Leihen
Leihen,
[
2011-2012] verb. irreg. act. Imperf. ich
liehe, Mittelw. geliehen, Imperf. liehe; welches in zwey dem Anscheine nach
einander entgegen gesetzten Bedeutungen vorkommt. 1. Des Gebens. 1) * Geben
überhaupt, und im engern Verstande schenken; eine im Hochdeutschen veraltete
Bedeutung, welche sich nur noch in dem zusammen gesetzten Verleihen erhalten
het. Leh ihn lib, daß er ihnen das Leben schenkte, Ottfried. Das Isländ. lia
bedeutet gleichfalls schenken, geben. 2) In engerer Bedeutung, den Gebrauch
oder Mießbrauch einer Sache auf einige Zeit verstatten; wo es von beweglichen
Dingen am häufigsten, von unbeweglichen Dingen aber wohl nur allein gebraucht
wird, wenn man einem andern den Gebrauch umsonst und unentgeldlich verstattet.
Einem sein Haus, seinen Garten, seinen Acker auf acht Tage leihen. Leihe mir
dein Pferd, das Buch. Einem Korn, Holz u. s. f. leihen. Lieber Freund, leihe
mir drey Brote, Luc. 11, 5. Von dem Gelde kann dieses Zeitwort in allen Fällen
gebraucht werden, man mag den Gebrauch desselben umsonst oder gegen eine
Vergeltung verstatten. Geld auf Pfänder leihen. Einem Geld ohne Zinsen leihen.
Sein Vermögen auf Grundstücke leihen. Wenn du Geld leihest meinem Volke, solt
du keinen Wucher auf ihn treiben, 2 Mos. 22, 25. Wohl dem, der gerne leihet,
Ps. 12, 5. Er wird dir leihen, du aber wirst ihm nicht leihen, 5 Mos. 28, 44.
Von andern beweglichen und unbeweglichen Dingen, sind, wenn der Mießbrauch
vergütet wird, auch die Zeitwörter vermiethen und verpachten üblich. 3) In noch
engerer Bedeutung, zu Lehen geben, die Lehen über etwas ertheilen, belehnen;
eine nur noch zuweilen bey den Schriftstellern des Lehenrechtes übliche
Bedeutung. Das si lihe mir ze lehen, Burckh. von Hohenfels. So man im daz gut
lihet, Schwabenspiegel. 2. Des Nehmens, wo es nur in der vorigen zweyten engern
Bedeutung vorkommt, als ein Darlehen bekommt, empfangen. Geld von einem leihen.
Das Buch ist nicht mein, ich habe es nur geliehen. Ein geliehenes Pferd, ein
entlehntes. Das Hauptwort die Leihung ist nur in den Zusammensetzungen üblich.
Anm. In der zweyten Bedeutung des Gebens ist dieses Wort vorzüglich im
Oberdeutschen und in der anständigen Schreibart der Hochdeutschen für das
gemeinere lehen üblich; in der Bedeutung des Nehmens aber kommt es wohl nur am
häufigsten im gemeinen Leben für lehnen oder entlehnen vor. Indessen ist doch
dieser Unterschied nur erst in den neuern Zeiten aufgekommen; denn in den
vorigen wurden lehnen und leihen, so wie borgen, so wohl von dem Geben, als von
dem Nehmen gebraucht. Der Grund scheinet in der Abstammung zu liegen. Denn
leihen, bey dem Kero und Ottfried lihen, in härtern Mundarten lichen, liegen,
(wohin auch das Lat. locare gehöret,) stammet allem Ansehen noch von dem
Wallis. Lla. Llaw. die Hand, her, wohin auch unser liefern, so wie das Herb.
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hier nichtlateinischer Text, siehe Image - (avah) leihen und
entlehnen, gehören. In dem leihvan, leihen, des Ulphilas, hat sich das v noch
erhalten. Das Geben geschieht so wohl mit der Hand, als das Nehmen. Vermittelst
der Ableitungssylbe -nen, ist aus leihen, lehen, lehenen, lehnen gebildet
worden,
S. dieses Wort.