Ergetzen
, verb. reg. act. einen lebhaften Grad der sinnlichen Freude
verursachen, welche auch bey unsinnlichen Gegenständen oder über
selbige Statt finden kann. Die Spiele ergetzen mich sehr. Jemanden auf alle Art
zu ergetzen suchen. Die Gesellschaft mit angenehmen Erzählungen ergetzen.
Deine Tröstungen ergötzten meine Seele, Ps. 94, 19. Ein
gezüchtigter Sohn ergötzet seinen Vater, Sprichw. 29, 17. Ingleichen
als ein Reciprocum, sich ergetzen, einen lebhaften Grad der sinnlichen Freude
in sich hervor bringen, empfinden. Fröhlich essen und sich ergötzen,
Pred. 2, 25. So daß ich zuvor mich ein wenig mit euch ergötze,
Röm. 15, 24. Sich mit etwas ergetzen. Sich an etwas ergetzen. Ein
böses Herz ergetzet sich über anderer Leute Unglück. Über
seinen Fall [
1893-1894] haben sich viele ergetzet. Sich an
den Büchern ergetzen. Statt der Vorwörter wegen oder nach wird im
Oberdeutschen auch die zweyte Endung gebraucht. Ich bin e tot e si mich mines
dinstes urgetzet, Graf Werner von Honberg. Da will ich mich meiner Mühe
und meines Herzeleids ergötzen, Jer. 8, 18.
Der winter und sin lange naht Die ergetzent und der besten zit,
Ditmar von Ast.
Daher die Ergetzung, so wohl von der Handlung des Ergetzens,
als auch zuweilen von der Mitteln derselben. Statt dieses Hauptwortes
gebrauchte man ehedem auch das Wort Ergetz.
Wer Nutz wer Ergetz recht scheidet und recht mengt, Verdienet,
daß man ihn mit Lob und Ruhm beschenkt, Logau.
Anm. In Strykers Gedichte und unter den Schwäbischen
Kaisern kommt dieses Wort zuerst vor. Ir muget michs wol ergetzen, heißt
es bey dem erstern. Bey dem Jeroschin lautet es erguzin. Es scheinet, daß
ehedem auch das einfache getzen üblich gewesen. Iezent so wirt sie
genannt, sagt der Schenke von Limpurg von seiner Schönen. Man hat von
diesem Worte allerley wunderliche Abstammungen angegeben. Der Spate und
Gottsched leiten es von Atz, Speise, und ätzen, speisen, Wachter von god,
gut, und Heinze sogar von dem gatzen der Hühner her. Frisch kommt der
Sache noch am nächsten, indem er das Ital. godere für das Stammwort
hält; nur hätte er besser nach der Quelle forschen sollen. Im
Isländ. bedeutet gasa lascivire, im Schwedischen aber sich ausgelassen
freuen, welche Bedeutung aber auch das Franz. se gossier hat. Daß das s in
diesen Wörtern zufällig ist, erhellet aus dem alten Schwed.
gädas. sich freuen, dem Holländ. gaden, gefallen, und dem
Isländ. Gae, Freude. Alle diese Wörter haben eine zu sichtbare
Übereinstimmung mit dem Latein. Gaudium, gaudere, und dem Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , und
-
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , sich freuen, und -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , Freude, als daß man selbige sollte verkennen
können. Von einem dieser Wörter scheinet unser ergetzen das
Intensivum zu seyn, daher es auch einen lebhaftern Grad als Freude, obgleich
geringern als Wollust bezeichnet. Die Niedersachsen gebrauchen statt desselben
ihr sik vermaken, und Vermak für Ergetzung.Was die Rechtschreibung dieses
Wortes betrifft, so könnte man es um der gedachten Ableitung willen, in
der Mitte füglich mit einem ä schreiben, weil doch die meisten
Mundarten ein a haben. Allein da e und ä in tausend andern Wörtern
mit einander abwechseln, so kann man auch da e, welches das Alterthum für
sich hat, behalten. Schrieben doch die Griechen -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - u. s. f. mit einem -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Die
Schreibart ergötzen hat ihr Daseyn bloß einer rauhern Mundart zu
danken. [
1895-1896]