Der Friede
Der Friede,
[
303-304] des -ns, oder der Frieden, des
-s, plur. inus. ein Wort, welches überhaupt alle Arten der Ruhe und Sicherheit
bezeichnet. 1. Im eigentlichen Verstande. 1) Öffentliche Ruhe und Sicherheit in
der bürgerlichen Gesellschaft, Sicherheit für seine Person und ruhiger Besitz
seines Eigenthumes, der Zustand, da keiner den andern öffentlich beleidiget; in
welchem jetzt größten Theils veralteten Verstande dieses Wort bey dem
ehemahligen Faustrechte sehr üblich war. Daher noch die in den Schriften der
damahligen Zeiten üblichen Ausdrücke, Frieden wirken, die öffentliche Ruhe
herstellen; Frieden und Geleit geben, sicheres Geleit geben; jemanden in seinen
Frieden nehmen, in seinen Schutz; Frieden gebiethen, anbefehlen. Ingleichen die
Zusammensetzungen, Landfrieden, Friedensbruch, Friedensrichter, Friedensgeboth
u. s. f. Noch jetzt sagt man im gemeinen Leben, Frieden vor einem haben,
jemanden in Frieden lassen, ihn nicht beunruhigen; ich werde mir Friede zu
verschaffen suchen, d. i. Ruhe, Sicherheit; laß mich mit Frieden, oder laß mich
zufrieden, beunruhige mich nicht; man hat nicht länger Frieden, als den Nachbar
will; Frieden halten, sich ruhig verhalten, u. s. f. In der Deutschen Bibel
kommt es in dieser Bedeutung noch sehr häufig vor. Auch die Sicherheit
einzelner Örter, nach welcher sie vor aller Gewaltthätigkeit gesichert waren,
führete ehedem diesen Nahmen, daher die Zusammensetzungen Burgfriede, die
unverletzliche Sicherheit der Bürge oder Palläste, Kirchenfriede, die
Sicherheit der Kirchen, Dingfriede, der Gerichtstätten u. s. f. 2) Abwesenheit
der gewaltthätigen Uneinigkeit, äußere Einigkeit, so wohl (a) überhaupt im
Gegensatze des Zankes, Streites. Frieden mit einem haben. In Frieden mit seinen
Nachbarn leben. Den Frieden (die Einigkeit) im Hause stören. Frieden unter
streitenden Parteyen stiften. Frieden gebiethen. Zum Frieden rathen. Friede und
Einigkeit ist der Nahme eines Bieres, welches in Küritz gebrauet wird. (b) In
engerm Verstande, Anwesenheit des gewaltsamen Streites zwischen ganzen Staaten,
im Gegensatze des Krieges. Wir haben Friede, leben im Frieden. Der Friede
dauert noch fort. Friede ernähret, Unfriede verzehret. Es ist Friede im Lande.
Den Frieden brechen. Besonders die Wiederherstellung der öffentlichen Ruhe
zwischen Staaten nach vorher gegangenem Kriege, und der Vertrag, vermittelst
dessen solches geschiehet. Zum Frieden rathen. Frieden begehren, um Friede
bitten. Frieden schließen. Der Friede ist zwar geschlossen aber noch nicht
unterschrieben. In dieser Bedeutung des Friedensvertrages haben einige den
Plural die Frieden gewagt; allein man bedienet sich in dieser Bedeutung doch
lieber des zusammen gesetzten Wortes Friedensschluß.
S. Friedensschluß. 2. Figürlich, Ruhe des Gemüthes,
Anwesenheit aller heftigen und unangenehmen Empfindungen. Er kennt keine andern
Wünsche, als das Verlangen nach einem immer festern Frieden des Gewissens. Der
süße Frieden, den man im Schooße seiner Familie genießet. Auch in der Deutschen
Bibel kommt es in der Bedeutung derjenigen Gemüthsruhe, welche aus der
Überzeugung eines versöhnten Gottes fließet, sehr häufig vor. Siehe auch
Zufrieden. Anm. 1. Dieses Wort lautet bey dem Kero Fridu, im Isidor Frido, im
Nieders. Frede, Free, im Schwed. Frid, im Dän. Fred. Es ist das Abstractum von
frey und im Grunde mit Freyheit einerley, wie denn auch Freyth, d. i. Freyheit,
und Fried in den mittlern Zeiten sehr oft verwechselt werden. Wo öffentlicher
Friede ist, da ist Freyheit, und auch umgekehrt. Als ein Abstractum solle es
billig weiblichen Geschlechtes seyn; allein das männliche ist von undenklichen
Zeiten hergebracht. Im mittlern Lateine findet sich Fredus, Freda, Fredum in
allen drey Geschlechtern. Das letztere wird auch von der Strafe des gebrochenen
Friedens und von den zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit nöthigen Kosten
gebraucht. Der niedrige Ausdruck jemanden mit Frieden lassen, ihn nicht
beunruhigen, ist alt.
Wir schuln in also besassen E wir in mit fride lassen,
sang schon Stryker. Anm. 2. Eben so alt und noch älter ist
auch der Unbestand in der Declination. Bey den ältesten Schriftstellern, z. B.
dem Kero, ist die Abänderung, der Friede, des Friedes, dem Friede, die
gewöhnlichste; der Friede, oder Frieden, des Friedens, dem Frieden, scheinet
neuer zu seyn, ob sie gleich im Hochdeutschen Die gewöhnlichste ist. In Luthers
Deutscher Bibel kommen beyde Arten vor. Im Friede erfunden werden, 2. Petr. 3,
14. In Friede säen, Jac. 3, 18. Der Weg des Friedens, Es. 59, 8. Der Herr des
Friedens, Phil. 4, 9. Den Frieden erwerben, Jer. 15, 5. Dieser Unbestand hat
auch seinem Einfluß auf die folgenden Zusammensetzungen, indem in denselben
bald Friede bald Friedens - bald nur Fried - üblich ist. Doch ist nur allein
Friedens - gewöhnlich, wenn von dem Frieden zwischen Fürsten oder freyen
Staaten die Rede ist. [
303-304]