Lieber
Lieber,
[
2059-2060] 1. Der Comparativ des Bey- und
Nebenwortes lieb, welcher vornehmlich als ein Nebenwort gebraucht wird, einen
höhern Grad der Neigung zu einer Sache oder Veränderung zu bezeichnen, als zu
einer andern, wo es den Comparativ zu gern abgibt, so wie am liebsten den
Superlativ. Mein Herz wollte lieber alles für dich leiden, als dich verlassen,
(
S. Lieb.) Wo es denn auch häufig figürlich für vielmehr,
potius, gebraucht wird. Sie hätten lieber meine Tochter auch zu der galanten
Lebensart anführen wollen, Gell. Ich weiß, daß sie sechzig sind - Warum nicht
lieber achtzig? ebend. Ingleichen mir einer Ellipse für, es ist besser. Lieber
das schwächliche Kind um seiner Bosheit willen bis auf das Blut gestraft, als
in ihm ein unseliges Geschöpf aufwachsen zulassen, ebend. Lieber alles
verloren, als die Ehre. Lieber todt, als ungetreu. Nieders. lever, leverst. 2.
Der Vocativ des Adjectives lieb, besonders so fern er die Stelle einer
Interjection vertritt, jemanden auf eine freundschaftliche, vertrauliche Art
anzureden. Lieber, laß nicht Zank seyn, 1 Mos. 13, 8. Da sprach der Dirnen
Vater zu dem Mann: Lieber, bleibe über Nacht, Richt. 19, 6. Denn sie sprach,
lieber, laß mich auflesen, Ruth 2, 7.
Ey lieber, geht doch gleich und bringt ihn eilend her.
Günther.
Es ist in dieser Bedeutung, in welcher es im Hochdeutschen
nur selten vorkommt, das Beywort lieb, worunter Freund oder ein anderes
Hauptwort verstanden werden muß; ob es gleich unabänderlich gebraucht wird,
ohne Unterschied so wohl des Geschlechtes, als der Zahl.