Das Haupt
Das Haupt,
[
1007-1008] des -es, plur. die Häupter,
Diminut. welches aber nur in einigen Fällen gebraucht wird, das Häuptchen,
Oberd. Häuptlein. 1. Eigentlich, oder vielmehr am häufigsten, der oberste Theil
der menschlichen und thierischen Körper, wo diese Wort für Kopf nur in der
edlern und anständigern Sprechart gebraucht wird, besonders, wenn man von
Personen redet, denen man Achtung und Ehrerbiethung schuldig ist. Am häufigsten
von Menschen. So sagt man in der anständigen Sprechart, das Haupt thut mir weh,
Schmerzen im Haupte empfinden, im Haupte verrückt seyn, sein Haupt entblößen,
bedecken, so viel ich Haare auf meinem Haupte habe, jemanden das Haupt
abschlagen, vom Haupte bis auf die Füße, u. s. f. wo man im gemeinen Leben das
Wort Kopf gebraucht,
S. dasselbe. Achtzig Jahre waren schon über sein Haupt
hingeflogen, Geßn. Dahin gehöret auch die figürl. R. A. den Feind aufs Haupt
schlagen, ihn völlig, gänzlich schlagen, wo das Wort Kopf nicht gebräuchlich
ist. Den veindt bis auf das Haupt erlegen, Theuerd. Kap. 93.
Man hat den Feind aufs Haupt geschlagen, Doch Fuß hat Haupt
hinweg getragen, Logau.
Das Haupt des heil. Dionysius, u. s. f. wo man in der
Römischen Kirche, wenn von Heiligen die Rede ist, niemahls das Wort Kopf
gebraucht. In der edlern Schreibart auch von Thieren. Und die Häupter der
Rosse, wie die Häupter der Löwen, Offenb. 9, 17. Ein großer rother Drach, der
hatte sieben Häupter, Kap. 12, 3: Kap. 17, 7, 9. Dieser Unterschied gilt auch
von den folgenden Zusammensetzungen, indem sie insgesammt edler und anständiger
sind, als diejenigen, welche mit Kopf - gemacht werden. 2. Figürlich. 1)
Derjenige Theil des Bettes, des Garges, oder des Grabes, wo das Haupt ruhet; im
gemeinen Leben der Kopf. Etwas zum Haupte des Bettes legen. Wo es auch in dem
veralteten Plural zu den Häupten, der alsdann anstatt des Singulars stehet,
gebraucht wird. Und er nahm einen Stein und legte ihn zu seinen Häupten, 1.
Mos. 28, 11, 18. Da neigete sich Israel auf dem Bett zun (zu den) Häupten, Kap.
47, 31. 2) Die Person oder das Thier selbst, doch unter verschiedenen
Einschränkungen. (a) Die vornehmste Person unter mehrern, besonders so fern ihr
wegen dieser ihrer Würde, die Macht zu herrschen, zu befehlen zukommt, daher es
auch nur von solchen Personen männlichen Geschlechtes üblich ist; Franz. Chef.
Der Mann ist des Weibes Haupt. Ein hohes Haupt, ein Fürst. Ein gekröntes Haupt,
ein König. Eine Zusammenkunft von drey gekrönten Häuptern. Das Haupt der
Kirche. Die Häupter eines Landes, des Volkes, einer Stadt, eines Geschlechtes,
die Vornehmsten. Das Haupt der Rebellen, ihr Anführer. Sich zum Haupte
aufwerfen. Kopf ist in dieser Bedeutung gar nicht üblich. Siehe Oberhaupt. (b)
Eine jede Person. Ein jeglicher nehme ein Gomor auf ein jegliches Haupt, nach
der Zahl der Seelen in seiner Hütten, 2 Mos. 16, 16. So manch Haupt, so manch
halber Seckel, - von allen die gezählet wurden, von zwanzig Jahren an und
drüber, Kap. 38, 26. Nehmet die Summa der ganzen Gemeine - alles was männlich
ist, von Haupt zu Haupt, 4 Mos. 1, 2, 18. In diesem Verstande kommt es nur noch
zuweilen im Oberdeutschen vor. Im Hochdeutschen gebraucht man dafür im gemeinen
Leben das Wort Kopf, und in der anständigern Sprechart das Wort Person oder
andere ähnliche Ausdrücke. Doch nennet man einen Greis auch in der edlern
Schreibart ein graues Haupt, ein ehrwürdiges Haupt. (c) Im gemeinen Leben,
besonders Niedersachsens, wird Haupt sehr häufig von dem Rindviehe gebraucht;
in welchem Verstande Kopf ungewöhnlich ist. Hundert Häupter Rindvieh auf der
Weide gehen haben. Ingleichen mit Auslassung des Wortes Rindvieh. Es sind ihm
zehen Häupter gefallen. Wo es denn auch wohl nach Art anderer Wörter, welche
eine Zahl, ein Maß, und ein Gewicht bedeuten, wenn es ein Zahlwort bey sich
hat, im Singular gebraucht wird. Es sind ihm zehen Haupt gefallen. Im mittlern
Lateine kommt Caput in diesem Verstande häufig vor, nicht nur von dem
Rindviehe, sondern auch von Pferden und Schafen. Decem equorum capita, Gregor.
Magn. l. 10, ep. 41. Legitimus pastor ovium si 80 capita in grege habet, Lex
Alemann. tit. 79, §.2. Wo es zuweilen auch allein ohne allen Beysatz gebraucht
wird, ein jedes Stück zahmes Vieh zu bezeichnen. Ja nach weiterm Verstande wird
es auch von leblosen Dingen gefunden, ein Stück zu bezeichnen, wovon bey dem du
Fresne und Carpentier Beyspiele angeführet werden. Auch Capitale wurde
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1009-1010] sehr frühe von jeden Gute, welches man
besitzet, besonders aber von dem Viehe, dem vornehmsten Stücke des Reichthums
in den ältern Zeiten, gebraucht. Das Nieders. Höft wird auf eben dieselbe Art
von dem Rindviehe, das Schwed. Hufwud aber von einem jeden Individuo oder
Stücke gebraucht. 3) Von leblosen Dingen, wo das Bild theils von der Ründe des
Hauptes, theils von dessen Stelle und Würde hergenommen ist, in der edlern und
anständigern Schreibart. (a) Von der Ründe, besonders so fern sie zugleich den
obersten Theil eines Dinges ausmacht. So nennet man an dem Kohle und Sallate
die in einen runden Körper geschlossenen Blätter, und die runden Samenkapseln
des Mohnes, in der anständigern Schreibart das Haupt, und im gemeinen Leben den
Kopf. Drey Kohlhäupter. Ein Mohnhaupt. (b) In weiterer Bedeutung, das oberste
eines Dinges; am häufigsten in der edlen Schreibart, wo im gemeinen Leben Kopf
gebräuchlich ist. Die Blume hebt ihr sinkendes Haupt empor. Das Haupt des
Nagels, dessen Kopf. Das Haupt des Schildes, in der Wapenkunst, dessen oberster
Theil. In der Landwirthschaft wird das unterste Stück Holz an einem Pfluge,
worauf der ganze Pflug gleichsam gebauet ist, dessen Haupt genannt. Ehedem
wurde die Quelle eines Flusses im Oberdeutschen sehr häufig das Haupt genannt,
theils so fern sie alle Mahl am höchsten lieget, theils auch so fern sie der
Anfang des Flusses ist. (c) Verschiedene hervor ragende Theile eines Dinges,
besonders so fern sie die Gewalt anderer Dinge abhalten sollen. So wird an den
Deichen und Wällen der abhängige mit Rasen bekleidete Theil das Haupt genannt.
In dem Wasserbaue sind die Häupter in das Wasser hinein gehende Bollwerke von
Mauerwerk, Pfählen oder Flechtwerk, die Gewalt des Wassers zu brechen. Nieders.
Höfd, Holländ. Hoofd, welche auch ein Vorgebirge bezeichnen, nach dem Muster
des Ital. Capo, und Franz. Cap. (d) Der Würde nach, das Vornehmste eines
Dinges, in einigen Fällen, in der edlern Schreibart. Diese Stadt ist das Haupt
des Landes.
S. auch Häuptel. In den folgenden Zusammensetzungen
kommt diese Bedeutung am häufigsten vor. Man kann in derselben das Wort Haupt
fast mit allen Substantiven zusammen setzen, das Wichtigste, das Vornehmste
seiner Art auszudrucken, welches den Grund anderer Dinge seiner Art enthält;
von welchen diejenigen, welche im folgenden vorkommen, nur eine kleine Probe
sind. Kopf kann auf diese Art nicht gebraucht werden. In etwas engerer
Bedeutung, gebraucht man das Wort Haupt - in einigen Zusammensetzungen für Erz
-. Ein Hauptnarr, ein Narr der ersten Größe; so auch ein Hauptschelm, ein
Hauptdieb, ein Hauptgut, d. i. ein vortreffliches, sehr wichtiges Gut, u. s. f.
wofür man im gemeinen Leben auch Capital-Narr, Capital-Dieb, Capital-Gut u. s.
f. sagt. In beyden Fällen wird Haupt in der Zusammensetzung mit einem stärkern
Tone ausgesprochen, als wenn es den Kopf bedeutet. Eine Hauptarzeney, eine
vortreffliche, vorzügliche, sehr wichtige Arzeney; hat auf der ersten Sylbe
einen stärkern und längern Ton, als die Hauptarzeney, so fern sie wider
Krankheiten des Hauptes gut ist. Anm. In dem übersetzten Isidor Haubide, bey
dem Kero und Ottfried Haubit, bey dem Notker Houbet, bey dem Willeram Hoibet,
im Nieders. Höfd, Höved, in einigen gemeinen Mundarten Ober- und
Niederdeutschlandes nur Heet und Höt, im Altfries. Haud, bey dem Ulphilas
Haubith, im Angels. Heafod, im Isländ. Hoffod, im Schwed. Hufwud, im Engl.
Head, stammet gewiß nicht, wie sich jemand träumen lassen, von Haube her, so
daß es eigentlich einen mit einer Haube bekleideten Kopf bedeutet, sondern
vermittelst des Ableitungszeichens de, d oder t, von heben, oder einem
ähnlichen veral- [
1011-1012] teten Zeitworte, so daß es
überhaupt das Höchste, das Oberste an einem Dinge bedeutet. Es gehöret daher zu
dem zahlreichen Geschlechte der Wörter Haube, auf, Haufen, heben, hoch u. s. f.
Das Lat. Caput, das Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe
Image - . Gipfel, Giebel, und hundert andere sind genau damit verwandt. Für
hoch, vor Alters ha, findet man in den verwandten Sprachen auch so wohl haf und
hab als had. [
1011-1012]