Das Maß
, [
93-94] des -es, plur. die -e,
Diminut. das Mäßchen, Oberd. Mäßlein, welche Diminutiva doch nur in der
folgenden zweyten Hauptbedeutung eines körperlichen Maßes trockner und
flüssiger Dinge üblich sind. Es ist ein sehr altes Wort, welches ehedem, und
vermuthlich einer seiner ersten Bedeutungen nach, das Ende der Ausdehnung, das
Zeil, die Gränze bedeutete. Wenigstens kommen Mez bey dem Ottfried und Mezz bey
dem Hornegk noch oft von der Gränzen eines Landes vor. Geuimez ist bey dem
Ottfried die Gränze des Gaues, Landes und Meziban in den Capitular. Carls des
Großen, ein aus den Gränzen Verdanneter, ein des Landes Verwiesener. Im Schwed.
bedeutet matta zielen, so wie im Lat. Meta das Ziel. In diesem Verstande ist es
veraltet, doch sagt man noch, jemanden Ziel und Maß setzen. Am häufigsten haben
wir es noch in folgenden Bedeutungen. I. Als ein Abstractum. 1. Die bestimmte
Größe eines Dinges zu bezeichnen, eigentlich die durch ihre Gränzen bestimmte
und eingeschlossene Größe. 1) Überhaupt, ohne das Verhältniß dieser bestimmten
Größe gegen eine andere Größe zu bezeichnen; wo es doch im eigentlichsten
Verstande wenig mehr üblich ist. Weißt du wer der Erde das Maaß bestimmt hat?
Hiob 38, 5; wer bestimmte ihre Ausdehnung? Michael. 2) In engerer und
gewöhnlicherer Bedeutung, die nach dem Verhältniße eines andern Dinges
bestimmte Größe. (a) Eigentlich, die nach dem Verhältniß eines andern als eine
Einheit angenommenen Dinges bestimmte Größe; am häufigsten von der körperlichen
Ausdehnung. Das Tuch in dem Thor des Vorhofs machte er - 20 Ellen lang und 5
Ellen hoch, nach der Maaß (dem Maße) der Umhänge des Vorhofes, 2 Mos. 38, 18.
Das Maß nehmen, die Größe einer Ausdehnung suchen, um ein anderes Ding darnach
zu verfertigen. So nimmt der Schneider jemanden das Maß zu einem Kleide, der
Schuster zu einem Paar Schuhe, der Perrücken-Macher zu einer Perrücke. Der
Tischler nimmt das Maß zu einem Sarge, zu einer Fensterbekleidung u. s. f. Das
Maß eines Körpers suchen, finden, bestimmen. In den Handelsschiffen sind alle
Maße kleiner als in den Kriegsschiffen, alle Theile derselben haben ein
kleineres Maß. Nicht selten auch von der Zeit. Das Sylbenmaß, Zeitmaß, Tonmaß.
(b) In weiterer Bedeutung. (aa) Die nach der jedesmahligen Absicht, nach der
Natur der Sache, nach dem Bedürfnisse bestimmte Größe, so wohl der Ausdehnung,
als des körperlichen Inhaltes, als endlich auch der Intension oder innern
Stärke; ohne Plural. Da er dem Winde sein Gewichte machte, und setzte dem
Wasser seine gewisse Maaße, (sein gewisses Maß,) Hiob 28, 25; und dem Wasser
sein Maß zu bestimmen, Michael. Bis sie ihr Maaß der Sünden erfüllet haben, 2
Macc. 6, 14. Der Schmerz hat sein höchstes Maß erreicht. Besonders der jemanden
bestimmte, gleichsam zugemessene Theil. Nach dem Gott ausgetheilet hat, das
Maaß des Glaubens, Röm. 12, 3. Das Maß meines Leidens ist zu groß, ich kann es
nicht ertragen. Sein Maß überschreiten. Er hat sein völliges Maß. Das Maß
seines Lebens war kurz. Dahin gehören die adverbischen Arten des Ausdruckes. Er
hat es in vollem Maße gethan, Schleg. d. i. reichlich, überflüssig. Die
Weisheit in einem hohen Maße besitzen. Sie empfinden die traurigen Wirkungen
davon in vollem Maße, im Oberd. in voller Maße. Eine Fortsetzung dieser
Bedeutung ist das folgende weibliche Wort die Maße. (bb) Die Größe oder
Intension eines Dinges, so fern die Größere oder Intension eines andern dadurch
bestimmt wird, das Verhältniß; gleichfalls am häufigsten im Singular allein.
Und so der Gottlose Schläge verdienet hat, soll ihn der Richter heißen -
schlagen, nach der Maaß (dem Maße) und Zahl seiner
[
95-96] Missethat, 5 Mos. 28, 2. Einem jeglichen unter
uns ist gegeben die Gnade nach dem Maß der Gabe Christi, Ephes. 4, 7. Seine
Pflichten nach dem verschiedenen Maße der besondern Bedürfnisse, Umstände und
Verdienste des andern bestimmen, Gell. Nach dem Maße meiner Kräfte. Seine
Achtung für die Gelehrsamkeit stieg nach dem Maße, nach welchem es ihm selbst
daran fehlte. Ich schätze dich bloß nach dem Maße deiner Verdienste.
S. auch Ebenmaß und Gleichmaß. 2. Die Fertigkeit, die
Größe eines Dinges zu bestimmen; wo es doch nur in dem zusammen gesetzten
Augenmaß und ohne Plural üblich ist,
S. dasselbe. 3. Die Art und Weise des körperlichen Maßes
in der folgenden Bedeutung; wo der Plural nur von mehrern Arten üblich ist
Sechs Kannen Dresdener Maß. Vier Scheffel Leipziger Maß. Wofür auch das Wort
Gemäß üblich ist. So auch das Weinmaß, Biermaß, Flächenmaß, Längenmaß u. s. f.
Die Art und Weise, den Wein, das Bier u. s. f. zu messen. II. Als ein
Concretum, diejenige bekannte Größe, deren man sich bedienet, die Ausdehnung
und Menge einer unbekannten zu bestimmten, wo dieses Wort ein allgemeiner
Ausdruck so wohl aller Arten der Ausdehnung, als auch der Menge und Zeitdauer
ist, wofür in einzelnen Fällen eigene und eigenthümliche Nahmen üblich sind. 1.
Überhaupt; wo der Plural so wohl von mehrern Individuis, als auch von mehrern
Arten üblich ist. Das Längenmaß, eine gerade Linie, oder ein Körper, welcher
eine gerade Linie ist, die Ausdehnung in die Länge, Breite, Dicke, Höhe oder
Tiefe darnach zu bestimmen. Von dieser Art ist das Maß der Schneider, obgleich
selbiges keine bestimmte Länge hat. Das Flächenmaß, eine Fläche von bekannter
Größe, eine unbekannte ihrem Flächeninhalte nach damit zu messen. Das
Körpermaß, ein Körper von bekanntem körperlichen Inhalte, den körperlichen
Inhalt eines andern darnach zu bestimmen. Das Zeitmaß, eine bekannte Zeitdauer,
die Dauer einer andern darnach zu bestimmen. Das Sylbenmaß, eine bekannte
Abwechselung langer und kurzer Sylben, andere darnach zu ordnen. So sind im
Feldmessen die Kette, die Ruthe, die Schnur, der Fuß, der Zoll u. s. f. im
Forstwesen der Spannring, im gemeinen Leben die Elle, die Klafter, die Spanne
u. s. f. lauter Maße, die Größe der Ausdehnung zu bestimmen, so wie Stunde,
Minute, Tag u. s. f. es für die Zeit, Malter, Scheffel, Kanne, Rößel u. s. f.
für den körperlichen Inhalt sind. Falsches Maß und Gewicht haben. Volles,
reichliches Maß geben, von Dingen, deren körperlicher Inhalt gemessen wird. 2.
In engerer Bedeutung führen verschiedene Arten der Maße anstatt eigener
Bedeutungen den Nahmen des Maßes. Das Winkelmaß, ein Werkzeug der Feldmesser
und Werkleute in Gestalt eines rechten Winkels, rechte Winkel damit zu
bestimmen, anderer zusammen gesetzten Ausdrücke zu geschweigen. Am häufigsten
ist es von gewissen Maßen des körperlichen Inhaltes; dagegen es von einem
gewissen Flächenmaße im weiblichen Geschlechte die Maße lautet,
S. dieses Wort. 1) Ein körperliches Maß trockener Dinge.
In einigen Gegenden ist das Maß oder Maß so viel als eine Klafter Holz, wo es
mit Malter und dem mittlern Latein Modulus, welche in gleicher Bedeutung
vorkommen, gleichbedeutend ist. Im Hüttenbaue hingegen ist ein Maß Röstholz ein
Haufen oder eine Zahl von 9 bis 10 Scheiten, deren jedes 5 Ellen lang ist. Noch
häufiger ist ein gewisses Maß des Getreides und anderer ähnlichen trocknen
Dinge. So hält ein Mutt Getreide in Bern 12 Maß oder Mäß, jedes von Immi oder 3
Achterli. In Elsaß hält ein Sester (Franz. Setier) 4 Quart oder Vierling oder
16 Mäßel; so wie in Böhmen ein Strich 4 Viertel, oder 16 Mäßel,
[
97-98] jedes zu 12 Seidel hält. In Ober- und
Niedersachsen und einem Theile Oberdeutschlandes hingegen, ist das Maß eines
der kleinsten Getreidemaße, welches gemeiniglich der vierte Theil einer Metze
ist, und in manchen Gegenden im Diminutivo Mäßel und Mäßchen lautet, dagegen in
andern ein Maß wieder in 2 Mäßel oder Mäßchen getheilet wird, welche an andern
Orten Nößel, Seidel u. s. f. heißen, so daß ein Scheffel, wenn er 16 Metzen
hat, auch 64 Maß oder Mäßchen hält. In Thüringen hingegen, wo ein Scheffel nur
4 Metzen hat, gehen auch nur 16 Mäßchen auf einen Scheffel. In Hamburg hält ein
Scheffel 2 Faß, oder 4 Himten, oder 16 Spint, oder 64 große Maß, jedes wieder
zu 2 kleinern Maßen; so wie in Hessen ein Himten 4 Metzen oder 16 Mäßchen hat.
In Nürnberg ist das Maß die Hälfte eines Diethäufleins, der 4te Theil eines
Diethaufens, und der 16te Theil einer Metze, oder der 128ste Theil eines
Malters. In Augsburg hält ein Schaff 8 Metzen, 32 Vierling, 128 Viertel, oder
512 Mäßel. 2) Ein körperliches Maß flüssiger Dinge, und zwar das gemeinste
kleinete Maß derselben, welches doch so wie das vorige nicht nur in
verschiedenen Gegenden von verschiedenem Inhalte ist, sondern selbst in Einer
Gegend nach Maßgebung des flüssigen Körpers selbst verschieden ist. So ist ein
Maß Bier oder Milch an den meisten Orten mehr als ein Maß Wein. An manchen
Orten sind Quart, Quartier, Pott und Kanne für Maß üblich, dagegen sie an
andern noch davon verschieden sind. In Cöln hält eine Ohm 20 Viertel, 104 Maß
oder 416 Pinten, dagegen eine Tonste daselbst 160 Viertel oder 640 Maß hält. In
Augsburg hält ein Fuder 8 Jez, 16 Munste, 96 Besons oder 768 Maß, jedes zu 2
Seidel oder 4 Quärtle. In Österreich hält ein Eimer Wein 4 Viertel, 40 Maß oder
Achtering, jedes zu 4 Seidel. In Zürich ist ein Eimer 4 Viertel, 32 Kopf, 64
Maß, 128 Quärtli oder 256 Stotzen; 1 Zürcher Maß ist so viel als 2 Hamb.
Quartier. In Bern gehen 25 Maß auf einen Eimer oder Brenten, dagegen im
Würtembergischen ein Ohm oder Eimer 16 Immi, oder 160 Maß hält, jedes zu 4
Quart oder Schoppen. In Frankfurt am Main und Hessen hält eine Ohm 20 Viertel
oder Quärtlein, oder 80 Maß, jedes zu 4 Schoppen. Im Osnabrückischen gehen 27
Viertel auf eine Tonne Bier, ein Viertel hält daselbst 4 Kannen, eine Kanne
oder Maß aber 4 Ort oder 16 Helfchen. In der Mark Brandenburg sind Maß und
Quart einerley, und jedes hält daselbst wiederum 2 Nößel. Anm. 1. In allen
diesen Fällen, wo dieses Wort ein bestimmtes Maß des körperlichen Inhaltes
trockner und flüssiger Dinge bezeichnet, bleibt es wie andere Wörter dieser Art
unverändert, wenn ein Zahlwort oder ähnliches Beywort vorher gehet. Sechs Maß
Bier, nicht Maße. Ich habe an diesem Scheffel schon mehrere Maß verloren. Es
sind gar viele Maß ausgelaufen. Selbst wenn sich noch ein anderes Beywort
dazwischen befindet. Zehn volle, sieben reichliche Maß. Anm. 2. Dieses alte
Wort lautet fast in allen obigen Bedeutungen im Isidor Mezssa, bey dem Kero
Mez, im Notker Meze, im Engl. Measure, und mit eingeschaltetem n im Lat.
Mensura. Andere Sprachen und Mundarten verwandeln den Zischlaut in das
gewöhnliche t oder d, wie das Nieders. Mat, das Angels. Maete, Mat, Mitta, das
Schwed. Matt, das Alban. Mata, das Lat. Modius, der Scheffel, und Meta, das
Ziel, das Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , und
Hebr. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , das Maß. Es ist
sehr wahrscheinlich, daß der Begriff der Gränze eine der ersten Bedeutungen
dieses Wortes ist, woraus zugleich dessen Verwandtschaft mit Mahl und Mark
erhellet, welche Wörter nur in den Ableitungssylben verschieden sind, und daher
auch mehrere Bedeutungen mit einander gemein haben, oder doch gehabt haben. Im
Dän. heißt das Maß Maal. In [
97-98] der Bedeutung
eines Maßes des körperlichen Inhaltes tritt zugleich der Begriff der Vertiefung
oder eines Gefäßes mit ein, wohin denn auch das alte Gothische Mes, eine
Schüssel, Pohln. Misa, gehöret. (
S. Meste, Metze, Model, Muth in der Oberd. Bedeutung eines
Getreidemaßes, Muschel u. s. f.) welche insgesammt mit diesem Worte
verwandt sind. In Dickmaß und Gliedmaß gehöret die letzte Hälfte zu andern
Stämmen. Anm. 3. Um den gedehnten Ton des a merklicher zu machen, schreiben
viele dieses Wort Maaß; allein alsdann müßten sie auch den Imperfectum des
Zeitwortes ich maaß, ingleichen määßig und Määßigkeit schreiben, weil das ä als
kein eigentlicher Diphthonge so wohl lang als kurz seyn kann. Da nun in den
letztern Fällen noch niemand ein doppeltes aa oder ää zu schreiben für gut
gefunden, so kann man es auch hier weglassen, zumahl da das ß, welches hier
einen Zischlaut zwischen dem s und ss hat, wie aus der Verlängerung die Maße
erhellet, die Dehnung des vorher gehenden Selbstlautes schon zur Genüge
sichert. Im Oberdeutschen ist dieses Wort auch sehr häufig weiblichen
Geschlechtes, besonders in der Bedeutung eines Concreti, oder bestimmten Maßes
des körperlichen Inhaltes. Einige Sprachlehrer haben daher die Regel gegeben,
daß dieses Wort in der allgemeinen Bedeutung ungewissen, in der engern
concreten Bedeutung hingegen weiblichen Geschlechtes sey. Diese Regel kann
vielleicht für die Oberdeutsche Mundart, nicht aber für die Hochdeutsche
gelten, wo Maß nur in den folgenden Fällen weiblichen Geschlechtes ist, wo es
aber auch Maße lautet. [
97-98]