Kennen
Kennen,
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1547-1548] verb. irreg. neutr. Imperf.
ich kannte; Conj. kennete; Mittelw. gekannt. Es bekommt das Hülfswort haben,
erfordert allemahl die vierte Endung der Sache, und ist in einer doppelten
Hauptbedeutung üblich. 1. Eine klare, besonders sinnliche Vorstellung von einem
Dinge bekommen, doch nur, so fern man sich dabey bewußt wird, daß man von
diesem Dinge schon vorher klare Vorstellungen gehabt habe; in der feyerlichen
Schreibart erkennen. Endlich kannte ich ihn. Ehe denn einer den andern kennen
möchte, Ruth 3, 14. Jetzt kenne ich die Hand, ich weiß, wenn sie zugehöret. Das
Merkmahl bekommt das Vorwort an. Man kennet den Vogel an den Federn. Ich kannte
ihn an seiner Stimme. (
S. Erkennen 4.) In dieser Bedeutung wird es auch
zuweilen, aber nur selten, als ein Activum gebraucht. Ich wurde von ihm nicht
gekannt, besser erkannt. 2. Eine durch die Sinne gewirkte Vorstellung von einem
Dinge haben, so daß man es von andern unterscheiden kann; ein Ding vorher auf
eine klare Art empfunden haben. 1) Überhaupt, wo die Art und Weise dieser
Vorstellung durch Beysätze bestimmet wird. Ich kenne diese Waare nur von Hören
sagen, aus der Beschreibung anderer. Ich kenne ihn nur von weiten, sehr wenig,
nur dem Nahmen nach, von Gesichte u. s. f. Er kennet es sehr genau, von innen
und außen. 2) In engerer Bedeutung, da die Art und Weise des Kennens so
vielfach ist, als es Merkmahle gibt, welche der Grund der klaren Vorstellung
sind. (a) In Ansehung des Nahmens, der Gestalt, des Ortes und anderer äußern
Umstände. Die Karten kennen, wissen, wie sie heißen, und was sie bedeuten. Das
Kind kennet die Buchstaben schon. Eines Hand kennen. Kennest du diesen Baum?
weißt du wie er heißt, wo er wächst? Ich kenne dieses Land. Ich kenne den
Menschen nicht. Alle Straßen in einer Stadt, alle Stege und Wege kennen,
wissen, wie sie heißen, wo sie liegen und wohin sie gehen. Ein Ochs kennet
seinen Herren. Man kennet ein Buch, so wohl wenn man dessen äußere Gestalt,
dessen Besitzer u. s. f. weiß, als auch, wenn man von dessen Inhalt und Güte
eine klare Vorstellung hat. In allen diesen und andern Fällen liegt der Umstand
zum Grunde, daß man ein Ding vorher empfunden habe, daß man es aus eigener
Erfahrung kenne. In andern ist dieser Begriff der herrschende. Ich kenne deinen
Ungehorsam. Man kennet schon seine Beredsamkeit. In Afrika kennet man weder
Kälte noch Schnee. Lernen sie mir nur die Liebe erst kennen, Gell. Ich empfand
eine Blödigkeit, die ich bisher noch nicht gekannt hatte. (b) In engerer
Bedeutung, aus dem Umgange kennen, Umgang mit jemand haben oder gehabt haben.
Wir kennen jemanden nicht, wenn wir gleich seinen Nahmen und äußern Umstände
wissen, aber keinen Umgang mit ihm haben, oder gehabt haben. Wir haben einander
erst neulich kennen gelernt. (c) In noch engerer Bedeutung, die Eigenschaften,
die Verhältnisse, das Wesen eines Dinges kennen, eine deutliche Vorstellung von
demselben haben; eine Kenntniß, welche wiederum verschiedener Stufen fähig ist.
Gott kennet die Herzen, 1 Kön. 8, 39; Luc. 16, 15. Er gibt vor, daß er Gott
kenne, Weish. 2, 13. Der Herr kennet die Seinen, 2 Timoth. 2, 19. Ich kenne
meine Leute. Man glaube seinen Freund zu kennen; aber das Glück ändert oft
viel. Sich selbst kennen, ist die größte Kunst. Wer ihn kennt, der kauft ihn
nicht. Wenn manches Thier seine Kräfte kennete, es würde sich von dem Menschen
oft nicht so mißbrauchen lassen. Stax kennet sich vor Stolz nicht mehr.
Gemählde kennen. (d) In der engsten Bedeutung, mit Einfluß auf den Willen
kennen. Sein Glück verblendet ihn, er kennet seine Freunde nicht mehr. Der
Tapfere kennet keine Gefahr, er scheuet sie nicht. Sie kennen den Weg des
Friedens nicht, Es. 59, 8. Der Mensch, der seinen Schöpfer zu kennen vorgibt,
und doch nichts gegen ihn fühlt, verdient den Nahmen des Menschen nicht, Gell.
Das Hauptwort die Kennung ist nur in einigen Zusammensetzungen, allein aber nur
in Einem Falle üblich,
S. dasselbe besonders. Anm. Im Isidor chennan, bey dem
Ottfried kennan, im Angels. connan, im Engl. to ken, im Schwed. kaenna, im Dän.
kiände. Es kommt mit dem Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe
Image - , -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , wissen,
verstehen, des Hesychius genau überein, so wie es in den ältern Sprachen und
Mundarten auch häufig für wissen gebraucht wurde. Noch jetzt vertritt es dessen
Stelle oft, doch nur alsdann, wenn die vierte Endung der Sache Statt findet, so
wie wissen am häufigsten mit dem Bindeworte daß verbunden wird. Mit können
scheinet dieses Zeitwort genau verwandt zu seyn, indem dieses sehr oft auch für
wissen, verstehen, gebraucht wird. Bey dem Ulphilas ist kunnan und im Präsenti
kann, wissen. Das Schwed. kaenna, und selbst unser Deutsches kennen, bedeutete
ehedem noch, 1) durch die Sinne empfinden, von allen Sinnen gebraucht, welches
vielleicht eine der ersten Bedeutungen ist, 2) lernen, 3) lehren, 4) anklagen,
5) zuschreiben, beylegen, 6) untersuchen, 7) bekennen, 8) erkennen, von der
innern Überzeugung u. s. f. welche Bedeutungen zum Theil noch in den zusammen
gesetzten bekennen und erkennen üblich sind. Wenn man erwäget, daß die
Verdoppelung des n ein Zeichen eines Iterativi oder Intensivi ist, und daß alle
Wirkungen des Verstandes von körperlichen Wirkungen hergenommen sind; so wird
es nicht schwer seyn, die erste eigentliche Bedeutung dieses Wortes zu finden,
welche sich indessen bey dem hohen Alten desselben nur errathen lassen würde.
Die Wortfügung mit der zweyten Endung, ich kenne des Menschen nicht, Matth. 26,
72 - 74, ist im Hochdeutschen völlig ungewöhnlich.
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1549-1550]