Der Fall
Der Fall,
[
23-24] des -es, plur. die Fälle, von
dem folgenden Zeitworte fallen. 1. Der Zustand, da eine Person oder Sache
fällt, ohne Plural. 1) In der eigentlichen Bedeutung des Zeitwortes. Der Fall
eines schweren Körpers. Der Fall schadete dem Glase nichts. Einen gefährlichen,
einen schweren Fall thun, von Menschen und großen Thieren. Je größer Baum, je
schwerer Fall. Es geräth nicht jeder Fall. Zu Falle kommen, für fallen, ist im
Hochdeutschen nur noch in figürlichen Verstande üblich,
S. im folgenden, in andern Mundarten aber noch in dem
eigentlichen. Der Fall eines Kindes, eines Betrunkenen u. s. f. Von einem
Falle aufstehen. Von Gebäuden ist Einfall üblicher. Knall und Fall, in einem
Augenblicke, plötzlich. 2) In der figürlichen Bedeutung. (a) In Rücksicht auf
die verminderte Höhe. (a) Der Fall des Quecksilbers in der Röhre, des Wassers
in dem Teiche. Der Fall eines Ganges, einer Fläche, wenn sie sich unter den
angenommenen Horizont verlieret, wo doch das Fallen üblicher ist. (b)
Verschlimmerung des bürgerlichen und sittlichen Zustandes; plötzliche Abnahme
an Macht, Ansehen und Wohlstande. Der Fall eines Ministers, eines Günstlinges.
Hochmuth geht vor dem Falle. Wenn ein Großer fällt, so ist er auch im Falle
groß. Der Fall des Römischen Reiches, wo doch Verfall üblicher ist. In
theologischem Verstande, der Zustand, da man sündigt. Der Fall Adams. Das
Ebenbild Gottes vor dem Falle (nehmlich Adams). Der Fall Petri. Petrus weinte
bitterlich nach seinem Falle. In einer sehr eingeschränkten Bedeutung ist
dieses Wort im gemeinen Leben ein gelinder Ausdruck der Schwängerung einer
unverehlichten Person, doch nur mit dem Zeitwörtern Bringen und kommen, und dem
Vorworte zu. Eine Jungfrau zu Falle bringen, sie schwängern. Sie ist zu Falle
gekommen, geschwängert worden. (c) Das Absterben, besonders in der höhern
Schreibart, das Absterben eines wichtigen Mannes. (b) In Rücksicht auf die
damit verbundene Geschwindigkeit, Gewaltthätigkeit u. s. f. wo dieses Wort nur
in den Zusammensetzungen Fußball, Einfall, Ausfall, Abfall u. s. f. üblich ist.
(c) Mit dem Nebenbegriffe des Unerwarteten bezeichnet dieses Wort nur den
Umstand, wenn ein Grundstück durch Absterben seines Besitzers einen andern
Herren bekommt, besonders von Lehengütern, wenn sie dem Lebensherren anheim
fallen. Ein Gut stehet auf dem Falle, wenn es wahrscheinlich bald an den
Lebensherren fallen wird. So oft das Lehen zu Falle kommt.
S. Lebensfall. 2. Dasjenige, was fällt; doch nur in
einigen bereits eingeführten Arten des Gebrauchs. (a) Im Bergbaue, eine gewisse
Art von Klüften. Die Fälle verrücken den Gang. Der Gang wirkt sich den Fällen
entgegen, wenn er auf die Fälle zustreicht. In Flötzgebirgen nennet man Erz,
welches in Nieren und Nestern bricht, gleichfalls in dem sonst ungewöhnlichen
Diminut. ein Fällchen. (b) Bey den Jägern heißt gefallenes, d. i. an Krankheit
oder vor Hunger gestorbenes Wildbret, nicht nur Fallwildbret, sondern oft nur
schlechthin Fall. (c) Der Theil des beweglichen Nachlasses eines verstorbenen
Leibeigenen, der an den Grundherren fällt, heißet an einigen Orten gleichfalls
der Fall.
S. Hauptfall, Gewandfall. Ingleichen das Recht diesen
Theil zu fordern. (d) Eine unerwartete angenehme oder unangenehme Begebenheit.
Um diese Stärke zu zeigen, muß unsere Geduld durch manche Fälle geübt seyn,
Dusch.
Der immer gleiche Sinn, den Fälle nicht zerrütten, Haged.
Doch sind hier die zusammen gesetzten Glücksfall, Zufall,
Unfall u. s. f. üblicher. (e) Alles, was geschiehet oder geschehen kann, so
fern es geschiehet oder geschehen kann, eine jede Begebenheit, Zustand oder
Umstand, so der Gegenstand einer Rede oder eines Satzes ist, nach dem Muster
des Latein. casus, und Franz. cas. Ich befinde mich jetzt in dem Falle, den der
Testator bestimmet hat. Sich auf alle Fälle gefaßt halten. Auf allen Fall (wenn
es die Noth erfordert) will ich schon Rath schaffen. Ich schaffe auf alle Fälle
(unausbleiblich) Rath. So oft sich der Fall begibt. Auf den Fall, in dem
[
25-26] Falle, daß er sterben sollte, oder im Fall er
sterben sollte, mit Auslassung des Bindewortes. Im Falle der Noth, wenn es die
Noth erfordert. Im Falle seines Ausbleibens, Absterbens u. s. f. In diesem
Falle (wenn dieses geschehen sollte) verlange ich es nicht. In dreyen Fällen
bin ich verbunden, ihm zu helfen. Ich setze den Fall, daß er nicht käme. Man
thut in diesem Falle gern ein Übriges. Ich befand mich in dem Falle derjenigen,
die sich etwas besinnen wollen. Das war mir ein unvermutheter Fall.
Ein seltner Fall, daß ohne Schöne Ein junger Schäfer glücklich
war, Gell.
Hierher gehöret auch das Oberdeutsche bedürfenden Falls, wenn
es die Noth erfordert.
S. Falls. In manchen Fällen (Dingen oder Stücken) hat er
Recht, in vielen aber nicht. Alle diese Fälle gehören nicht hierher. Du setzest
lauter unmögliche Fälle voraus. 3. Die Höhe, um wie viel ein Körper fällt, ohne
Plural, doch nur von der Höhe, um welche die Oberfläche eines Körpers,
besonders eines flüssigen, an einem Orte dem Mittelpuncte näher ist, als an dem
andern. Das Wasser hat hier einen starken Fall. Der Fluß, die Wiese, der
Fußboden hat vier Fuß Fall. Zuweilen auch mit dem Nebenbegriffe des Ortes, von
welchem das Wasser fällt, da denn auch der Plural Statt findet. Nahe Bäche
rauschten in kleinen Fällen sanft in das Getöse, Geßn. Anm. Dieses Wort lautet
in den meisten der jetzt angeführten Bedeutungen schon bey dem Ottfried, Notker
und Tatian Fal. Einige Sprachlehrer hätten gern die Endungen der Nennwörter
gleichfalls Fälle oder Fallendungen genannt; weil aber diese Ausdrücke zu
buchstäbliche Übersetzungen des Latein. casus waren, so fanden sie wenig
Beyfall. [
25-26]