1. Das Räthsel
, [
957-958] des -s, plur. ut nom. sing.
Diminut. das Räthselchen, Oberd. Räthselein. 1) Ein Mährchen, eine Fabel, eine
erdichtete Erzählung; eine im Hochdeutschen veraltete noch im gemeinen Leben
Oberdeutschlandes übliche Bedeutung. Jemanden ein Räthsel erzählen, ein
Mährchen. Auf ähnliche Art wird im Tarlan ein Gleichniß Ratissa genannt. 2)
Eine Aufgabe, welche nur durch Rathen aufgelöset werden, oder errathen werden
kann, und auf solche Art aufgelöset werden soll. Jemanden ein Räthsel vorlegen,
aufgeben. Ein Räthsel auflösen, errathen. Die Königin aus Arabien versuchte den
Salomo mit Räthseln, 1 Kön. 10, 1. Ich will euch ein Räthsel aufgeben; wenn ihr
mir das Räthsel errathet und treffet u. s. f. Richt. 14, 12. 3) Figürlich, eine
dunkele, unbegreifliche Sache. Das ist mir ein Räthsel. Ich hoffe, daß sich das
Räthsel in wenig Tagen aufklären wird. Die Räthsel des menschlichen Herzens
entfalten. Anm. In der ersten Bedeutung scheinet es vermittelst des Endlautes
-sal oder -sel aus Rede gebildet zu seyn. In der zweyten Bedeutung lautet es im
Angels. Raedels, im Engl. Riddle, von to rid, erklären, im Nieders. Afraels,
für Afradels, und in einigen Oberdeutschen Gegenden Retdelsen. Mit dem seltnern
und großen Theils veralteten Endlaute -iß, -isch, ist im Notker, in der
Monseeischen Glosse u. s. f. Ratisca Ratissa, Ratussa, theils eine jede
Aufgabe, theils ein Gleichniß, theils ein Satz, theils endlich auch eine
Muthmaßung. In der spätern Zeiten wurde es in der heutigen Bedeutung bald in
Retsche, bald in Redersch und Rättersche, bald aber auch in Rätherle verderbt.
Es stammet ohne allen Zweifel von rathen, divinare, ab, welches ehedem auch
auslegen, erklären bedeutete, wovon es vermittelst des Endlautes -sal oder -sel
gebildet worden; daher die Schreibart Rätzel auch aus diesem Grunde fehlerhaft
ist.