Fromm
Fromm,
[
319-320] frömmer, frömmste, adj. et
adv. welches von den ältesten Zeiten an, in einen vielfachen Verstande
gebraucht worden. 1) * Stark, heftig; eine veraltete Bedeutung. Ein frumer
Slach, ein heftiger Schlag, in den alten Gedichte auf Carls des Großen Feldzug
bey dem Schilter. 2) * Tapfer, herzhaft; eine gleichfalls veraltete Bedeutung,
in welcher dieses Wort ehedem ein gewöhnlicher Titel der Ritter und edlen
Knechte war, ehe derselbe von den Wörtern vest und mannhaft verdränget wurde.
Er (Hector) was der fumeste und küneste Heilt der ie geboren war, Königshov.
Chron. Kap. 1. Der Bischof streit uf denselben Tag also ein frommer Ritter,
ebend. Kap. 4. Noch zu Anfange des vorigen Jahrhundertes findet man die Titel:
der ehrenfeste und fromme Ritter u. s. f. Auch die Eidgenossen bekamen ehedem
von andern Mächten den Titel fromm. Das Angels. fraam, Isländ. framur, und
Schwed. from, haben eben dieselbe Bedeutung. 3) * Nützlich, brauchbar; welche
Bedeutung gleichfalls nicht mehr üblich ist. Frum, nützlich, bey dem Ottfried.
Keine vrome Frucht, Elucid. Mst. beym Frisch.
S. Fromme. 4) Abgeneigt, andern Böses oder Schaden
zuzufügen, in der Sprache des täglichen Umganges. Ein frommes Pferd. Das Thier
ist sehr fromm. Es ist so fromm, wie ein Lamm. Ein frommes Schaf nennt man in
gemeinen Leben einen Menschen, der aus Einfalt niemanden Böses thut. 5) Wohl
gesittet, artig, am häufigsten von Kindern. Ein frommes Kind. Die Kinder sind
fromm gewesen, haben sich fromm aufgeführt. 6) Rechtschaffen, fertig seine
Pflichten gegen andere willig zu erfüllen; eine im Hochdeutschen ungewöhnlich
gewordene Bedeutung, ob sie gleich in der Deutschen Bibel nicht selten ist.
Meinest du, daß dem Allmächtigen gefalle, daß du dich so fromm machest? Hiob
22, 3; fragt der Allerhöchste darnach, wenn du gerecht bist? in Michael. Übers.
Die Frommen verwirft Gott nicht, Kap. 8, 20; Gott wird den Redlichen nicht
verwerfen, Michael. Eine fromme Frau, Sir. 7, 21. Ein frommer Knecht, V. 23.
Matth. 25, 21, 23. Und so in andern Stellen mehr. In einem vorzüglichen
Verstande heißt 5 Mos. 32, 4, und in andern Stellen auch Gott fromm. 7)
Unschuldig; rein von Verbrechen und groben Fehlern. So du rein und fromm bist,
Hiob, 8, 6; wenn du rein und unschuldig bist, Michael. Er bringet um, beyde den
Frommen und den Gottlosen, Kap. 9, 22; schuldige und unschuldige straft er,
Michael. Wie rein nahm da mein Gemüth jeden frommen Eindruck auf! Hermes.
Sein ehrlich fromm Gesicht, sein heilig graues Haar, Gell. Dir
schmückt das fromme Mädchen sich Bey seinem Morgenliede, Raml.
8) Gütig, mitleidig. Frommer Gott! Ein frommer Herr, in
gemeinen Leben. In frommer Begeisterung nahm er jetzt die Leyer von der Wand,
Geßn.
Er liest, und eine fromme Zähre Fließt von des Helden
Angesicht, Gell.
9) Gottesfürchtig, der alle seine Handlungen zur Ehre des von
ihm erkannten Gottes einrichtet, und in dieser Gesinnung gegründet. Ein frommer
Mann. Ein frommes Leben führen. Den Frommen wird kein Gutes mangeln, Pf. 84,
12; und so in andern Stellen mehr. Er that es aus frommen Eifer, nicht frommen,
welches um der vielen m willen den Wohlklang beleidigen würde. Ein frommer
Gedanke. Ein frommer Wunsch. Ein frommer Betrug, da man sich oder andere aus
frommer Absicht hintergehet. In den neuern Zeiten sind die so genannten
Pietisten bey dem großen Haufen unter dem Nahmen der Frommen bekannt geworden,
und seit dieser Zeit hat dieses Wort, als ein Hauptwort gebraucht, einen
verächtlichen Nebenbegriff bekommen, indem man darunter oft nur einen Heuchler
verstehet. Anm. In der letzten Bedeutung kommt es wohl in dem alten Gedichte
auf den heil. Anno am ersten vor, wo sich der Superlat. vrumigist in dieser
Bedeutung findet. Kero gebraucht für pius mehrmahls erhaf, und für Impietas
Erlosida. Im Nieders. lautet dieses Wort in den meisten Bedeutungen framm, im
Dän. from, und bey den Krainerischen Wenden brumne. Die Abstammung ist noch
dunkel. Wachter leitet es in der 1sten und 2ten Bedeutung von ram, stark,
tapfer, Frisch von probus, Ihre aber von der alten Partikel fram, fern, weit,
sehr, groß, her, wovon im Schwed. främja befördern bedeutet, und welche auch
bey den alten Oberdeutschen Schriftstellern sehr häufig vorkommt. Bey eben
denselben findet sich auch das Zeitwort fruman, machen; hervor bringen, Goth.
framban, Angels. fremman, Engl. to frame, wovon vermuthlich das noch in der
Oberpfalz übliche aufremmen, bestellen, andingen, herstammet. Sich ein Paar
Schuh aufremmen, bestellen. [
321-322]