Klug
Klug,
[
1643-1644] klüger, klügste, adj. et adv.
welches ehedem eigentlich sehend, und in engerer Bedeutung scharf sehend, weit
um sich sehend bedeutete, aber in diesem Verstande längst veraltet, und nur
noch im figürlichen Sinne von dem Sehen mit den Augen des Geistes üblich ist.
1. In weiterer Bedeutung, für vernünftig, Einsicht in den Zusammenhang der
Dinge habend, und in dieser Einsicht gegründet. 1) Absolute, Vernunft oder
Verstand habend, des Gebrauches derselben fähig; wo es nur im gemeinen Leben
mit der Verneinung und als ein Nebenwort gebraucht wird. Ich glaube, du bist
nicht klug. Man siehet wohl, daß sie nicht recht klug sind, nicht wohl bey
Verstande sind; wofür auch das Wort gescheidt gebraucht wird. 2) Viel Vernunft,
viel Einsicht in den Zusammenhang der Dinge habend, und darin gegründet. Der
klügste gibt nach. Ein kluges Kind. Vor den Jahren klug werden. Das Ey will
klüger seyn, als die Henne. Klüger thun, als es sich für seine Jahre schickt.
Dein Wort machet klug die Einfältigen, Ps. 119, 130. Daß es ein lustiger Baum
wäre, weil er klug machte, 1 Mos. 3, 6; als könnte er Verstand geben, Michael.
Man kann kein kluges Wort mit ihm reden. Durch Schaden klug werden. Altklug,
mehr Einsicht habend, als den Jahren nach gewöhnlich ist. Staatsklug, Einsicht
in Staatssachen habend. Weltklug, Einsicht in Welthändel habend. In engerer
Bedeutung ist eine kluge Frau, im gemeinen Leben, so wie 2 Sam. 14, 2, eine
Frau, welche verborgene Einsichten besitzet, z. B. die Gabe der Prophezeihung,
der schwarzen Kunst u. s. f. welche auch wohl eine weise Frau genannt wird. 3)
Auch nur in Betrachtung einzelner Fälle; nur als ein Nebenwort. Ich kann aus
der Sache nicht klug werden, kann ihren Zusammenhang nicht einsehen, kann nicht
daraus gescheidt werden, kann mich darein nicht finden. Ich habe noch nicht
klug aus ihm werden können. Jetzt bin ich so klug, wie vorher. 2. In engerer
Bedeutung: 1) Geschickt; nur noch im gemeinen Leben. Ein kluger Meister, der
ein Bild fertige, das beständig sey, Es. 40, 20. Ein kluger Redner, Es. 3, 3.
2) Gelehrt; gleichfalls nur noch im gemeinen Leben. Das Evangelium zu predigen,
nicht mit klugen Worten, 1 Cor. 1, 7. Kluge Fabeln, 2 Pet. 1, 16. 3) Fertigkeit
besitzend, sich in alle Umstände zu schicken und dieselben vortheilhaft zu
gebrauchen, und in dieser Fertigkeit gegründet. Ein kluger Kopf. Das war klug
gemacht. Seine Sachen sehr klug einrichten. Das ist der klügste Rath, den man
ihm geben kann. Ein kluger Streich. In der engsten und wissenschaftlichen
Bedeutung bezeichnet es nur die rechtmäßige Anwendung dieser Fertigkeit; zum
Unterschiede von dem schlau und listig. Ein kluger Redner. Ein kluger
Haushalter. Eine kluge und von allem Geitze entfernte Sparsamkeit. Die kluge
Einfalt. Ein kluges Herz handelt bedächtiglich, aber die kühnen Narren regieren
närrisch, Sprichw. 15, 2. Anm. 1. Bey dem Kero als ein Nebenwort claulicho, bey
dem Ottfried glau, im Angels. gleaw, im Nieders. noch jetzt glau,
scharfsichtig, woraus durch Verstärkung des Gaumenlautes unser klug, Nieders.
klook, Dän. glog und klog, Schwed. klok, Isländ. klokr, glöggr, und durch den
vorgesetzten Zisch- laut aus glau unser schlau, und aus klug das heutige
Oberschwäbische schlug, für schlau, geworden sind. Das ältere glau bedeutete
eigentlich hell, und wird noch jetzt im Niedersächsischen von dem Wetter
gebraucht, glaues Wetter, helles Wetter; ingleichen von den Augen, glaue Augen,
helle, glänzende Augen. Es stammet entweder von glühen, oder unmittelbar von
dem alten noch im Oberdeutschen üblichen Zeitworte lugen, sehen, ab, Griech.
-
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , Engl. to look, wovon
auch unser lauschen, und durch vorgesetzten Gaumenlaut, so wohl unser klug, als
das alte Schwed. glugga, einsehen, herkommen. Klug bedeutet also, so wie die
Lat. providus, circumspectus, eigentlich, das Vermögen besitzend, weit und
helle um sich zu sehen, und in der letzten figürlichen Bedeutung, das Vermögen,
alle Umstände vortheilhaft zu nutzen, welches nur durch Erfahrung erworben
wird, dagegen sich weise der Abstammung zu Folge zunächst auf die Erkenntniß
und Wissenschaft beziehet. Anm. 2. In den gemeinen Sprecharten gibt es noch
eine doppelte Bedeutung dieses Wortes, in welchen es wirklich von einem andern
Stamme zu seyn scheinet. In Tirol ist das Kluge die fette, fruchtbare
Gewächserde, im Gegensatze der tauben unfruchtbaren Erde. Es scheinet in dieser
Bedeutung aus Kley entstanden zu seyn, und zunächst den Begriff der zähen,
zusammen hangenden Fettigkeit zu haben; (
S. der Kley,) welches in einigen Gegenden gleichfalls
ungewissen Geschlechtes ist, und in dem Munde des hauchenden Oberdeutschen
leicht in Klug übergehen konnte. In andern Oberdeutschen Gegenden bedeutet klug
karg, und da scheinet es eine Figur der vorigen Bedeutung zu seyn, indem man
für karg auch zähe, und im Latein. tenax sagt. [
1645-1646]