Durch
, eine Partikel, welche in doppelter Gestalt üblich ist.I.
Als eine Präposition, welche mit der vierten Endung des Hauptwortes
verbunden wird, und überhaupt eine Bewegung andeutet, welche die
Bestandtheile eines Körpers von dem einen Ende bis zum andern trennet,
aber sich doch längs der innern Theile eines schon getrennten Ganzen
erstrecket.1. Eigentlich, eine Bewegung zu bezeichnen, welche die Bestandtheile
eines Körpers von einem Ende bis zum andern trennet. Ein Loch durch das
Bret bohren. Durch das Papier stechen. Der Schuß ist durch den
Küraß gegangen. Die Kugel fuhr durch die Mauer. Die Sonnenstrahlen
dringen durch den Nebel. Durch den Strom schwimmen. Durch das Wasser waten. Das
Wasser bricht durch den Damm. Das gehet mir durchs Herz, oder das gehet mir
durch Mark und Bein, das rührt mich auf das empfindlichste. Einem durch
den Sinn fahren, etwas seines Widerstandes ungeachtet thun. Einen Strich durch
die Rechnung machen, jemandes Hoffnung, Erwartung vereiteln.2. In weiterer
Bedeutung, eine Bewegung längs der innern Theile eines schon getrennten
Ganzen. Durch die Thüre gehen. Durch das Fenster, durch das Gitter sehen.
Durch die Brille lesen, so fern das Glas den Lichtstrahlen den Durchgang
verstattet. Durch die Finger sehen, Nachsicht gebrauchen, etwas [
1579-1580] stillschweigend verstatten, es ungehindert lassen. Durch
das Haus gehen. Durch die Stadt, durch die Gassen fahren. Durch ein Land
reisen. Durch den Wald gehen. Es gehet alles durch seine Hände. Haller
gebraucht durch in dieser Bedeutung ein Mahl für über:
Zeuch Hannibal vom heißen Calpe Durch Pennins nie
bestiegne Alpe.
Vermuthlich hat ihn das Sylbenmaß dazu genöthiget;
denn hier stehet es völlig an einem unrechten Orte. Die Präposition
in dieser und der vorigen Bedeutung hinter ihr Hauptwort zu setzen, das Wasser
bricht den Damm durch, es fuhr die Stadt durch, der Stier trabet die Fluren
durch, ist ungewöhnlich.
S. die Anm. In beyden Bedeutungen wird durch zuweilen
von seinem Casu verlassen, obgleich diese Ellipsis nur im gemeinen Leben
üblich ist. Ich bin noch nicht durch, d. i. durch das Bret, durch den
Fluß u. s. f. Die Post ist noch nicht durch, durch die Stadt.3.
Figürlich. 1) Von der Zeitdauer. Gott hat seine Kirche durch alle
Jahrhunderte erhalten. Der Kalender bestimmt die Feste durch das ganze Jahr.
Zuweilen kann es in dieser Bedeutung hinter dem Hauptworte stehen. Das ganze
Jahr durch. Alle Jahrhunderte durch. Ja in einigen Fällen muß es
diese Stelle nothwendig haben. Ich habe die ganze Nacht durch gemacht. Wo er
den Tag durch herum irret. Wo sich die Präposition ihrem Hauptworte nicht
vorsetzen lässet. Allein, da man in dieser Bedeutung für durch auch
hindurch sagen kann, so scheinet es hier mehr ein Adverbium, als eine wahre
Präposition zu seyn. 2) Das Mittel, eine Wirkung hervor zu bringen. Durch
Geld richtet man alles aus. Das ist nicht das Mittel, durch welches du deinen
Endzweck erreichen wirst. Sie machen mich durch ihre Güte unruhig. Die
Natur scheint mir durch ihn erst recht schön zu seyn. Durch langen
Gebrauch abgenutzt werden. Athen blühete durch gerechte Gesetze, und durch
unbändige Freyheit zerfiel die Republik. Wie gern möchte ich dich
durch deine bisher unbefriedigte Leidenschaft zur Tugend zurück
führen! Dusch. Ich will durch niemanden glücklich werden, als durch
sie, Gell.
Wie mancher siegt durch eine freye Miene, Der blöder ist,
als Holz und Stein! Gell.
Auch, obgleich seltener, wenn dieses Mittel zugleich den
Gegenstand ausmacht. Durch das unterirdische Reich verstehet man u. s. f. Was
verstehet er dadurch? Zuweilen wird dieses Wort gebraucht, wo doch mit
schicklicher wäre. Ich weiß ihre Großmuth durch nichts als durch
die empfindlichsten Thränen zu belohnen, Gell. besser mit.
Ich unterbreche dich Durch gar kein Wort, bevor du selbst wirst
schweigen, Haged.
S. Mit. 3) Eine wirkende Ursache. Durch ihn bin ich
glücklich geworden. Besonders bey den neuern Dichtern.
Durch ihn trabet der Stier sicher die Fluren durch, Raml.
wo das erste durch hierher gehöret.
Durch dich schmückt die Hand des Frühlings mit
Tapeten unsre Grenzen, Durch dich muß das Gold der Ähren in der
Trauben Purpur glänzen,
singt Kleist von Gott. Allein da dieser Gebraucht leicht eine
Mißdeutung verursachen kann, indem der Begriff des Mittels sich gern mit
einschleicht, wie in beyden Beyspielen unläugbar ist, so erfordert
derselbe eine behuthsame Anwendung. 4) Für unter, doch nur in dem
Ausdrucke durch einander. Alles durch einander mengen, mischen, werfen.II. Als
ein Adverbium. 1. Für zerrissen, durchlöchert, im gemeinen Leben. Die
Schuhe sind schon durch. 2. Durch und durch bedeutet in der gemeinen und
vertraulichen Sprechart, vom Anfange bis zu Ende, von einem Ende bis zum
andern. Jemanden durch und durch stoßen. Ich bin durch und durch naß.
Von oben an gewürkt durch und durch, Joh. 19, 32. Gott heilige euch durch
und durch, 1 Thess. 5, 27. In vielen Fällen kann man dafür in der
edlern Schreibart mit durchzusammen gesetzte Verba gebrauchen;
durchstoßen, durchnetzt, durchwirkt, die alsdann den Ton auf dem Verbo
haben.Anm. 1. Die mit dieser Präposition zusammen gesetzten Verba haben
den Ton bald auf durch, bald aber auf dem Verbo; doch mit einem merklichen
Unterschiede in der Conjugation und der Bedeutung.1) Ist durch ein untrennbares
Vorwort, welches seine Stelle vor dem Verbo durch die ganze Conjugation nie
verlässet, so lieget der Ton auf dem Verbo. Die Verba dieser Art haben das
mit andern, welche untrennbare Partikeln vor sich haben, gemein, daß sie
in der vergangenen Zeit das ge nicht bekommen, und daß im Infinitive das
zu seinen Platz vor der ganzen Zusammensetzung nimmt. Wir durchreisen fremde
Länder. Er hat das ganze Land durchreiset. Er brennet vor Begierde, fremde
Länder zu durchreisen.Viele Verba dieser Art sind schon lange im gemeinen
Gebrauche üblich gewesen, wie durchdringen, durchtrieben, durchwachsen, u.
s. f. Allein die neuern Dichter haben ihre Anzahl gar sehr vermehret, und daher
kommt es, daß die meisten derselben nur in der höhern Schreibart
üblich sind. Man gebraucht sie alsdann, wenn das Verbum einfach stehen,
und das Substantiv nebst der Präposition durch bey sich haben sollte, d.
i. wenn der Accusativ unmittelbar von der Präposition und nicht von dem
Verbo regieret wird. Der Nord durchbraust die Fluren, für: der Nord braust
durch die Fluren. Ein fröhlicher Ton durchrauscht die zitternden Saiten,
für: rauscht durch die zitternden Saiten.Hieraus erhellet zugleich,
daß dergleichen Zusammensetzungen nicht gewaget werden dürfen, wenn
sich der ganze Ausdruck nicht mit der Präposition durch auflösen
lässet; ein Fehler, welchen man mit zahlreichen Beyspielen aus unsern
neuern Dichtern belegen könnte.Ein anderer Fehler, den ich aber, weil er
so oft begangen wird, wohl kaum einen Fehler nennen darf, ist aber, wenn durch
in solchen Verbis als eine trennbare Partikel behandelt, und hinter das Verbum
geworfen wird.
O schnitten wir mit gleichem Fluge Die Lüfte durch, zur
Ewigkeit! Less.
für: durchschnitten wir.
Und ihre Regung drang die Wolken durch, Kleist. Wie manche
Nachtigall am Elbestrome singt, Streicht Thal und Wälder durch,
Opitz. Selinde wandelte verdrießlich und allein Den langen Garten durch,
Zachar. Sonst rauscht ein fröhlicher Ton, wie er in Opern entzückt, Die
Saiten durch, ebend.
Wohin auch gehöret, wenn man diesen Verbis das Augmentum
ge gibt, und das zu versetzt. In durchgewachten Nächten, Hall. für
durchwachten. Ich war schon bereit, mein Leben einsam und traurig durch zu
seufzen, Cron. für zu durchseufzen.
Der Eremite, der die Nacht Im Kerker ungewiß und sorgend
durchgewacht, Less.
[
1581-1582]
Es werden jetzt Die Völker durchgesucht, Schleg.
Denn ob man gleich im gemeinen Leben durchsuchen auf diese
Art gebraucht, so hat doch der Dichter dieses für die Poesie zu niedrige
Wort wohl gewiß nicht gebrauchen wollen.Was die Bedeutung, der auf diese
Art zusammensetzten Zeitwörter betrifft, so haben sie, (a) die erste und
zweyte Bedeutung der Präposition durch. Ein Papier durchstechen. Seinen
Freund durchbohren. Die Luft durchfliegen. Ein Land durchreisen. (b) Werden sie
auch in der engsten figürlichen Bedeutung, nehmlich einer Zeitdauer,
gebraucht. Die Nacht durchwachen. (c) Deuten sie auch an, daß sich die
Handlung über alle Theile des Gegenstandes erstrecket. Das ganze Haus
durchsuchen. Reiche, die Satan durchherrscht, Klopst. Ein mehreres wird bey
jedem Verbo ins besondere angemerket werden. Es ist dieses Vorwort aber,2) Auch
eine trennbare Partikel, welche in der Conjugation hinter das Verbum tritt, das
letztere seines Augmentes nicht beraubet, und im Infinitive das zu zwischen
sich und dem Verbo hat. In diesen Verbis lieget der Ton auf der
Präposition, und sie behält denselben, sie mag auch eine Stelle
bekommen, welche sie will. Wir werden uns nicht aufhalten, wir werden nur
durchreisen. Er ist nur durchgereiset. Er bringet sein ganzes Vermögen
durch. Es war unmöglich durchzukommen.Diese Zusammensetzung findet Statt,
(a) in der ersten und zweyten Bedeutung der Präposition, und gemeiniglich
nur alsdann, wenn kein Accusativ vorhanden ist. Hast du durchgestochen? Er
hält sich nicht auf, er reiset nur durch. Das Gedränge ist zu
groß, ich kann nicht durchkommen. Ist aber ein Accusativ da, so wird die
Präposition zuweilen wiederhohlet. Bohre durch das Bret durch. Stich durch
das Papier durch. Wir sind durch den Fluß durchgegangen. Aber es gibt auch
Fälle, wo Zusammensetzungen dieser Art den einfachen Accusativ der Sache
bey sich haben, welcher aber alsdann nicht von der Präposition, sondern
unmittelbar von dem Verbo regieret wird, so daß die Präposition hier
ein bloßes Adverbium ist. Grabe den Damm durch. Er hat die Schuhe
durchgegangen. Sich die Hände durchreiben, wund reiben. Soll sich der
Accusativ unmittelbar auf die Präposition beziehen, so muß es
heißen: durchgrabe den Damm. Wie auch, wenn durch in diesen
Zusammensetzungen, (b) bloß die Bedeutung verstärket, und die
Handlung über alle Theile des Ganzen ausdehnet. Jemanden
durchprügeln. Ein Buch durchblättern. Eine Sache durchdenken u. s.
f.Man siehet hieraus, daß einerley Wort in einerley Bedeutung, auf
beyderley Art zusammen gesetzt seyn kann. Der ganze Unterschied bestehet oft
bloß in der größern oder geringern Würde des Ausdruckes.
Denn diejenigen Verba, wo der Ton auf der Präposition lieget, sind mehr
der gewöhnlichen Sprechart eigen, dagegen die, welche den Ton auf dem
Verbo haben, dem größten Theile nach für die höhere
Schreibart gehören. Die mit um, unter und über zusammen gesetzten
Verba, werden auf eben dieselbe gedoppelte Art gebraucht.Anm. 2. Dieses Wort
lautet bey dem Kero duruh und durich, bey dem Übersetzer Isidors dhurah,
bey dem Ottfried thuruh, in dem alten Gesetze Ludwigs und Lothars von 840
thuruhe, bey dem Willeram durh, bey dem Tatian thurah, im Angelsächsischen
thurch, im Engl. through. Es ist allem Ansehen nach ein zusammen gesetztes
Wort, welches am Ende die Sylbe ich bekommen hat. Das alte Gothische thair, das
Holländ. deur, und Nieders. dör haben diesen Anhang nicht. Es
scheinet zu dem Worte Thor, Thür zu gehören, welches sich bereits in
den aller-ältesten Sprache befindet. Auch das Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , durchbohren, das
Latein. tero, Schwed. taera, durchdringen, scheinen dahin zu hören.
Wenigstens kommt die Bedeutung beyder Wörter mit dieser Ableitung sehr gut
überein. Ehedem gebrauchte man dieses Vorwort auch für um, wegen und
mir.
Sie tho luto irharetun Thuruh thia suarum forahtun,
da schrien sie laut wegen ihrer schweren Furcht, Ottfr.
Thuruh reht, um des Rechtes willen, Tat.
Der boesen has und ouch ir nitIch gerne dulden wil Dur die diu
mir so nahe liet,
um der willen u. s. f. Wernher von Tuifen. Und so in andern
Stellen mehr. [
1583-1584]