Fressen
Fressen,
[
277-278] verb. irreg. act. ich fresse,
du frissest, er frisset oder frißt; Imperf. ich fraß, Conjunct. ich fräße;
Supin. gefressen; Imperat. friß. 1. Eigentlich, essen, zur Nahrung zu sich
nehmen, doch in verschiedenen Einschränkungen. 1) Von allen Arten von Thieren,
wenn sie Nahrung zu sich nehmen. Der Wolf hat ein Lamm gefressen. Die
Heuschrecken haben alles Getreide gefressen. Die Würmer werden ihn fressen. Dem
Viehe zu fressen geben. Ein fressendes Pfand, ein lebendiges, welches Nahrung
bedarf. Friß Vogel oder stirb! Von Raubthieren gebraucht, bedeutet es so viel
als zerreißen. Von einem wilden Thiere gefressen werden. Die Jäger gebrauchen
diesen Ausdruck nur von dem Schwarz- und Rothwildbrete, dagegen sie von den
andern Arten sich äsen und weiden sagen. 2) Von Menschen. (a) Ein unanständiges
oder unmäßiges Essen zu bezeichnen, in der harten Sprechart. Fressen und
saufen, unmäßig essen und trinken.
Ein berühmter Held im Fressen, Den das Schlemmen
aufgeschwellt, Haged.
(b) Für essen überhaupt, in den niedrigen Sprecharten. Er hat
einen Narren an ihm gefressen, figürlich, er hat eine unmäßige, blinde Liebe zu
ihm. Sein Leid an sich fressen, figürlich, sich heimlich kränken, ohne seinen
Gram auszulassen. Er will alle Wissenschaften gefressen haben. 2. Figürlich,
verzehren, vertilgen, verderben, auch von leblosen Dingen. Wegert ihr euch aber
- so sollt ihr vom Schwert gefressen werden, Es. 1, 20. Das Feuer fraß die zwey
hundert und funfzig Männer, 4 Mos. 16, 35. Darum frißt der Fluch das Land, Es.
24, 6.
Du führst in deinen Schiffen einen Feuerfunken Der beyde
Welten frißt, Raml.
Der Rost frißt das Eisen, der Krieg hat viel Volk gefressen,
es frißt ihn der Neid. Ein Geschwür, der Krebs frißt um sich, frißt weiter,
wenn es sich weiter ausbreitet und die gesunden Theile verderbt. Ein fressender
Schade. Anm. Das Hauptwort die Fressung ist nicht üblich. Dieses Zeitwort
lautet bey dem Ottfried und Notker frezzen, im Dän. fraadse, im Nieders. und
Holländ. freten, im Angels. und bey dem Ulphilas fretan, im Engl. to fret, im
Schwed. fraeta, im Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe
Image - . Es hat in allen Sprachen einen verächtlichen Nebenbegriff; doch
gebraucht es Ottfried ein Mahl im guten Verstande für essen. Nie frazun sie iz
allas, sibun korbi vbarlaz, sie aßen nicht alles auf, sondern lißen noch sieben
Körbe übrig, B. 3, Kap. 6. Frisch und andere glauben, daß dieses Wort aus
veressen, aufessen, verzehren, zusammen gezogen sey, zumahl da Königshofen
verasen für fressen braucht. Es kann aber auch durch Vorsetzung des Blaselautes
aus reißen, Nieders. riten, Lat. rodere, entstanden seyn, woraus sich denn auch
der niedrige Nebenbegriff, welcher dem Worte anklebt, am besten erklären läßt.