Betriegen
, verb. irreg. act. (
S. Triegen,) die gegründete Erwartung eines andern,
in der Absicht ihm zu schaden, unerfüllet lassen. Dieses geschiehet im
gesellschaflichen Leben, 1) auf die gröbste Art, wenn man einen andern
unter dem Versprechen eines Ersatzes, eines Äquivalentes, oder unter dem
Scheine eines Rechtes, um den Besitz seines Eigenthumes bringet. So betriegt
ein böser Schuldener seine Gläubiger, wenn er sie mit Vorsatz um die
ihm geliehenen Summen bringt, und ein falscher Spieler betriegt seine
Mitspieler unter dem Scheine eines Rechtes. Die Sache, die dem andern auf diese
Art entzogen wird, bekommt in diesem Falle das Vorwort um. Er hat mich um
vieles Geld, um mein ganzes Vermögen betrogen. Er betrog mich um das
Vergnügen, worauf ich einiges Recht zu haben glaubte, Dusch. 2) Wenn man
ihm Schlechtes für Gutes, wenig für viel gibt. So betrog Michal die
Bothen Sauls, da sie ein Bild an Davids Stelle in das Bett legte, 1 Sam. 19,
13. Die Wucherer betrogen die Armen, da sie ihnen Spreu für Korn
verkauften., Amos 8, 6. Laban betrog den Jacob, als er ihm die Lea statt der
Rahel gab, 1 Mos. 29, 25; und der Krämer betriegt, der falsches Gewicht
und Maß führet, Hof. 12, 17. 3) Wenn man ihm Irrthum für
Wahrheit gibt, oder ihm einen Irrthum beybringt, in der Absicht, ihm zu
schaden. So ließ sich Eva von der Schlange betriegen, 1 Mos. 3, 13. Wer
leicht glaubt, wird leicht betrogen. In weiterer Bedeutung wird dieses Wort
zuweilen gebraucht, wenn der Vorsatz zu schaden auch nicht erweislich ist. So
betrog Jacob seinen Vater, als er sich in Esaus Gestalt verkleidete, 1 Mos. 27,
12; und die Gibeoniten betrogen den Josua, da sie vorgaben, sie kämen aus
einem weit entlegenen Lande, Jos. 9, 22.
Leicht läßt sich die Vernunft, doch schwer das Herz
betriegen, Gell.
S. Anm. 1. Und in noch weiterer Bedeutung wird das
Reciprocum sich betriegen im gemeinen Leben nicht selten, für sich irren
gebraucht. Du betriegst dich, die Sache verhält sich anders. 4) Wenn man
des andern Hoffnung unerfüllet lässet, wo dieses Wort oft auch
figürlich in solchen Fällen gebraucht wird, wo weder eine gegebene
Hoffnung, noch ein böser Vorsatz vorhanden ist. Daher die so wohl im
gemeinen Leben, als auch in der edlern Schreibart üblichen R. A. Sich in
seiner Hoffnung betriegen. Ich habe mich gar sehr in meiner Hoffnung betrogen.
Sich in seiner Hoffnung, in seiner Erwartung betrogen finden. Betrogene, d. i.
fehl geschlagene, Hoffnungen; in der höhern Schreibart.
S. auch Betrug.Anm. 1. Da Betriegen eigentlich den
Begriff eines böslichen Vorsatzes bey sich führet, so ist es in den
drey ersten Bedeutungen ein harter und beleidigender Ausdruck, statt dessen
man, wenn der Vorsatz noch nicht völlig erweislich ist, oder man sich aus
andern Ursachen behuthsam ausdrucken will, lieber die mildern Wörter
täuschen, hintergehen u. s. f. gebraucht. Die gemeinen Mundarten haben
eine große Menge Wörter, die verschiedenen Arten des Betruges nach
allen Schattirungen der Feinheit auszudrucken. Aufsetzen, anführen,
prellen, schnellen, belisten, beschleichen, betörkeln, betölpeln u.
s. f. sind auch im Hochdeutschen nicht unbekannt. Die Niedersachsen haben ihr
beteen, beziehen, besellen, gigeln, begigeln, (Engl. to beguile, Holländ.
gyhlen, Altfranzösisch guiller, bey einigen Oberdeutschen auch gillen,
begil-len) betrecken, (beziehen) beschummeln, beschuppen, belugsen,
bemöhlen, beswichen, (bey den alten Franken und Alemannen, piswichan,
besuuichan, Dän. besvige) betalgen, u. s. f.Anm. 2. Betriegen, Nieders.
drögen, bedrögen, Holländ. bedrieghen, triegen, Schwed. bedraga,
Engl. to betray: Lautet bey dem Tatian betriegen, und bey dem Notker triegen.
Das einfache triegen kommt in dieser Bedeutung noch in den gemeinen Mundarten
Ober- und Niederdeutschlandes vor.
Sy haben oft trogen mich, Theuerd. So äfft die Eitelkeit,
den der sich trügen läßt, Günth.
S. Triegen. Die Abstammung und eigentliche Bedeutung
dieses Wortes ist noch nicht ausgemacht. Herr Ihre leitet es von dem
Niedersächs. Trecken, ziehen, her, womit das Franz. trahir, und in dem
mittlern Lateine seducere und trahere, und das Deutsche beziehen, in der
Bedeutung überein kommen. Richtiger könnte man es von tragen
ableiten; denn trecken, ziehen, ist doch wohl nur das Frequentativum von
drägen, tragen, und bedrögen, betriegen, und betrecken sind im
Niedersächsischen so wohl in der Aussprache als Schreibart ziemlich weit
von einander unterschieden. Wie es übrigens auch mit der Abstammung
beschaffen seyn mag, so hat man doch keinen überwiegenden Grund, dieses
Wort lieber betrügen, als betriegen zu schreiben. Das Hauptwort Betrug
entscheidet hier nichts, weil von biegen, fliegen, fliehen, fließen,
genießen, gießen, riechen, schieben, schießen, schließen,
verlieren u. s. f. gleichfalls Bug, Flug, Flucht, Fluß, Genuß,
Guß, Ruch und Geruch, Schub, Schuß, Schluß, Verlust u. s. f.
kommen. Betrügen hat nichts weiter als eine rauhere Aussprache für
sich. Eben dieß gilt auch von der Conjugation im Präsenti du
betreugst, er betreugt, für betriegst, betriegt, welche im Hochdeutschen
nur noch zuweilen in der höhern Schreibart vorkommt.
S. Triegen. [
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