Nothwendig
, [
533-534] -er, -ste, adj. et adv. was
dergestalt ist, oder geschiehet, daß es nicht anders seyn oder geschehen kann,
da denn dieses Wort so viele Stufen leidet, als das Zeitwort können Bedeutungen
verstattet. 1. In dem schärfsten, aber freylich nur in der Philosophie üblichen
Verstande ist nothwendig, und bestimmter schlechterdings nothwendig, absolute
necessarium, was den Grund seines Daseyns in sich selbst hat, oder dessen
Gegentheil einen Widerspruch enthält; im Gegensatze des zufällig. Auf diese Art
ist Gott nothwendig oder ein nothwendiges Wesen. Zwey Mahl zwey ist nothwendig
vier, weil der Gegensatz einen Widerspruch enthalten würde. In dieser Bedeutung
fällt die Comparation von sich selbst weg. 2. In weiterer und gewöhnlicherer
Bedeutung, was in Ansehung der Umstände nicht anders seyn oder geschehen kann,
welches vollständig bedingungsweise nothwendig genannt wird, hypothetice
necessarium; wo es wieder mehrere Stufen gibt. 1) Physisch nothwendig, oder
auch nur schlechthin nothwendig, in dem Wesen eines Dinges gegründet;
natürlich. Das Feuer muß nothwendig brennen, weil es sonst nicht das seyn
würde, was wir unter dem Worte Feuer verstehen. Das Ganze setzt die Vielheit
der Theile nothwendig voraus. Unser Herz hat einen nothwendigen Hang sich von
jeder Art der Schönheit rühren zu lassen. Wer tugendhaft leben will, muß
nothwendig seine Neigungen bezähmen lernen. 2) Moralisch nothwendig, oder auch
nur nothwendig schlechthin, was unter gewissen Umständen nicht anders seyn
kann, was nur auf Eine Art gethan werden kann, dessen Gegensatz einen
Widerspruch wider eine Pflicht, wider eine Absicht, oder auch nur wider einen
Umstand enthalten würde, was man nicht vermeiden, nicht unterlassen kann. Auf
diese Art ist alles nothwendig, was in einem Gesetze befohlen ist, was man
unbeschadet seiner Wohlfahrt nicht entbehren kann, und in der weitesten
Bedeutung auch, was man nicht entbehren zu können glaubt; daher einer oft ein
Ding für nothwendig hält, welches bey dem andern nur nöthig und dem dritten gar
unnöthig und überflüssig ist. Der heutige Tag ist nicht nothwendig ihr
Brauttag, Gell. Müssen sie mich den nothwendig stören? ebend. Wenn man mir dem
Nachruhme kommt, so muß ich nothwendig lachen; ebend. Ich muß heute nothwendig
schreiben. Nothwendige Arbeit haben, welche ohne Übertretung einer Pflicht
nicht unterbleiben kann. Ein nothwendiger Mensch, welchen man nicht entbehren,
ohne welchen man nicht leben kann. Er weiß sich sehr nothwendig zu machen.
Mangel an dem Nothwendigen leiden, an dem was zur Erhaltung des natürlichen
Lebens unentbehrlich ist. Anm. Im Schwed. gleichfalls nödvändig. Dieses Wort
sagt in seinen schärfern Bedeutungen weit mehr als das bloße nöthig, und diese
erhöhete Bedeutung rühret von der letzten Hälfte wendig her, deren eigentlicher
Sinn aber so ausgemacht noch nicht ist, indem dieses Wort bey keinem unserer
ältesten Schriftsteller angetroffen wird, ob es gleich alles Ansehen eines
alten Wortes hat. Wachter lässet die letzte Hälfte auf einer sehr gezwungene
Art von wenden, stehen, abstammen. Schilter mit mehrerer Wahrscheinlichkeit von
wenden, abwenden, und erkläret es durch dasjenige, was die Noth abwendet. Da
aber auch diese Ableitung den Begriff des Wortes nur halb erschöpfet, so fällt
Ihre auf das alte Wahn, Mangel, und wahnen, Engl. to want, mangeln, fehlen; und
da ist denn nothwendig, was man nicht ohne Noth entbehren kann, was höchst
nöthig ist. [
533-534]