Geschweigen
Geschweigen,
[
617-618] verb. welches in doppelter
Gestalt vorkommt. I. Als ein Neutrum, mit irregulärer Conjugation, (siehe
Schweigen,) wo es das mit der Vorsylbe ge verlängerte Zeitwort schweigen ist.
Im Hochdeutschen ist es in dieser Form ungewöhnlich, außer daß man es in der
ersten Person des Präsentis und im Infinitive mit dem Wörtchen zu gebraucht,
für, mit Stillschweigen übergehen, nicht erwähnen; da es denn die zweyte Endung
der Sache erfordert. Brot und Fleisch ist dorten sehr theuer, ich geschweige,
der andern Dinge, oder, der andern Dinge zu geschweigen. Dein Freund ist ein
Spieler, ich geschweige seiner andern Laster, oder, seiner andern Laster zu
geschweigen. Cajus hat seither viel Böses verübet, dessen zu geschweigen, was
er in seiner Jugend begangen hat. Oft, besonders in der Sprache des täglichen
Umganges, macht es eine Art von Gradation, da denn so wohl das Pronomen ich,
als auch der Genitiv wegfällt. Ich habe ihn nicht gesehen, geschweige
gesprochen, oder, geschweige, daß ich ihn sollte gesprochen haben; d. i. ich
habe ihn nicht sprechen können, da ich ihn nicht einmahl gesehen habe. Man kann
sich in den Gebäuden kaum der Kälte erwehren, geschweige, oder zu geschweigen
auf der Gasse. Ich fürchte mich vor seiner Freundlichkeit, geschweige vor
seinem Zorne. Man konnte ihn in der Jugend zu nichts bringen, geschweige, oder
zu geschweigen im Alter. II. Als ein Activum, oder vielmehr Factitivum, mit
regulärer Conjugation, zum Stillschweigen bringen, und figürlich, befriedigen;
in welchem Verstaund es nur im gemeinen Leben gebraucht wird, wo auch das
einfache schweigen in eben dieser Bedeutung üblich ist. Die Gottlosen müssen in
der Hölle geschweiget werden, Ps. 31, 18. Mit Gaben geschweiget man die Kinder.
So bedeutet kesueigen schon bey dem Notker schweigen machen, und Graf Conrad
von Kirchberg sagt zum Winter, du geschweigest und diu vögellin.
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619-620]