4. Der Heide
4. Der Heide,
[
1061-1062] des -n, plur. die -n, Fämin.
die Heidinn, plur. die -en, eine Person, welche außer der Erkenntniß des wahren
Gottes lebet, ein Ungläubiger im weitern Verstande; daher im alten Testamente
alle Völker außer den Juden, heut zu Tage aber alle außer den Juden, Christen
und Türken, Heiden genannt werden, ob man gleich in den mittlern Zeiten auch
die Türken mit zu den Heiden zu zählen pflegte. In einigen Gegenden sind die
Zigeuner unter dem Nahmen der Heiden in engerer Bedeutung bekannt. Auch ein
noch ungetauftes Kind wird im gemeinen Leben ein Heide genannt, weil es noch
nicht auf eine sichtbare Art in die Gemeinschaft des wahren Gottes aufgenommen
ist.
S. Heidenhaut und Heidenhaar. Anm. Man hat von diesem
dunkeln Worte allerley Ableitungen versucht. Schilter leitet es von Heide,
Hain, ain Wald, her, weil die abgöttischen Deutschen ihren Götzendienst
vornehmlich in den Wäldern zu verrichten pflegten; Gudmund Andreä von dem alten
Schwed. Heid, Reichtum, weil sie diesen als das höchste Gut verehret; Wachter
von -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ; Frisch und andere
von -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , -
hier
nichtlateinischer Text, siehe Image - , welche Ableitung dadurch einigen
Schein erhält, daß in dem Angelsächsischen Gesetze das Griech. -
hier
nichtlateinischer Text, siehe Image - ausdrücklich durch Haethne gegeben
wird, anderer Versuche zu geschweigen. Allein, wenn man die alte Schreibart
dieses Wortes und dessen Gestalt in den verwandten Sprachen betrachtet, so wird
man auf eine weit wahrscheinlichere Spur gerathen. Bey dem Ottfried heißt der
Heide Heithiner, in den Monseeischen Glossen Heidaner, bey dem Notker, in dem
Schwabenspiegel, bey den Schwäbischen Dichtern und fast bey allen
Schriftstellern des mittlern Zeitalters, und selbst noch jetzt im Oberdeutschen
der Heiden, im Engl. Heathen, im Holländ. Heyden, im Dän. und Schwed. Hedning,
im Isländ. Heidin, im Goth. bey dem Ulphilas Haithns. Diese Endung -ner, ning
und verkürzt -n, beweiset deutlich, daß unser Heide eigentlich ein abgeleitetes
Wort ist, welches von Heide, das Feld, das Land, im Gegensatze der Stadt (
S. 3. Heide,) gerade auf eben die Art gebildet worden,
wie das spätere Lat. Paganus von Pagus. Es ist bekannt, daß, als Constantin und
dessen Söhne die Götzendiener aus den Städten verbanneten, sich diese auf das
Land und in die Dörfer, in Pagos, begaben, und daselbst ihren Götzendienst in
der Stille fortsetzten, daher sie von den Lateinischen Christen gegen das Ende
des vierten Jahrhundertes Pagani genannt wurden. Als die Deutschen sich zur
christlichen Religion bekannten, übersetzten sie nebst vielen andern
christlichen Kunstwörtern auch dieses wörtlich, und nannten einen Götzendiener
einen Heidener, einen Bewohner des flachen Landes, woraus mit der Zeit der
Heiden, und noch kürzer der Heide geworden. Hieraus erhellet zugleich, woher
das n in den übrigen Endungen außer der ersten kommt. In den mittlern Zeiten
wurden in Schweden die Adeligen Hedin genannt; allein dieses Wort hat allem
Ansehen nach einen andern Ursprung, und stammet mit unserm Adel vermuthlich von
Aet, Geschlecht, her, so wie das mittlere Lat. Gentilis, von Gens, in eben
dieser Bedeutung gebraucht wurde. Gottsched, der alle gleichlautende Wörter von
verschiedener Bedeutung auch durch die Schreibart unterschieden wissen wollte,
schrieb Hayde, ein Wald, Heide, ein unfruchtbares Stück Land, und Heyd,
paganus; allein zum Unglücke war er in Ableitung der Wörter, die doch hier den
Ton angeben sollte, fast alle Mahl unglücklich, daher diese und andere
Neuerungen auch nur bey einigen wenigen seiner nächsten Anhänger Beyfall
gefunden haben. [
1063-1064]