen. Ein Riß
mit einer glühenden Zange. Ein derber Schlag mit einem Stocke, einer Peitsche
u. s. f. heißt oft ein Riß. Risse bekommen, Schläge. 2) Die dadurch verursachte
Öffnung, oder Trennung der Theile. Einen Riß haben, bekommen. Der Regen hat
viele Risse in den Acker gemacht. Bey großer Hitze bekommt der Erdboden Risse.
Das Glas, das Holz, die Haut, das Haus u. s. f. bekommt Risse. Bey den
Schustern ist, der Riß ein länglicher, schräge gemachter Einschnitt in das
Leder, die Naht daran zu führen. Eine Kupferplatte bekommt Risse, bey den
Kupferstechern, wenn im Radiren fehlerhafte Vertiefungen in derselben
entstehen, irreguläre Züge, welche nicht da seyn sollten. Der Riß in einer
Mauer; daher denn vermuthlich die figürliche R. A. vor den Riß treten, vor dem
Risse stehen, eigentlich die schadhafte Stelle in einer Mauer mit Gefahr seines
Lebens vertheidigen, und figürlich, einer Gefahr, einem Schaden anderer mit
seiner eigenen Gefahr abzuwenden suchen. Wider den Riß stehen, Ezech. 22, 30,
in eben dieser Bedeutung, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich. Figürlich ist
zuweilen der Riß theils eine gänzliche Spaltung, eine Trennung der Gemüther und
Absichten. Da reuete es das Volk über Benjamin, daß der Herr einen Riß gemacht
hatte in den Stämmen Israel, Richt. 21, 15. Theils auch ein hoher Grad des
plötzlichen Verlustes, besonders so fern derselbe durch einen Todesfall
verursacht wird. Da ward David betrübt, daß der Herr einen solchen Riß an Usa
thät, 2 Sam. 6, 8. Der Tod des Fürsten hat einen Riß in dem Lande gemacht. Die
Pest hat schreckliche Riße unter dem Volke gemacht. Wo es auch zunächst zu der
Bedeutung des Entreißens gerechnet werden kann. 2. Von reißen, zeichnen, ist
der Riß einer mit der Feder gemachten Zeichnung, oder Abbildung eines Dinges;
besonders in der Baukunst und Feldmeßkunst. Einen Riß von etwas machen.
S. auch Abriß, Aufriß, Grundriß, Standriß u. s. f. Anm.
Im Nieders. Rete, welches aber nicht bloß einen Riß, sondern auch einen Ritz,
ingleichen einen kleinen Fluß bedeutet.
S. Reißen, ingleichen Ritz.
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