2. Locken
2. Locken,
[
2087-2088] verb. reg. act. et neutr.
welches im letztern Falle das Hülfswort haben bekommt. 1. In der engsten
Bedeutung, wo es eine sinnliche Nachahmung desjenigen Lautes ist, womit nicht
nur manche Thiere einander rufen, sondern auch, womit Menschen Thiere an sich
rufen. Im ernstern Falle wird dieses Wort bey den Jägern besonders von den
Turteltauben gebraucht, weil ihre Stimme dem Schalle des Wortes locken am
nächsten kommt. Von den Ringel- und Blautauben hingegen ist heulen, von den
Haselhühnern pisten, von wilden Gänsen, Änten, Wachteln u. s. f. rufen üblich.
In etwas weiterer Bedeutung wird auch ein Thier gelocket, wenn man dasselbe
durch Nachahmung seiner eigenthümlichen Stimme zu sich rufet. Daß locken in
dieser eigentlichen Bedeutung eine Nachahmung des Schalles ist, erhellet aus
den verwandten Wörtern lachen, Glocke, der letzten Hälfte des Wortes
frohlocken, schlagen, so fern es von dem Schalle gebraucht wird, und andern.
Bey dem Hornegk ist lauchen rufen, einladen überhaupt. 2. Figürlich, durch
Vorstellung eines Guten, besonders eines sinnlichen Guten, an einen Ort zu
kommen, und in weiterer Bedeutung zu etwas zu bewegen, suchen. 1) Durch
hingelegte Speise. So werden die wilden Vögel auf den Vogelherden durch
abgerichtete zahme Vögel gelockt. (
S. Lockvogel.) Wilde Thiere, welche man fangen will,
lockt man durch hingestreuete oder hingelegte Speise in die Schlingen, in die
Fallen u. s. f. welches im gemeinen Leben auch körnen, aßen, ludern u. s. f.
genannt wird.
S. Lockpfeife.
Wib und vederspil die werden lihte zam, Swer si zerehte luket
so suochent si den man, Herr Ditmar von Ast.
2) Durch Freundlichkeit, durch List, oder auch überhaupt
durch Vorhaltung der Bewegungsgründe gegenwärtig werden lassen oder zu etwas
bewegen. Jemanden zu sich locken, an sich locken. Wenn dich die bösen Buben
locken. Ein Frevler locket seinen Nächsten, und führet ihn auf keinen guten
Weg, Sprichw. 16, 29. Sie locken an sich die leichtfertigen Seelen, 2 Pet. 2,
14. Den Feind zur Schlacht locken. Ein Geheimniß von jemanden heraus locken.
Jemanden auf seine Seite locken. Einem nach und nach viel Geld ablocken. Da
dieses Zeitwort gemeiniglich die Verheimlichung der Absicht mit in sich
schließet, so wird es auch am häufigsten im nachtheiligen Verstande gebraucht.
Indessen finden sich auch Beyspiele genug, wo es in gleichgültiger und selbst
guter Bedeutung gebraucht wird. Der Herr wird die Heiden locken vom Ende der
Erde, Es. 5, 26.
Und ganzen Scharen Lock er die Thränen ins Gesicht, Gell.
Daher die Lockung, plur. die -en, so wohl von der Handlung,
ohne Plural, als auch von den Worten und Bewegungsgründen, wodurch man jemanden
zu etwas zu locken sucht. Anm. Bey dem Notker lucchin und ferlucchin in
figürlichem Verstande, im Niedersächsischen, wo es auch schmeicheln und
liebkosen bedeutet, locken, im Dän. lokke, im Isländ. und Schwed. locka, im
Pohln. ludze. Daß den alten Römern auch ein Zeitwort lacio in diesem Verstande
bekannt gewesen, erhellet aus dem zusammen gesetzten allicio. Einige
Schriftsteller verbinden es mit der dritten Endung des Hauptwortes, einem
locken, welches aber wider den allgemeinen Gebrauch ist, auch aus dem Passivo
als irrig erwiesen werden kann. Da man sagt, ich werde gelockt, so erfordert
das Activum die vierte Endung. Hätte es die dritte, so müßte es im Passivo
heißen, mir ist gelockt worden. [
2089-2090]