Das Reis
, [
1059-1060] des -es, plur. die -er, Dimin.
das Reischen, Oberd. Reislein, ein jeder dünner, schwanker Zweig eines Baumes,
wo dieses Wort auf doppelte Art gebraucht wird. 1) Als ein Collectivum und ohne
Plural, mehrere solche dünne Reiser zusammen; doch nur in einigen Fällen. Die
Birken geben vieles Reis. Am häufigsten in den zusammen gesetzten Birkenreis,
Besenreis u. s. f. Ruthen von Birkenreis. 2) Von einzelnen dünnen Zweigen
dieser Art, welche in gewisser Betrachtung auch Ruthen genannt werden. Da
Paulus einen Haufen Reiser zusammen raffelte, (raffte,) Apostg. 28, 3. Dürre
Reiser. Birkenreiser. In engerer Bedeutung, ist das Reis ein junger dünner
Zweig eines Baumes, besonders so lange er noch nicht älter als ein Jahr ist;
ein Sprosse, Sprößling, Schuß, Schößling. Ein Reis in einen andern
Stammpfropfen. (
S. Pfropfreis.) Im Forstwesen und bey den Jägern werden
auch ganze junge Bäume, ingleichen dünne, lange Stangen, Reiser und in einigen
Mundarten auch Reitel genannt. So sind die Laß- oder Hägereiser, Laßreitel,
Bannreitel, junge Stämme Laubholzes, welche man auf den Gehauen zum neuen
Anwuchse stehen läßt; und bey den Jägern sind die Lappreiser dünne Stangen, mit
welchen die Lappen gestellet werden. Anm. bey den Schwäbischen Dichtern Ris, im
Nieders. Ries, im Hannöv. Rispe, in der Schweiz mit vorgesetztem Gaumenlaute
Kres, im Angels. Hris, im Schwed. Ris, im Isländ. Hrijs, im Irländ. Ras, im
Finnländ. Risu, im Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe
Image - , im mittlern Lat. Rauseum; im Bretagnischen mit dem nahe
verwandten t Red und Ret, woraus zugleich die Verwandtschaft mit unserm Ruthe,
dem Oberd. Reitel, dem Lat. Radius u. s. f. erhellet. Es stammet von dem alten
noch im Oberdeutschen üblichen Zeitworte risen her, welches mit unserm reisen
ein und eben dasselbe Wort ist, aber ursprünglich den Laut einer Bewegung
nachahmet, und im weitesten Verstande eine Bewegung nach allen Richtungen
ausdruckt; vermuthlich so fern das Reis aus dem Baume hervor wächst oder
schießet, daher auch Schuß und Schößling heißt, so wie das Lat. Surculus von
surgere abstammet. Auf ähnliche Art stammen Sprosse, Rebe, Ranke u. a. m. von
ähnlichen Zeitwörtern der Bewegung ab. Übrigens heißt ein Reis im
Niederdeutschen auch ein Quasen und eine Lade, welches letztere zu unserm Latte
gehöret.
S. Reisen, Riese, Rieseln und Ruthe.