Lose
Lose,
[
2105-2106] -r, -ste, adj. et adv. welches
die Bedeutungen der Wörter los, leicht und liederlich in sich zu vereinigen
scheinet. Es bedeutet, 1. In mehr eigentlichem Verstande. 1) * Nicht die
gehörige Festigkeit habend, in welcher aber los ohne e euphonicum üblicher ist,
(
S. dasselbe.) 2) * Leicht. In den Monseeischen Glossen
wird loser ausdrücklich durch levis erkläret. Der Übergang der Hauch- und
Gaumenlaute in den Zischlaut ist in allen Sprachen etwas gewöhnliches. In
dieser allgemeinen Bedeutung ist es veraltet, außer daß es im gemeinen Leben
einiger Gegenden noch von dem Gelde gebraucht wird, auf eine fehlerhafte Art
leicht. Loses Geld, welches nicht das gehörige Gewicht, und in weiterer
Bedeutung, nicht die gehörige Güte hat, leichtes, liederliches Geld. Am
häufigsten kommt es, 2. Im figürlichen Verstande vor, wo es in einer doppelten
Hauptbedeutung gefunden wird. 1) Von einer fehlerhaften unrechtmäßigen
Beschaffenheit, nicht die gehörige Güte und innere Festigkeit habend. (a) *
Nicht die gehörige innere Güte, nicht die gehörige Tauglichkeit habend, für
schlecht, liederlich, elend; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Uns
ekelt vor dieser losen Speise, 4 Mos. 21, 5; von dieser elenden Speise,
Michael. Ein loses Band für einen Gürtel, Es. 3, 24. Wenn sie solche lose Dinge
und Bilder aus irdischem Thone machen, Weish. 15, 13. Lose Worte, Hiob. 15, 2;
Kap. 16, 3; windige, Michael. Und so in andern Stellen mehr. Ehedem sagte man
auch loses Geld, falsches, unechtes. Wo es denn ehedem auch im thätigen
Verstande für betrüglich gebraucht wurde, da auch die Hauptwörter Los und
Losheit für Betrug üblich waren. (b) Keine beständige Wohnung habend, aus
Abneigung vor aller bürgerlichen Ordnung eigenen Vermögens und einer eigenen
Wohnung beraubt, womit zugleich die Ausschweifung in den Sitten verbunden ist;
eine ehedem sehr gangbare Bedeutung, welche im Hochdeutschen wenig mehr
vorkommt. Loses Gesindel, herum streichendes, armes, liederliches Gesindel. Du
wolltest deine Magd nicht achten, wie ein loses Weib, 1 Sam. 1, 16. Lose Buben,
1 Kön. 21, 13. Abimelech dingete lose leichtfertige Männer, Richt. 9, 4;
liederliche Leute, die nicht viel zu verlieren hatten, Michael. Es sammelten
sich zu ihm lose Leute, Richt. 11, 3; die nichts hatten, Michael. Du loser
Mann, Hiob 34, 18; du Niederträchtiger, Michael. Besonders für liederlich,
leichtfertig, so fern es auf eine grobe Art den Wohlstand und die guten Sitten
beleidigend bedeutet. Wie sich die losen Leute entblößen, 2 Sam. 6, 20. (c)
Beleidigend, ehrenrührig, die gehörigen Schranken der Achtung und Ehrerbiethung
verletzend; in welchem Verstande man noch im gemeinen Leben sagt, einem lose
Worte geben, ihn durch Worte beleidigen. Ein loses Maul haben, im Reden die
Achtung gegen andere, und in weiterer Bedeutung, die Behutsamkeit übertreten.
(d) * Lasterhaft, boshaft; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung welche
noch häufig in der Deutschen Bibel angetroffen wird. Die Kinder loser und
verachteter Leute, Hiob 30, 8; Söhne des Lasterhaften und Söhne des
Unbekannten, Michael. Er kennet die losen Leute, Kap. 11, 11; die schädlichen
Leute, ebend. Des Jüngern wird stolz seyn wider den Alten, und ein loser Mann
wider den ehrlichen, Es. 3, 8.
Es ist dein Heil und Gnade weit darvon, Wo lose Leut in
Bosheit ganz erwarmen, Opitz, Ps. 119, Das lose Volk zwar lauert listiglich,
Und ist gemeynt, mich grausam umzubringen, ebend.
In dieser Bedeutung war ehedem auch das Hauptwort die Losheit
üblich.
Diu loshait die man wilent schalt Diu ist unverschamet,
Heinrich von Veldig.
2) In guter, wenigstens unschuldiger Bedeutung. (a) *
Angenehm, lieblich, schön; eine längst veraltete Bedeutung, welche bey den
Dichtern des Schwäbischen Zeitalters häufig angetroffen wird.
Gegen der vil klaren losen, König Wenzel. Swie gar ich
umbevangen het Ir klaren zarten suessen losen lieben lip, ebend. Michsol din
hochgezierter loser lieber lip In keinen senden sorgen lan, ebend. Swas ich
rosen ie gesach Da gesach ich nie so losen rosen, Gottfried v. Nifen. Ein wip
die loslich lachen kan, Marggr. Heinr. von Meißen.
(b) * Schmeichelhaft; eine gleichfalls veraltete Bedeutung,
in welcher auch das Zeitwort losen für schmeicheln üblich war. Im Franz. ist
daher Losenge, und im mittlern Lat. Losinga, die Schmeicheley. (c) Scherzhaft,
munter, leichtfertig, schalkhaft, muthwillig, als eine Figur so wohl von
leicht, als auch von los; eine in der vertraulichen Sprechart noch sehr übliche
Bedeutung. Sie sind heute sehr lose. Ein loser Vogel, ein loser Gast, ein
leichtfertiger Mensch. Ein loses Kind. Ihr losen Mädchen thut immer als wenn
euch nichts an den Männern läge, Gell. Im Dän. los,
S. auch Lustig. Anm. Das e am Ende ist das mildernde e,
welches durch die gelinde Aussprache des s, welche dieses Wort im Hochdeutschen
hat, nothwendig gemacht wird. Härtere, besonders Oberdeutsche Mundarten
sprechen es los. Ob sich gleich alle obige Bedeutungen sehr leicht als Figuren
von den verwandten Wörtern los und leicht erklären lassen, so ist es doch
möglich, daß dieses Wort in einigen Bedeutungen auch zu einem andern Stamme
gehören kann. [
2107-2108]