Das Glied
Das Glied,
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721-722] des -es, plur. die -er,
Diminut. das Gliedchen. Oberd. Gliedlein. 1. + Die bewegliche Verbindung zweyer
Theile eines Körpers, und der Ort dieser Verbindung, das Gelenk; eine im
Hochdeutschen veraltete Bedeutung, welche indessen doch aus einer Stelle des
Sachsenspiegels bey dem Frisch v. Lid erweislich ist, auch noch in den
Zusammensetzungen Gliedschwamm und Gliedwasser angetroffen wird, und als die
erste Bedeutung dieses Wortes angesehen werden muß. 2. Der vermittelst einer
solchen beweglichen Verbindung oder eines solchen Gelenkes mit dem andern
verbundene Theil selbst. 1) Eigentlich, wo dieses Wort (a) in der weitesten
Bedeutung nur noch in einigen Fällen üblich ist. Die Glieder einer Kette,
welche auch Gelenke genannt werden. Im Nieders. heißt ein beweglicher Deckel
noch ein Lid, und eben diese Bedeutung hat die letzte Sylbe in dem
Hochdeutschen Augenlied. (b) In engerer Bedeutung, die durch Gelenke mit
einander verbundenen äußern Theile des Leibes. In diesem Verstande werden die
Finger, Hände, Arme, Füße, Beine u. s. f. Glieder genannt. Seine gesunden
Glieder haben. Ein Glied verrenken. Schmerzen in allen Gliedern empfinden. Die
Zunge ist ein kleines Glied, Jac. 3, 5. Auf eine etwas uneigentlichere Art
führet diesen Nahmen das männliche Glied, nach welchem einige auf eine völlig
unschickliche Art auch das weibliche Glied gebildet haben, welches eben so
wenig ein Glied genannt werden kann, als solches von der Nase oder andern
Theilen des Leibes üblich ist. Auch den Kopf pfleget man nicht ein Glied zu
nennen, ungeachtet er ein beweglicher Theil des Körpers ist. Wohl aber führen
die kleinern beweglichen Theile der größern Glieder in einigen R. A. nur
schlechthin den Nahmen der Glieder. Eines Gliedes lang, d. i. eines Gliedes am
Finger. 2) Figürlich, wo die Theile eines Ganzen in verschiedenen Fällen mit
diesem Nahmen belegt werden. (a) An verschiedenen Pflanzen, besonders an den
Grasarten, wird der zwischen zweyen Knoten oder Absätzen befindliche Theil, der
Schuß, gleichfalls ein Glied genannt. (b) Im Kriegswesen führet eine Reihe an
einander geschlossener Soldaten in Ansehung des ganzen Haufens schon von alten
Zeiten her den Nahmen eines Gliedes. Dew musten meren der Glieder, Hornegk. Aus
dem Gliede treten. Das Regiment mußte in drey Gliedern aufmarschieren. (c) In
der Baukunst sind die Glieder diejenigen kleinern Theile, welche eine so
genannte Ordnung ausmachen. (d) In der Vernunftlehre führen diesen Nahmen die
Theile eines Schlusses, Termini, welche vor ihrer Stellung das Vorderglied,
Mittelglied und Hinterglied genannt werden. (e) In der Rechenkunst heißen die
Theile eines Verhältnisses, oder diejenigen Größen, welche man mit einander
vergleicht, gleichfalls Glierer, Termini; da denn die erste den Nahmen des
Vordergliedes und die letzte des Hintergliedes führet. (f) Die einzelnen
Personen einer Familie, in Ansehung ihrer Verwandtschaft, der Grad; doch nur in
absteigender Linie. Joseph sahe Ephraims Kinder bis ins dritte Glied, 1 Mos.
50, 23, bis zu seinen Urenkeln. Der du die Missethat der Väter heimsuchest bis
ins dritte und vierte Glied. (g) Eine einzelne Person einer Gesellschaft. Ein
Rathsglied, ein Glied des Rathes. Ein Glied der Gemeine, der Kirche, der
bürgerlichen Gesellschaft. Ein nützliches Glied der menschlichen Gesellschaft.
Der Menschenfreund siehet die Menschen insgesammt als Glieder der großen
Familie Gottes an, Gell. In einigen Fällen ist dafür Mitglied üblicher. Anm.
Bey dem Stryker Gelid, bey andern, ohne den aus dem Präfixo ge entstandenen
Gaumenbuchstaben, nur Lid, wie bey dem Kero Lid, im Tatian Lido, im Nieders.
Lid, Let, im Dän. Lid, im Schwed. Led, bey dem Ulphilas Lithus. Ohne Zweifel
von leiten, biegen, bewegen, Schwed. lida.
S. Gleiten Anm. und Leiten.
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