Kiesen
Kiesen,
[
1571-1572] verb. reg. act. et neutr.
welches jetzt, außer dem gleichfalls seltenen erkiesen, im Hochdeutschen
veraltet ist, und ehedem überhaupt durch die Sinne empfinden, von allen Sinnen
gebraucht wurde. Für sehen befindet es sich noch in dem Heldenbuche; Wer diesen
Helm treit, den kieset man kein Hanbet ein ganze Kaste breit. Für empfinden
überhaupt stehet es in einem alten Gedichte in Eckards Scriptor. bey dem
Frisch, Schmerzen und Not kiesen, empfinden. In engerer und gewöhnlicherer
Bedeutung bedeutete es vermittelst der Sinne untersuchen. In diesem Verstande
ist an einigen Oberdeutschen Orten noch der Kieser oder Weinkieser eine
öffentliche Person, welche den Wein kostet und nach Befinden taxiret. (
S. Kosten,) welches das Intensivum davon ist. In noch
engerer Bedeutung, vermittelst der Sinne untersuchen, um das Beste davon zu
wählen, und hernach auch für auslesen, aussuchen, ja wählen überhaupt, in
welchem Verstande es theils noch in erkiesen üblich ist, theils auch noch für
sich allein im gemeinen Leben hin und wieder gehöret wird. Der ältere muß auf
des jüngern Begehren kiesen, d. i. wählen. Anm. Für erwählen kommt es noch bey
dem Logau und dessen Zeitgenossen vor. Bey dem Ottfried, der es zugleich
irregulär abwandelt, kiusen, im Imperf. kos, im Nieders. kösen, Kösing, die
Wahl, bey dem Ulphilas kausjan, im Angels. ceofan, und cysan, im Engl. to
choose, im Schwed. kesa, im Isländ. kiosa, im Franz. choisir. Nach einer
gewöhnlichen Verwechselung des r und s ist daraus köhren entstanden,
S. dasselbe. [
1571-1572]