* Das Mehr
, [
147-148] des -es, plur. die -e, ein im
Hochdeutschen ungewöhnliches, im Oberdeutschen aber noch gebräuchliches
Abstractum von dem vorigen Beyworte. 1) Die Mehrheit, d. i. die größere,
überlegene Menge; wo es besonders von der Mehrheit der Stimmen und ohne Plural
gebraucht wird. Durch da Mehr Bürgermeister werden, durch die meisten Stimmen.
Etwas mit gemeinem Mehr thun; mit der Mehrheit der Stimmen. 2) Die Sammlung der
Stimmen, das Votiren. Ein Mehr machen, die Stimmen sammeln, Umfrage halten. Ein
Gegenmehr machen, über die entgegen gesetzte Sache die Stimmen sammeln. Man
konnte lange zu keinem Mehr kommen, zu keinem Votiren. Daher auch die daselbst
üblichen Zeitwörter übermehren, überstimmen, abmehren, durch die meisten
Stimmen abschaffen, verwerfen, ermehren, durch die meisten Stimmen beschließen.
Anm. Mit dem eigentlichen Ableitungsleute der Abstracten ist bey dem Ottfried
thie Mera die Menge. Wenn die Mehr und die Mehrung in den vorigen Jahrhunderten
einiger Gegenden die feyerliche Handlung bedeutete, da die Truppen die
Kriegs-Artikel beschworen, wo auch das Zeitwort mehren in diesem Verstande
üblich war, so ist solches nur eine Figur der vorigen Bedeutung, so fern dazu
ehedem die meisten Stimmen nöthig waren. In einer Hessischen Reiter-Bestallung
von 1570 heißt es Art. 106: "Es soll auch diese Bestallung und Artikel zur Zeit
der ersten Musterung öffentlich den gemeinen Reutern im freyen Felde unter
fliegenden Fahnen für gelesen, darauf durch sie gemehret werden, wie von Alters
gebräuchlich." Und Art. 108: "Gleichergestalt sollen alle Reuter - gleich
sowohl zu Haltung obgemelter Bestallung und Articul verbunden seyn, als wenn
sie zu Anfang darauf bestellt wären und gemehret hätten." Womit aber abmehren,
abtheilen, nichts als den Klang gemein hat. Siehe 1. Mehren.