Gemein
Gemein,
[
547-548] -er, -ste, adj. et adv.
welches eigentlich den Begriff der Menge ausdruckt, aber mit mancherley
Einschränkungen und Nebenbegriffen. 1. In Menge vorhanden. 1) Eigentlich. Die
Wölfe sind in diesem Lande sehr gemein, sehr häufig. Das Silbergeld ist bey uns
eben nicht gemein. Boy ist bey uns eine sehr gemeine Waare. Die Canarienvögel
sind jetzt in Deutschland sehr gemein. Das ist etwas sehr gemeines. Ein sehr
gemeiner Gebrauch. Der Trieb zur Einsamkeit ist nicht so gemein, als der Trieb
zum gesellschaftlichen Leben. Der gemeine Stolz auf Reichthum, Geburt u. s. f.
Gell. 2) Figürlich, mit dem Nebenbegriffe des Mittelmäßigen oder Schlechten.
Ein sehr gemeines Gesicht. Ein gemeiner Gedanke. Eine gemeine Tugend. Gemeine
Köpfe sind die beste Gesellschaft für schlechte Köpfe. Das ist ein sehr
gemeines Lob. 2. Den größten Theil unter den Dingen einer Art ausmachend. 1)
Eigentlich, wo sich oft der Begriff des Gewöhnlichen mit einschleicht. In der
Größe eines gemeinen Apfels. Ein gemeines Jahr, in der Zeitrechnung, ein Jahr
von 365 Tagen, im Gegensatze eines Schaltjahres. Der gemeine Lauf der Dinge.
Oft auch etwas von dem Begriffe der Niedrigkeit. Das gemeine Volk, die gemeinen
Leute, der gemeine Pöbel, der gemeine Mann, der gemeine Haufe, der zahlreichste
und zugleich niedrigste Theil einer bürgerlichen Gesellschaft, der große Haufe.
Es ist nur ein gemeiner Mensch, von niedrigem Stande. Gemeine Soldaten, oder
Gemeine, im Gegensatze der Officiers. Im Brittischen Parlamente begreift man
unter dem Ausdrucke der Gemeinen, Engl. the Commons, alle diejenigen, welche
nicht zu dem hohen Adel gehören. Das gemeine Leben, die am häufigsten
vorkommenden Verhältnisse und Umstände des menschlichen Lebens. Die gemeine
Sprechart, die Sprechart des großen Haufens. Gemeine, jedermann faßliche und
begreifliche, Ausdrücke. 2) Figürlich. (a) Was dem größten Theile unter den
Dingen einer Art zukommt, bey denselben angetroffen wird. Ein Mensch von
gemeiner Größe. Die gemeine Sprechart. Der gemeine Menschenverstand, den alle
Menschen besitzen. Eine gemeine Höflichkeit, welche man einem jeden erweiset.
Es ist eine gemeine Meinung unter den gelehrten, daß u. s. f. Der gemeinen
Meinung zu Folge. Ein gemeines Sprichwort. Es ist eine gemeine Rede, ein
allgemeines, öffentliches Gerücht. Nach der gemeinen und gewöhnlichen Art
denken. (b) Was allen Dingen einer Art zukommt, sich auf alle Dinge einer Art
erstrecket. Das gemeine Wesen, die Verbindung einzelner Glieder oder
Gesellschaften, ihre Wohlfahrt mit vereinigten Kräften besser zu befördern. Das
gemeine Beste, der gemeine Nutzen, der Nutzen, das Beste einer solchen
Gesellschaft. Die gemeine Casse, wozu alle Glieder das Ihrige beytragen, und
woraus ihre gemeinschaftlichen Bedürfnisse bestritten werden. Der Tod ist allen
Altern gemein. Ein gemeiner Bescheid, bey dem Reichskammergerichte, ein in
pleno verabredeter Schluß, wie es in gewissen Fällen künftig gehalten werden
soll. Die gemeinen Rechte, welche alle Personen in einem Staate verbinden, zum
Unterschiede von den besondern. In andern Fällen gebraucht man dafür lieber das
Wort allgemein. Z. B. die gemeine Liebe, die sich auf allen Menschen
erstrecket, 2 Petr. 1, 7, besser die allgemeine; ein gemeiner Friede, 2 Macc.
9, 21, ein gemeines Gebeth, Kap. 8, 29, ein allgemeines, öffentliches oder
gemeinschaftliches; gemeine und öffentliche Gastereyen, 3 Macc. 4, 1. Das
Nieders. meen wurde ehedem für gesammt, all, gebraucht. De meene Koopman, alle
Kaufleute, die gesammte Kaufmannschaft. Meene Borger, alle Bürger. (c) Dessen
Gebrauch einem jeden frey stehet, woran alle Dinge Einer Art ein Recht haben.
Die gemeine Weide, welche alle dazu tüchtige Einwohner eines Ortes genießen.
Der gemeine Weg, die öffentliche Straße. Gemeine Dinge, in den Rechten, deren
sich ein jeder bedienen kann, z. B. die Luft, das Wasser u. s. f. Ein Buch
durch den Druck gemein machen. (d) Insgemein, eine adverbische R. A.
gemeiniglich, am häufigsten, gewöhnlich geschehend. (e) Sich mit jemanden
gemein machen, eine allzu große und dem Ansehen nachtheilige Vertraulichkeit
gegen einen Geringern blicken lassen. (f) Unrein; doch nur in der Deutschen
Bibel, von Dingen, welche nach dem Jüdischen Ceremonial-Gesetze für unrein
gehalten wurden. Ich habe noch nie etwas gemeines oder Unreines gegessen,
Apost. Gesch. 10, 14. Da sie sahen etliche seiner Jünger mit gemeinen, das ist
ungewaschenen Händen das Brot essen, Marc. 7, 2. Ich weiß, daß nichts gemein
ist an ihm selbst, ohne der es rechnet für gemein, demselbigen ists gemein,
Röm. 14, 14. Und so in andern Stellen mehr. 3. Mehr als Einem Dinge zukommend.
Etwas mit einem gemein haben, eben dieselbe Eigenschaft haben, sich in eben dem
Umstande befinden. Meine Angelegenheit hat nichts mit der deinigen gemein, ist
ihr in keinem Stücke ähnlich. Gemeine Leiden, gemeine Trübsale, gemeine
Beschwerden, welche man mit andern gemein hat, im Gegensatze der besondern.
Gemeine Sache mit jemanden machen, einerley Absicht in Verbindung mit ihm zu
erreichen suchen. Wenn ein Mann mehrern Weibern gemein ist, so heißt solches
Vielweiberey. Anm. Schon im Salischen Gesetze chamin, im Isidor chimein, bey
dem Ottfried gimein, bey dem Notker kemein, im Angels. gemaene, im Holländ.
ghemeyne, im Dän. gemeen. Das einfache meen, mein, kommt noch im Niedersächs.
vor, wo es so wohl publicus als auch communis bedeutet, Angels. maene, Schwed.
men. Im Engl. ist the Main das Ganze, und mean mittelmäßig. Es gehöret zu dem
Geschlechte der Wörter manch und Menge, welches letztere noch bey dem Ottfried
Meina lautet. Auch das Lat. communis gehöret seiner letzten Hälfte nach
hierher. Zu der jetzt veralteten biblischen Bedeutung, für unrein, muß auch das
bey dem Notker vorkommende Zeitwort fermeinan, entweihen, verunreinigen,
gerechnet werden. In dem mittlern Lateine einiger Gegenden Frankreichs bedeutet
Maya und Meia einen Haufen. [
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