Helfen
Helfen,
[
1095-1096] verb. irreg. neutr. Präs. ich
helfe, du hilfst, er hilft, wir helfen u. s. f. Conjunct. ich helfe, du
helfest, er helft u. s. f. Imperf. ich half; Conjunct. ich hülfe; Mittelw.
geholfen; Imperat. hilf. Es bekommt das Hülfswort haben, und hat zwey
Hauptbedeutungen. 1. Jemandes Zustand vollkommener machen 1) Eigentlich,
wenigstens der wahrscheinlichsten Abstammung nach, jemandes Heil, d. i.
Gesundheit wieder herstellen. Der Arzt kann hier nicht mehr helfen. Die Arzeney
hat wenig geholfen. Diese Arzeney hilft für oder wider das Fieber. Die Natur
hilft sich selbst. Wenn die Person ausgedruckt wird, so stehet selbige ohne
Ausnahme in der dritten Endung. Arzt hilf dir selber, Luc. 4, 23. Welche auch
im Passivo bleibet, ungeachtet dieses seltener vorkommt. Mir wurde geholfen. 2)
In weiterer Bedeutung, von einer Noth, von einer Gefahr, von einer Verlegenheit
befreyen. Wie ist da zu helfen. Das Übel ist zu groß, hier ist nicht mehr zu
helfen. Ingleichen mir der dritten Endung der Person. Hilft dir der Herr nicht,
woher soll ich dir helfen? 2 Kön. 6, 27. Gott hilft dem Elenden, Hieb 40, 9. Er
weiß sich nicht zu helfen. Wem nicht zu rathen ist, dem ist auch nicht zu
helfen. Seinem Freunde mit Gelde, mit Rath und That, helfen. Ich konnte mir
nicht helfen, es mußte heraus. Auch im Passivo. Nun ist mir geholfen. Damit ist
mir nicht geholfen. Gott helf! ein gewöhnlicher Glückwunsch gegen Niesende,
dessen Ursprung sich in dem höchsten Alterthume verlieret, und schon bey den
Griechen -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - lautete. Wenn
die Sache, von welcher man befreyet wird, ausgedruckt werden soll, so
geschiehet solches vermittelst eines Vorwortes. Der Herr hilft in der Noth,
Sir. 2, 13. Herr hilf mir von allen meinen Verfolgern, Ps. 7, 2. Du hilfest ihm
von aller seiner Krankheit, Ps. 41, 4. Helfen sie mir von diesem Menschen,
befreyen sie mich von ihm. Jemanden von seinem Vermögen helfen, figürlich, ihn
darum bringen, machen, daß er es verliere. Gott der euch aus all eurem Unglück
geholfen hat, 1 Sam. 10, 19. Der Herr half ihm aus allen seinen Nöthen, Ps. 34,
7. 3) In der weitesten Bedeutung, jemandes Heil, d. i. Wohlfahrt befördern,
seinen Zustand vollkommner machen. Was hilft das bloße Ansehen? was nützet es?
Am häufigsten gleichfalls mit der dritten Endung der Person. Das hilft dir,
aber mir nicht. Wem hat es geholfen? Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze
Welt gewönne? Matth. 16, 26. Indessen findet man es in dieser Bedeutung auch
häufig mit der vierten Endung, entweder nach dem Muster der Niedersachsen, oder
als eine Nachahmung des Latein, juvare.
Was hilfet si ir arger list, Reinmar der Alte. Was hilfet mich
die sumer zit Vnde die villiechten langen tage, König Conrad der Iunge.
Was hilft michs? 1 Cor. 15, 23. Sir 11, 24. Was hilft dichs?
Ier. 2, 18. Das möchte dich helfen, Judith 10, 16. Es hilft dich nicht, Sir. 5,
10. Es half sie nichts, Marc. 5, 26. Das Wort der Predigt half jene nicht,
Hebr. 4, 2. Was hülfe sie das? Jac. 2, 16. Was hilft michs, daß ich es gethan
habe? Reichard, Bödicker und Aichinger geben die Regel, daß helfen, wenn es in
dieser Bedeutung unpersönlich stehe, die vierte Endung erforderte. Aus den
jetzt angeführten Beyspiele erhellet, daß diese Regel, wenn sie brauchbar seyn
soll, zu enge eingeschränket ist. Am besten thut man ohne Zweifel, wenn man dem
Zeitworte auch hier die dritte Endung der Person lässet, und die angeführten
gegenseitigen Beyspiele für das hält, was sie wirklich sind, nehmlich
Eigenheiten einer oder der andern Mundart. 2. Seine Kräfte mit den Kräften
eines andern zur Erreichung eines Endzweckes vereinigen, einem andern in
Erreichung einer Absicht beystehen; gleichfalls mit der dritten Endung der
Person. Einem helfen. Es will uns niemand helfen. Einem mit Rath, mit der That
helfen. Gott helf euch! Ein gewöhnlicher Gruß gegen arbeitende Personen, dessen
Hugo de Nigella in Leibnitzens Accessionibus schon bey dem Jahre 1199 gedenket.
Die Sache, welche der Gegenstand der Hülfe ist, wird oft mit verschiedenen
Vorwörtern ausgedrucket. Jemanden in einer Sache helfen. Es hat mir niemand
dabey geholfen. Jemanden zu einem Amte, zu einer Versorgung, zu einer Frau
helfen, ihm dazu behülflich seyn, wofür auch verhelfen üblich ist. Andern zu
ihrem Rechte helfen. Ich will die Sache nicht [
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hindern, sondern vielmehr dazu helfen. Die Kinder werden ihnen zum Tode helfen,
Matth. 10, 21. Einem davon helfen, ihm zu seiner Flucht beförderlich seyn.
Einem Gefallenen wieder auf die Beine helfen, eigentlich, ihm helfen, damit er
aufstehen könne; figürlich, seinen Nahrungsstand verbessern. Sie helfen mir auf
das rechte Capitel, auf den rechten Weg. Er hilft mir auf einen Einfall.
Jemanden auf das Pferd, aus der Grube, aus dem Wasser helfen. Alles hilft zu
seinem Verderben, trägt das seinige dazu bey. Wenn jeder Theil so viel als
möglich ist, zum gemeinschaftlichen Nutzen hilft. Oft aber auch vermittelst
eines Zeitwortes, welches alsdann im Infinitiv ohne zu stehet, welche
Wortfügung auch bey den Zeitwörtern heißen, dürfen, sollen, hören, lehren,
lassen u. s. f. Satt findet. Einem arbeiten, schreiben, bezahlen helfen. Sie
helfen uns das Unglück leichter ertragen. Helft mir Gottes Güte preisen.
Welcher Infinitiv denn auch in den zusammen gesetzten Zeiten anstatt des
Mittelwortes stehet. Diesen Brief habe ich ihm schreiben helfen, nicht
geholfen. In den Mundarten findet man auch hier zuweilen die vierte Endung der
Person.
Got helfe mich, das ich mich bewar, Reinmar der Alte.
Anm. Bey dem Kero helfan, bey dem Ottfried in der zweyten
Person des Präsens thu hilphis, und im Imperf. ich half, bey dem Ulphilas
hilpan, im Nieders. helpan, im Engl. to help, im Dän. hiälpe, im Schwed.
hjelpa, im Isländ. hialpa, im Wallis. helpu, im Lettischen gelbmi. Über die
Abstammung dieses Wortes haben die Wortforscher lange Zeit sehr
unwahrscheinlich geträumet. Junius lässetes von -
hier nichtlateinischer
Text, siehe Image - , Wachter von -
hier nichtlateinischer Text, siehe
Image - , Frisch von -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ,
ziehen, abstammen. Mit weit mehrerer Wahrscheinlichkeit leitet Ihre es von
Heil, Gesundheit. Wohlfahrt, ab, da es denn aus heilpen, heilfen, entstanden,
und mit dem Latein. salvare überein kommen würde, welches auf ähnliche Art aus
Salus, Heil, gebildet ist. Das Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe
Image - , Heil, kommt genau damit überein.
S. Heil und Hülfe. [
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