Nichts
, [
485-486] adv. welches nur allein von
Sachen üblich ist, und dem etwas entgegen gesetzet wird, ein Ding zu
bezeichnen, welches nicht vorhanden ist. 1. Im schärfsten, engsten
philosophischen Verstande, wo nur dasjenige nichts ist, was nicht nur nicht
vorhanden ist, sondern auch nicht vorhanden seyn kann, nicht möglich ist;
Nihilum negativum. In diesem Verstande sagt man, nichts könne nicht etwas
werden, oder aus nichts könne etwas werden. Wo es denn auch in Gestalt eines
Hauptwortes vorkommt, das Nichts, ein Nichts. 2. In weiterer und gewöhnlicherer
Bedeutung ist nichts nur dasjenige, was nicht vorhanden ist, nicht existiret,
aber doch existiren oder wirklich werden kann, folglich möglich ist; Nihilum
privativum. Besser etwas als nichts. Ich habe nichts. Er hatte nichts gesehen,
nichts gehöret. Ich weiß nichts davon. Durchaus nichts, ganz und gar nichts,
schlechterdings nichts. Es wird nichts aus der Sache, sie kommt nicht zu
Stande. Mein Leben ist wie nichts vor dir, Ps. 39, 6. Wenn es weiter nichts
ist. Nichts sollte dich mehr rühren als dieses. Es ist nichts an der Sache, sie
ist ungegründet; ingleichen, sie hat keinen Werth. Er ist nichts besser, um
nichts besser. Gott schuf die Welt aus nichts, er brachte Dinge hervor, welche
vorher nicht da waren. Aus nichts wird nichts, wo seine wirkende Ursache
vorhanden ist, da kann auch keine Wirkung erfolgen, ingleichen, ein nicht
vorhandenes Ding kann nicht den Grund wirklicher Dinge enthalten. Mit nichts
anfangen, bey seinem Anfange nichts haben. Er wußte sich mit nichts, als mit
seiner guten Absicht zu entschuldigen. Ich weiß von nichts. Zu nichts werden,
nicht bloß aufhören zu seyn, sondern auch allen Theilen nach aufhören zu seyn,
vernichtet werden. Wo es zuweilen auch Beywörtern, wenn sie als Hauptwörter
stehen, zugesellet werden kann. Es ist nichts Gutes an ihm. Ich mag mit nichts
Ungerechten zu thun haben. Noch häufiger wird es als ein unabänderliches
Hauptwort gebraucht, ein nicht vorhandenes Ding zu bezeichnen. Das Nichts, ein
Nichts. Ingleichen den Stand des nicht Daseyns. Falle ich nach dem Tode wieder
in mein erstes Nichts zurück? Ferner das Mögliche, im Gegensatze des
Wirklichen, besonders bey den neuen Dichtern.
Befruchtet mit der Kraft des wesenreichen Wortes Gebiert das
alte Nichts, Hall. Ein Schöpfer, der allmächtig das Nichts gebären hieß, Dusch.
Nichts desto weniger, oder nichts desto minder werden häufig
als entgegen setzende Verbindungs-Formeln gebraucht. Im gemeinen Leben ist es
sehr gewöhnlich, diesem Adverbio zur Verstärkung der Verneinung das nicht nach
schleichen zu lassen, welches sich auch wohl gute Schriftsteller mancher
Gegenden zu Schulden kommen lassen. Nichts nicht, für nichts. Habt ihr nichts
eignes nicht? Opitz. Um nichts nicht zu gewinnen, Lebenst. Wenn der nichts
nicht fühlt, ebend. (
S. 3 Nichts.) In der reinen Schreibart ist dieses eben
so fehlerhaft, als wenn man einem vorher gegangenen verneinenden Worte noch zur
Verstärkung das nichts nachschickt. Wird denn nimmermehr nichts aus dir? Raben.
3. Figürlich, wo es nach einer sehr gewöhnlichen Vergrößerung haufig für wenig,
sehr wenig gebraucht wird. So sagt man von einem Menschen im gemeinen Leben, er
habe nichts, er könne nichts, er tauge nichts, wenn er wenig Vermögen hat,
wenig kann, oder wenig taugt. Da es denn nach einer noch weitern Figur auch für
unerheblich, unwichtig, unvermögend gebraucht wird. Wie gar nichts sind alle
Menschen! Ps. 39, 12. Alle Menschen sind doch ja nichts, Ps. 62, 10. Der Heiden
Götter sind lauter nichts, Jerem. 10, 3, haben kein Leben, kein göttliches
Wesen. Das heißt nichts gesagt, nichts das zur Sache dienet. So auch in Gestalt
eines Hauptwortes. Je mehr wir die Unzulänglichkeit oder das Nichts unsrer
Kräfte einsehen u. s. f. Gell. Ingleichen, obgleich seltener, von einer
unbedeutenden, unerheblichen Person. So viele Nichts sind durch den gütigen
Einfluß des Goldes zu Etwas geworden. [
487-488] Anm. Im
Isidor neouuihd nist, bey dem Willeram nieuuetes, im Schwabenspiegel und noch
jetzt in einigen Oberdeutschen Gegenden nihtzit, nützit, bey den Schwäbischen
Dichtern nuitzit, nuite, in den gemeinen Hoch- und Oberdeutschen Mundarten
nischt, im Nieders. niks, im Angels. nowhit, nowit, im Böhm. Und Pohln. nic,
bey den Krainerischen Wenden nas und nezh, im Dän. und Schwed. intet. Es
scheinet aus nicht was oder nicht es zusammen gesetzet zu seyn. Kero und
Ottfried gebrauchen noch nicht dafür oder vollständiger nach ihrer Aussprache
und Schreibart neouueht, niauuiht. Manche Sprachlehrer rechnen es zu den
Pronominibus, von welchen es doch nicht das mindeste an sich hat.
[
487-488]